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Der Fußballgott als Kobold

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Andrang im Gießener Strafraum: Torwart Daniel Duschner schaut diesem Kopfball nur hinterher. Foto: Vogler © Vogler

Gießen. Torwart Pierre Kleinheider bleibt minutenlang auf dem Rasen liegen. Sein Fernwalder Mitspieler Louis Goncalves stiefelt mit finsterem Blick nach dem Abpfiff schnurstracks an der Eckfahne vorbei die Treppe hoch zur Kabine und schimpft fassungslos: »Das gibt es doch nicht.«

FC Gießen - FSV Fernwald 3:2

Was es nicht geben kann, das gibt es im Fußball aber doch. Einen Ausgleich in der Nachspielzeit. Und trotzdem noch den entscheidenden Gegentreffer in allerletzer Sekunde. Genau diese allerletzte Sekunde und den aber auch aller allerletzten Angriff hat der FC Gießen genutzt, um das Derby der Fußball-Hessenliga gegen den FSV Fernwald mit 3:2 zu seinen Gunsten zu entscheiden.

Klar, dass die Gäste bitter enttäuscht nach dem Abpfiff auf dem Rasen herumlagen, herumstanden oder aber eben das Waldstadion so schnell wie möglich verließen. Bilder des totalen Frusts. Ein Last-Minute-Frust, der seltsamerweise völlig unnötig war. Denn die Gäste hätten niemals auch nur in die Nähe eines Punktgewinns kommen dürfen, hätten dieses brisante Duell vor der stolzen Kulisse von 1136 Zuschauern klar verlieren müssen.

Doch von Anfang an: Im ersten Spielabschnitt sitzt FSV-Trainer Daniyel Bulut teils regungslos, teils fassunglos auf seinem Stuhl oder geht kopfschüttelnd gen Bande. Der stets so besonnene Mann muss mitanschauen, wie seine Elf eine kleine Lehrstunde in den nicht ganz unentscheidenden Punkten Kampfkraft, Moral und Wille erteilt bekommt. Die neu zusammengewürfelten Gastgeber treten hingegen so auf, als würden sie seit Jahren und nicht erst seit Tagen eine Einheit bilden.

Die erste Chance des FC vergibt noch Mert Sinan Pekesen, der freistehend aus zwölf Metern verzieht. Da die Fernwalder Defensive ungefähr so seriös erscheint wie das Bio-Siegel auf einer Dose tartarischer Gulaschsuppe, fällt das 1:0 der Gießener folgerichtig nach 23 Spielminuten.

FSV-Akteur Ceyhun Dinler legt im Strafraum den nie zu bremsenden Matheus de Moura Beal. Und der Gefoulte selbst verwandelt zur hochverdienten Führung. Die Gäste wirken weiter so paralysiert wie der Höhenpaniker vorm Brauhausturm. Nichts, aber auch gar nichts geht nach vorne. Viel zu körperlos, ja viel zu mutlos treten die Johannes Hofmann und Co. auf. Eine einzige Ecke ist das Resultat dieser Bemühungen. Und diese verpufft wirkungslos.

Ganz anders der FCG. Immer wieder geht es ruckzuck über den schnellen Ghani Wessam Abdel über Außen nach vorne. Dort wirbelt der schmächtige Connor Filsinger die Abwehr gehörig durcheinander. Doch sowohl Filsinger als auch Pekesen vergeben den eigentlich verdienten zweiten Treffer. So was soll sich schon mal rächen. So was rächt sich nach der Pause erstmal gar nicht. Daniyel Bulut wechselt gleich zweimal. Und Daniyel Bulut muss zwei Minuten später ein drittes Mal wechseln, weil seine Mannen prompt das 2:0 des FCG zugelassen haben. Ausgerechnet Ex-FSVler Dennis Vural köpft in der 48. Minute wunderschön ins Netz.

Dramatik pur

Doch in der Folge machen die Fernwalder Mut. Sie machen ihrem Trainer und ihrem Anhang Mut. Denn nun wehrt sich das Team. Nun wird gekämpft und nun wird entschlossen nach vorne gespielt. Das aber nur 20 Minuten lang. Als der eingewechselte TomWoiwod freistehend die beste Möglichkeit verzieht (59.), scheinen sich die grau gedressten Gäste in ihr diesmal graues fußballerisches Schicksal zu ergeben. Bis der an diesem Tag böse feixende Fußballgott den Gießenern die lange Nase dreht. Nachdem diese gleich mehrere hochkarätige Konter komplett verdaddelt haben, fällt quasi aus dem Nichts heraus der Anschlusstreffer zum 1:2 durch einen herrlichen Volleyschuss des eingewechselten Yannis Grönke.

Und weil der Fußball-Gott an diesem Abend ein Kobold sein will, schockt er die inzwischen nervösen Gastgeber in der 92. Minute auch noch mit dem 2:2 durch ein unglückliches Eigentor von Besso, dessen Ball im Strafraumchaos irgendwie im Netz landet. Und weil es dieser Kobold aus dem Fußball-Götterhimmel so richtig krachen lassen will, springt der Ball beim aller allerletzten Gießener Angriff ausgerechnet FSV-Torschütze Grönke an die Hand. Francesco Calabresa verwandelt den Elfmeter sicher und lässt alle Fernwalder frustriert auf dem Rasen zurück.

FC Gießen: Duschner; Calabresa, Fink, Besso, Abdel, Kireski, Vural (80. Mahmuti), Beal (85. Tatchouo), Maingad (85. Harder), Pekesen, Filsinger (70. Assar)

FSV Fernwald: Kleinheider, Kaguah, Bender (66. Grönke), Mukasa (52. Woiwood), Goncalves, Solak, Strack, Siebert (46. Burger) , Hendrich (90+1 Dervishi), Hofmann, Dinler.

Tore: 1:0 Beal (23./FE), 2:0 Vural (48.), 2:1 (81.) Grönke, 2:2 (90+3) Besso/Eigentor, 3:2 (90+6/HE) Calabrese

Schiedsrichter: Rübe (Vellmar). - Zuschauer: 1136.

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