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Der Vielseitige am Mikrofon

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Gießen. »Am besten morgen um 14 Uhr.« Wer in diesen Wochen den Kontakt zu Florian Naß sucht, der sollte mit ihm telefonieren, wenn er im Auto sitzt. »Bitte erst um 14.15 Uhr«, lässt der ARD-Mann via WhatsApp wissen, geht aber nicht ans Telefon. »Bin bereit. Sorry, jetzt«, funkt Naß einige Minuten später - und geht wirklich ans Handy. »Oliver Glasner hat sich freundlicherweise gerade gemeldet, den konnte ich nicht abwimmeln.

Mein Navi sagt, ich habe noch 90 Minuten zu fahren, wir können also loslegen.«

Um über Wochen, ja Monate zu reden, die stressiger nicht hätten sein können. »Das ist nun mal das Los eines Reporters, der vielseitig verwendbar ist«, lacht der 54-Jährige. »Irgendwann im Herbst muss ich auch mal den Fuß vom Gaspedal nehmen. Noch aber warten so viele spannende Aufgaben auf mich, die ich nicht missen möchte.«

Rund fünf Wochen ist der in Ober-Mörlen vor den Toren von Bad Nauheim lebende Familienvater nun unterwegs. 60 Stunden Live-Kommentar von der Tour der France der Männer, anschließend aus dem Studio in Saarbrücken acht Tage Frankreich-Rundfahrt der Frauen, am Sonntagabend nach Hause, am Montagmittag mit dem Auto gen Magdeburg, wo er am Abend den 4:0-Erfolg der Frankfurter Eintracht in Runde eins des DFB-Pokals live in die Wohnstuben der Republik übertrug.

Apropos Fußball: Für die Winter-WM in Katar ist »Flo« Naß als einer von vier ARD-Kommentatoren neben Christina Graf, Tom Bartels und Gerd Gottlob gesetzt. Im nationalen Pokal sowie in der Bundesliga ist der gebürtige Frankfurter ebenfalls am Start. »Allerdings werde ich für die Sportschau eher Partien aus Frankfurt, Mainz oder Hoffenheim übertragen, da sind dann mehrere Kollegen aus den verschiedenen Sendeanstalten mit im Boot.« Bei den European Championships vom 11. bis 21. August in München wird Naß die Straßen-, Bahnrad- sowie Mountainbikerennen übertragen. Drei Tage später startet die Deutschland-Tour der Radprofis, bei der das Erste den Prolog, die darauffolgende Etappe von Weimar nach Meiningen sowie den Samstag mit der Strecke von Freiburg hinauf zur Bergstation Schauinsland übertragen wird.

Wenn das Peloton am Freitag, 26. August, in Marburg ankommen wird, hat das ZDF die Übertragungsrechte. Was für Naß aber kein Problem darstellt: »Natürlich wäre ich gerne quasi vor meiner Haustüre im Einsatz gewesen, bei dem, was ich in diesem Jahr aber alles schon erlebt habe, ist dies zu verkraften.«

Erlebt hat der Handball-Experte, der natürlich im Januar bei der WM in Polen und Schweden im Einsatz sein wird, bei der Tour de France der Männer seine 26. Rundfahrt, die seine Erwartungen fast noch übertroffen hat. »Fernsehjournalisten leben in Bildern. Und die waren in diesen drei Wochen nicht zu toppen«, schwärmt der 54-Jährige von Start in Kopenhagen, der angeblich fahrradfreundlichsten Stadt der Welt. Von der Brücke über den Großen Belt. Von Menschenmassen in Dänemark. Von Kopfsteinpflasterpassagen. Von der Schinderei nach La Planche des Belles Filles. Von einem hammerharten Tag mit dem Col du Télégraphe und dem Col du Galibier. Vom französischen Nationalfeiertag und dem Anstieg nach Alpe d’Huez. Vom Zweikampf zwischen Jonas Vingegaard und Tadej Pogacar. Und natürlich von deutschen Fahrern, die keine Etappe gewinnen konnten, die aber des Öfteren nachhaltig auf sich aufmerksam machten. »Simon Geschke hat neun Tage lang das Bergtrikot getragen. Lennard Kämna stand zweimal dicht vor einem Etappensieg, einmal sogar dicht vor dem Gelben Trikot. Und Nils Politt sowie Georg Zimmermann haben Akzente gesetzt«, ist Florian Naß voll des Lobes über die deutschen Pedaleure. Wie auch wir voll des Lobes sind über das, was Florian Naß in diesen Wochen leistet. Um es mit seinem Tour-Vorgänger, ARD-Legende Herbert Watterott, zu sagen: »Chapeau!«

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