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»Da fehlen mir die Worte«

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Nicht nur Janet Zeltinger, die ihm hier vor seinem Einsatz Anweisungen gibt, kann es nicht verstehen, dass Peymen Mizan nicht dabei sein kann. Foto: Diekmann © Diekmann

Wetzlar . Wenige Tage vor der ersten großen Bewährungsprobe des neuen Jahres lässt sich Janet Zeltinger noch einmal den Wind um die Nase wehen. Ehemann und Bundestrainer Nikolai Zeltinger ist beruflich unterwegs, Töchterchen Kaylie verbringt die Woche bei der Oma in Bonn. Also ist es an der 45-Jährigen, mit Hund Zimba rund um den Gießener Stadtteil Allendorf unterwegs zu sein.

Egal, wie das Wetter auch ist.

Doch Spaziergänge tun nicht nur dem Labrador gut, sondern machen auch der Trainerin des Rollstuhlbasketball-Bundesligisten den Kopf frei. Um kommende Aufgaben zu planen, durchzugehen, zu überdenken, vorzubereiten. Schließlich steht Freitag und Samstag in Wien die Gruppenphase der europäischen Königsklasse auf dem Programm. Es ist ein Wettbewerb, den die Wetzlarer Rollis bereits siebenmal gewonnen haben. Und den sie auch Anfang Mai beim Final Four im niederländischen Nijmegen optimistisch angehen wollen. Vorausgesetzt, der RSV Lahn-Dill strauchelt nicht beim Turnier in Österreichs Hauptstadt.

Janet, Ihre Mannschaft führt die Bundesliga-Tabelle an, tat sich zuletzt bei einigen knappen Siegen aber unerwartet schwer. Wo klemmt es?

Durch Verletzungen und Krankheiten hatten wir unsere Mannschaft, die wir ja im Sommer auf drei entscheidenden Positionen verändert haben, kaum komplett zusammen. Ein ganz normales Teamtraining war nur selten möglich, obwohl wir es dringend notwendig gehabt hätten, um die neu zusammengestellte Truppe aufeinander einzustimmen. Inzwischen haben wir uns aber gefunden, was die Partie in Essen, die wir klar gewonnen haben, verdeutlichte. Das gibt mir Hoffnung für die nächsten Aufgaben.

In der Gruppenphase der Champions League wartet am Wochenende in Wien mit CD Ilunion Madrid ein schwerer Brocken. Ist die Qualifikation trotzdem reine Formsache, da die weiteren Gegner CS Meaux aus Frankreich, ASD Santo Stefano aus Italien und Sitting Bulls Wien zu schwach sind, um sich dem RSV auf dem Weg ins Viertelfinale in den Weg stellen zu können?

Die Qualifikation für das Viertelfinale ist alles andere als reine Formsache. Außer Madrid ist auch Santo Stefano eine Mannschaft, die es zu beachten gilt. Sie haben drei große Jungs, die nur schwer zu kontrollieren sind. Sie spielen einen schnellen, überfallartigen Basketball, auf den wir uns erst einstellen müssen. Ich bin froh, dass gleich an Tag eins Madrid und Santo Stefano aufeinandertreffen und ich sie unter die Lupe nehmen kann. Meaux ist eine Wundertüte. Sie spielen mal stark, mal etwas schwächer. Und auch gegen Wien müssen wir voll fokussiert sein, um unsere Ziele zu erreichen. Die Gruppenphase ist äußerst anspruchsvoll.

Mit Mark Beissert, einem Fußgänger, fehlt ihnen in Wien der Topscorer vom letzten Match in Essen. Außerdem darf Peymen Mizan, dessen Asylverfahren seit über fünf Jahren beim Landkreis Marburg-Biedenkopf anhängig ist, aus Deutschland nicht ausreisen. Haben Sie dafür Verständnis?

Da muss ich ganz klar sagen, dass mir dafür die Worte fehlen. Ich weiß, dass Peymen vor Weihnachten einen Termin hatte, dieser aber ausgefallen ist, weil der Richter krank war. Insgesamt aber sind fünf Jahre viel zu lange.

Er spricht inzwischen besser Deutsch als ich, er ist kurz davor, seine Ausbildung abzuschließen, er hat sich perfekt integriert. Wir alle sind sehr traurig, dass ein junger Mann von seinen sportlichen Träumen ausgeschlossen bleibt, obwohl er hart für seine Leidenschaft arbeitet. Er kommt von Marburg aus jeden Tag ins Training, er investiert sehr viel, wir unterstützen ihn, wo es nur geht. Doch er wird ausgegrenzt. Das verstehe ich nicht.

Janet Zeltinger begann, damals noch unter ihrem Mädchennamen Janet McLachlan, als Fußgänger-Basketballerin für die University of Victoria in Kanada. Als Rollstuhl-Basketballerin war sie für Edmonton Inferno, die British Columbia Breakers, die University of Alabama, die Dolphins Trier (2012 bis 2016) und die Rhein River Rhinos aus Wiesbaden (2016/17) aktiv. 2017 wurde sie Assistenztrainerin der deutschen Damen-Nationalmannschaft, 2018 beim RSV Lahn-Dill Assistentin von Ralf Neumann, ein Jahr danach Cheftrainerin. Als Aktive galt die 45-Jährige als weltbeste Spielerin. Als Krönung ihrer Laufbahn gewann sie mit Kanada 2014 in Toronto die Weltmeisterschaft. Mit Töchterchen Kaylie und ihrem Ehemann Nikolai Zeltinger lebt sie im Gießener Stadtteil Allendorf.

(afi)

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