»Das verdient Respekt«

Wetzlar/Wien . Als Mannschaft und Crew am Sonntag gegen 18 Uhr wieder in Wetzlar »landeten«, war erst einmal Durchatmen angesagt. Wegen des 1600-Kilometer-Trips. Wegen der eher unbequemen Fahrt in vier Kleinbussen. Vor allem aber wegen eines sportlichen Erfolges, der mitnichten ein Selbstläufer war. Auch nicht für einen siebenfachen Königsklassen-Gewinner wie den RSV Lahn-Dill.
»Wien war kein Spaziergang«, bilanzierte Manager Andreas Joneck, der wegen eines Ermüdungsbruchs im Fuß auf die Reise verzichten und die Partien zu Hause im Livestream verfolgen musste, die Gruppenphase im Champions-Cup, in der sich der Wetzlarer Rollstuhlbasketball-Bundesligist am Wochenende in der österreichischen Metropole durch Rang zwei für das Viertelfinale qualifizieren konnte. »Wir hatten die wahrscheinlich schwerste Vorrunden-Gruppe aller Zeiten erwischt. Deshalb bin ich sehr zufrieden mit dem Erreichten. Wir haben zwar unsere erste Saisonniederlage einstecken müssen, aber allen Widrigkeiten getrotzt«, so der 57-Jährige.
Auch Zeltinger als Fahrerin
Auch Cheftrainerin Janet Zeltinger, die einen der Kleinbusse gefahren hatte, war angetan von ihrer Mannschaft: »Das Team hat Charakter gezeigt und sich von Krankheiten, Verletzungen und technischen Problemen nicht aus der Ruhe bringen lassen. Das verdient Respekt«, blickte die Kanadierin auf die vier Tage an der Donau zurück, in denen sich der RSV Lahn-Dill durch Rang zwei für die nächste Runde hatte empfehlen können.
Nach einem 71:54-Sieg über den französischen Vertreter CS Meaux und dem 77:44-Erfolg gegen Ausrichter Sitting Bulls Wien mussten sich die Wetzlarer Rollis am Samstag zwar dem spanischen Spitzenteam CD Ilunion Madrid mit 55:65 geschlagen geben, buchten das Ticket für die Runde der letzten Acht aber schließlich durch einen souveränen 85:67-Sieg über den aktuellen Tabellenführer der italienischen Serie A, ASD Santo Stefano. »Da haben wir nichts anbrennen lassen und von Anfang an demonstriert, wer in die nächste Runde einziehen wird und wer nicht«, musste Andreas Joneck im heimischen Wetzlar nicht zittern.
Nur fünf Akteure gesund und fit
Was auf die Protagonisten vor Ort eher weniger zutraf. Ohne Fußgänger Mark Beissert sowie den auch nach über fünf Jahren noch im Asylverfahren steckenden und deshalb an Deutschland gebundenen Iraker Peymen Mizan nach Wien mit einer Neuner-Rotation angereist, waren es schließlich nur fünf Akteure, die sich gesund und fit meldeten. Denn Thomas Böhme und Simon Brown, die schon beim letzten Bundesligaspiel in Essen gefehlt hatten, kamen grippekrank in Wien an. Der britische Weltmeister Ghazain Choudhry und der niederländische Europameister Quinten Zantinge, beide ebenfalls wegen eines Magen-Darm-Infekts nicht fit, wurden in Spiel eins gegen CS Meaux von Janet Zeltinger noch geschont, ehe sich auch noch der japanische Internationale Reo Fujimoto im letzten Match gegen Santo Stefano verletzte. Zu allem Übel hatte auch Simon Brown noch Probleme mit seinem Sportrollstuhl, so dass die gesamte RSV-Delegation heilfroh war, die Reise nach Wien mit der Qualifikation fürs Viertelfinale abgeschlossen zu haben.
In diesem geht es für den 14-fachen Deutschen Meister und 14-fachen nationalen Pokalsieger nun im spanischen Albacete weiter. Neben den Gastgebern trifft Wetzlar dort noch auf Galatasaray Istanbul und Econy Gran Canaria.
Der härteste Konkurrent auf dem angestrebten Weg ins Final Four im niederländische Nijmegen ist Mitte März Gastgeber BSR Amiab Albacete, jener Spitzenclub aus der 180000 Einwohner zählenden Stadt rund 250 Kilometer südöstlich von Madrid. Die Mannschaft aus der Region Kastilien/La Mancha ist amtierender spanischer Meister, aktueller Tabellenführer in der División de Honor und amtierenden Champions-Cup-Sieger. Zu beiden Titeln führte die Iberer in der Vorsaison vor allem der britische Weltmeister »Gaz« Choudhry, der in dieser Spielzeit das Trikot des RSV Lahn-Dill trägt.
Wiedersehen in Albacete
Aber auch die US-Amerikanerin Rose Hollermann wird in Albacete auf ihr altes Team treffen, wechselte sie doch im vergangenen Sommer von der Kanareninsel Gran Canaria nach Mittelhessen. Mit dem dritten Konkurrenten im Viertelfinale verbindet den RSV Lahn-Dill neben den drei Champions-League-Endspielen 2008, 2011 und 2012 auch das Wiedersehen mit dem polnischen Internationalen Piotr Luszynski. Der inzwischen schon 50-Jährige gewann mit den Wetzlarern 2017 das Double aus Meisterschaft und Pokalsieg in Deutschland.
Bei »Gala«, wieder einmal gecoacht von der türkischen Ikone Sedat Incesu, steht Luszynski allerdings in einem Team, das seine Ambitionen auf die europäische Krone in den letzten Jahren aus finanziellen Gründen herunterschrauben musste. Ganz im Gegensatz zum RSV Lahn-Dill, der über Albacete schließlich im Mai in Nijmegen versuchen möchte, Königsklassen-Titel Nummer acht zu ergattern. Egal, wer sich in der anderen Viertelfinale-Gruppe in Elxleben, in der die Thuringia Bulls auf CD Ilunion Madrid, GSD Porto Torres aus Sardinien und den spanischen Tabellenvierten Bidaideak Bilbao BSR treffen, auch durchsetzen wird.