»Das darf so nicht passieren«

Leipzig/Wetzlar. Hendrik Wagner bleibt nicht viel mehr als sich zu entschuldigen. »Entschuldigung an alle unsere Fans«, sagt der Rückraumspieler, der in den letzten Wochen als Abwehrchef mit bestem Beispiel vorangegangen war, wenige Minuten nach der Schlusssirene bei »Sky«. Am Himmelfahrtsabend, da ist »Bobby« aber nur Mitläufer in einer HSG Wetzlar, die nach der 29:
38 (10:17)-Niederlage in der Handball-Bundesliga beim SC DHfK Leipzig mit hängenden Köpfen vom Spielfeld schleicht.
DHfK Leipzig - HSG Wetzlar 38:29
Rückblende: »Geduld«, sagt Jasmin Camdzic in seiner ersten Auszeit. Ja, Geduld, die wäre angebracht nach all den Wurf-Fahrkarten, die die Grün-Weißen nach einem soliden Start auf dem Parkett der Arena Leipzig lösen. »Ein Pass mehr«, ruft der Chefcoach der HSG Wetzlar seinen Spielern noch gebetsmühlenartig hinterher, als sie sich nach knapp 13 gespielten Minuten wieder ins Getümmel stürzen.
Was folgt, ist aber genau das Gegenteil. Die Grün-Weißen werfen die Bälle und damit auch die große Chance, den wohl schon entscheidenden Schritt zum Klassenerhalt zu machen, in Hülle und Fülle ohne Not weg. Sie werfen - mal wieder - den gegnerischen Schlussmann, am Donnerstagabend ist das Kristian Saeveras, berühmt.
Und zu allem offensiven Malheur steht auch das zuletzt gewinnbringende Prunkstück der Gäste nicht. Die Abwehr findet keinen Zugriff auf das Tempospiel der Sachsen. Das Resultat: Aus einem mutmachenden 4:2-Vorsprung (6.) durch Lukas Becher wird bis zum Ende der ersten Hälfte ein »minus sieben«. Trotz eines bis dahin starken Till Klimpke im eigenen Tor. Und es scheint danach weiter bergab zu gehen mit den Mittelhessen. Als Rechtsaußen Patrick Wiesmach den x-ten Fauxpas des Gegners zur Flucht nach vorne nutzt und seinen Sportclub der Deutschen Hochschule für Körperkultur per Tempogenstoß mit 22:13 in Front bringt, droht nach 35 Minuten ein HSG-Debakel.
Camdzic bleibt nichts anderes übrig, als zum dritten und letzten Mal auf den Auszeit-Buzzer zu hämmern. Dann drischt der »Jasko« verbal auf seine Männer los. »Das war das fünfte Gegentor in der zweiten Hälfte. Ihr müsst zurücklaufen, und zwar schnell. Das kann so nicht sein«, brüllt der sonst so genügsame frühere Klasse-Torhüter sein Team an. Die Worte des Bosniers zeigen Wirkung. Auf einmal greifen die Wagner, Cavor und Co. in der Defensive kraftvoll zu. Auf einmal gewinnen sie damit Bälle. Auf einmal kommen die Gastgeber, die aus den acht Spielen zuvor nur ein mageres Pünktchen geholt haben, wieder ins Grübeln. Es steht 18:22, nachdem Adam Nyfjäll und Wagner knapp 20 Minuten vor Schluss vorne einnetzen. Doch erneut lässt der Tabellen-16. den angeschlagenen Boxer von der Leine, 90 Sekunden später ist die Messe beim 18:25 gelesen.
Der Rest ist »wildes Hin- und Hergerenne«, wie es Hendrik Wagner später beschreibt. Der Rest ist vor allem schnell erzählt. Adam Nyfjäll und der spät eingewechselte und in der 5:1-Deckung auf der Spitze verteidigende Emil Mellegard verdienen sich noch ein paar Fleißpünktchen. Mehr ist an diesem »gebrauchten Tag« für die Lahnstädter nicht drin.
»Wir wollten endlich einmal wieder Spaß haben auf dem Feld. Und Spaß haben wir jetzt auch, weil wir gewonnen haben«, sagt Leipzigs Kapitän Lukas Binder nach dem deutlichen Erfolg der Seinen.
Und Wagner antwortet auf die Frage des Sky-Reporters, was denn seiner Mannschaft gefehlt habe: »Einiges. In der ersten Halbzeit haben wir viel zu viele falsche Wurfentscheidungen getroffen und insgesamt in der Abwehr keinen Zugriff auf den Gegner bekommen. Das darf so nicht passieren.« Ein besseres Schlusswort hätte keiner seiner Teamkameraden für die schlechte Vorstellung in Sachsen finden können.
Leipzig: Saevaras, El-Tayar (n.e.) - Wiesmach (6), Ernst (1), Witzke (3), Krzikalla (3/3), Binder (5), Ivic (7), Preuss, Sunnefeldt (7), Gebala (3), Matthes, Leun (1), Sajenev (1), Heitkamp (1).
Wetzlar: Till Klimpke, Suljakovic (bei einem Siebenmeter) - Nyfjäll (7), Schmidt, Ole Klimpke, Becher (5/1), Weissgerber (2), Schelker, Fredriksen, Pliuto (2), Wagner (4), Mellegard (4), Rubin, Novak, Cavor (5).
Schiedsrichter: Baumgart/ Wild (Offenburg) - Zuschauer: 4266 - Zeitstrafen: Leipzig eine (Binder), eine Wetzlar (Wagner) - verworfener Siebenmeter: Becher (Wetzlar) scheitert an Saeveras (18.).