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Didi Senft schwingt Dreizack

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So soll es wieder werden: Marburgs Oberbürgermeister Thomas Spies (links) beim Tour-Start 2019. Foto: Imago © Imago

Marburg. Es war ein Tag, so recht nach dem Geschmack der Anhänger und der Profis: 25 Grad, strahlender Sonnenschein und rund 3000 Radsportbegeisterte auf der Biegenstraße vor dem Erwin-Piscator-Haus: In Marburg gaben sich an jenem Freitag, 30. August 2019, die Menschen erwartungsfroh und Stars zum Start der zweiten Etappe der Deutschland-Tour aufgeräumt.

Und dies, obwohl sie eigentlich »not amused« waren. Früh, viel zu früh, hatten sie aufstehen müssen, um im Morgengrauen die rund dreieinhalb Stunden von Halberstadt in Sachsen-Anhalt, dem Zielort des ersten Abschnitts, bis an die Lahn hinter sich zu bringen.

»Das hat ihnen sicher gar nicht gefallen«, wusste Dieter Senft, der als »El Diabolo« oder »Didi the Devil« zum festen Inventar der internationalen Radsportszene gehört. Der heute 70-Jährige, eigentlich Schlosser und Fahrrad-Designer aus Storkow in Brandenburg, ist seit 1992 bei jedem großen Rennen vor Ort. Tour de France, Giro, Vuelta. In seinem Teufelskostüm mit Dreizack feiert er sich selbst. Und andere. Und er feuert die Pedaleure an, die es ihm - so auch in der Universitätsstadt - mit einem freundschaftlichen Handshake oder einer herzlichen Umarmung danken.

Dass die Profis mächtig verärgert waren, ließen sie ihre Fans an diesem traumhaften Mittag jedoch nicht spüren. So hielt der vor drei Jahren noch als Deutschlands neuer Superstar gehypte Emanuel Buchmann noch einen kurzen Plausch mit dem am Abend zuvor im Sprint triumphierenden Pascal Ackermann. Vincenzo Nibali, der »Hai von Messina«, Tour-de-France-Gesamtsieger von 2014, war sich nicht zu schade, vom Rad zu steigen und Kindern Autogramme zu geben. Marc Cavendish, 30-facher britischer Etappensieger bei der Frankreich-Rundfahrt, winkte fröhlich ins Publikum, als ihn Moderator Stefan Schwenke freundlich begrüßte. Der damalige Quick-Step-Kapitän Julian Alaphilippe, wenige Tage zuvor in den Alpen und in den Pyrenäen 15 Tage lang im so prestigeträchtigen Maillot Jaune, stand bereitwillig für Selfies zur Verfügung.

Der Australier Richie Porte, einst Edelhelfer von Chris Froome bei dessen Tour-de-France-Triumphen 2013 und 2015, gab bereitwillig Interviews. Der Norweger Alexander Kristoff, am Vortag nur knapp von Pascal Ackermann geschlagen, pumpte noch einen halben Liter Apfelschorle auf Ex ab. Und André Greipel, damals auch schon 37 und im Außenseiter-Team Arcea-Samsic an der Seite einiger relativ unbekannter Franzosen nicht mehr unbedingt die größte deutsche Hoffnung auf den letzten Metern, hielt an für ein Schwätzchen.

Nur Insider wussten, dass die Stars innerlich brodelten. Um ein Zeichen zu setzen, hatten Nils Politt, Lennard Kämna, Caleb Ewan, Damiano Caruso, Geraint Thomas und Co. die Einschreibung so lange hinausgezögert, dass Stefan Schwenke auf der Bühne gänzlich auf Interviews verzichten und die Fahrer eilig durchwinken musste. Die Startzeit um 11.50 Uhr direkt vor dem Kunstmuseum war Gesetz - schließlich übertrug das ZDF am Nachmittag mit Michael Pfeffer am Mikrofon zwischen 16 und 17 Uhr live aus Göttingen, wo die 132 Fahrer nach 202 Kilometern pünktlich zur Sendezeit erwartet wurden.

Verärgert

»Es ist schön, dass Marburg im Fernsehen bundesweit Erwähnung findet und das Interesse hier bei uns groß ist«, freute sich Volker Münn vom Sportamt der Stadt über die mediale Aufmerksamkeit, aber auch über die zahlreichen Radsportbegeisterten in der Biegenstraße, auf der die Absperrungen schon wenige Minuten nach dem Start wieder auf die vielen Lkw verladen wurden. Tour-Organisator Fabian Wegmann hatte die 22 Teams mit je sechs Profis kaum auf den Weg geschickt, Nachzügler Simon Geschke (damals noch Team CCC) kräftig in die Pedale getreten und die Begleitfahrzeuge sowie Teambusse sich ihren Weg gebahnt, da hatte die Innenstadt ihre Ursprünglichkeit zurück.

»Dass die Deutschland-Tour in unserer schönen Stadt Station gemacht hat, davon wird Marburg noch lange profitieren«, freute sich an jenem 30. August vor drei Jahren Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies, der das Peloton zusammen mit Jens-Uwe Münker, Abteilungsleiter Sport im Hessischen Innenministerium, auf die Reise geschickt hatte.

Als es in Richtung Edersee unterwegs war und die Sonne um 12 Uhr hoch oben am stahlblauen Himmel stand, war die Stimmung ganz und gar nicht mehr getrübt.

Am kommenden Freitag ist es wieder soweit: Erneut gastiert die Tour in Marburg. Diesmal als Zielort.

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