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Die Bosse leben es vor

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Frankfurt (pep). Es ist erst ein Jahr her. Fredi Bobic, der Mann, der überzeugt davon ist, dass er alles besser weiß als andere und nun in Berlin erkennen musste, dass es nicht so ist, hatte sich davongestohlen. Trotz Vertrages, mit wenig schönen Worten, ab zu Hertha BSC. Adi Hütter, der Trainer, der sich für Höheres berufen fühlte, war ihm gefolgt.

Ab zu Borussia Mönchengladbach, der Perspektiven wegen.

Die Eintracht war zurückgeblieben im späten Frühjahr 2021 mit knapp zehn Millionen Euro Ablöse für die beiden Abtrünnigen, aber auch mit einem ganzen Sack von Problemen. Das Vertrauen in handelnde Person war erschüttert, die schon damals erträumte Champions League war verspielt. Die »historische Chance« verpasst für eine Ewigkeit, da waren sich alle Kommentatoren einig.

Aus dem Traumjob Aufsichtsratsvorsitzender der »Eintracht Frankfurt Fußball AG« war für Philip Holzer ein Albtraum geworden. Der ehemalige »Goldman&Sachs«-Manager hatte Wolfgang Steubing an der Spitze des höchsten Gremiums abgelöst. Holzer blieb gelassen, führte viele Gespräche. Und ließ sich Zeit für die wichtigen Entscheidungen. Dafür musste er sich zwischenzeitlich viel Kritik gefallen lassen. Aber er blieb bei seiner Linie. Er wickelte den Abschied von Bobic gewinnbringend für die Eintracht ab, er entschied sich für Markus Krösche als Nachfolger für Bobic und landete damit einen Volltreffer. »Eine ideale Lösung für uns«, hatte Holzer vor einem Jahr gesagt. Er hat Recht behalten.

Es war der erste Baustein für den nun erfolgten sportlichen Erfolg. Klar, keiner konnte wissen, wie gut es funktionieren würde. Aber Holzer war überzeugt und er überzeugte seine Aufsichtsratskollegen. Er fügte Krösche dem Vorstand hinzu, dort ist die Eintracht mit Axel Hellmann und Oliver Frankenbach und nun eben Krösche und in den Reihen dahinter exzellent aufgestellt. Krösche und Bobic - die Unterschiede könnten nicht größer sein. Der ehemalige Chef war im Umgang mit den Mitarbeitern durchaus schwierig. Nur der Erfolg, den er hatte, wurde zu Recht respektiert. Mehr an Nähe war am Ende nicht mehr.

Krösche verkörpert das Gegenteil. Er spricht mit allen, er ist freundlich, höflich, aber genauso fachkompetent, klar, auch selbstbewusst. Der Eintracht hat er gerade in der mentalen Krise des letzten Sommers gutgetan. Krösche hat sich an die Arbeit gemacht, wohl wissend, dass er vor schwierigen Aufgaben stand. Zur Erinnerung: Neben Sportvorstand und Trainer waren auch der damalige Manager Bruno Hübner und der Torjäger André Silva gegangen. Amin Younes hatte sich im Team unmöglich gemacht und Filip Kostic wollte weg. Ein bisschen viel auf einmal. Krösche ist ruhig geblieben und hat, wie Holzer, die richtigen Entscheidungen getroffen.

Nicht immer waren es Volltreffer, der Versuch mit Sam Lammers als Silva-Nachfolger ging ziemlich daneben. Die wichtigste Personalie aber hat gesessen: Krösche hat Oliver Glasner geholt. Der Trainer passt zur Eintracht wie die Faust aufs Auge. Das Trainerkarussell hatte sich auf hohen Touren gedreht, Julian Nagelsmann war neu in München, Marco Rose neu in Dortmund, Jesse Marsch neu in Leipzig, Adi Hütter neu in Mönchengladbach, Marc van Bommel neu in Wolfsburg, Steffen Baumgart beim 1. FC Köln und Glasner neu in Frankfurt.

Nagelsmann ist Meister geworden, Baumgart hat Köln in die Conference-League geführt, Glasner hat den Europapokal geholt, alle anderen sind früh und früher vom Karussell geflogen. Die Eintracht kann sich glücklich schätzen, dass sie mit Glasner zum dritten Mal nach Niko Kovac und Adi Hütter den richtigen Mann zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort hatte.

»Ohne die Enttäuschung aus der letzten Saison wäre der Erfolg in dieser Saison nicht möglich gewesen«, hat Glasner nach dem Finale gesagt. Ein wahrer Satz. Die Eintracht hat es auch auf Führungsebene geschafft aus dem Frust heraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen, personelle und strategische. Als »Mastermind«, als Vordenker, gilt Axel Hellmann. Er ist der Mann an der Spitze, Sprecher des Vorstandes, aber eben kein Alleinunterhalter. Er gibt die Richtung vor. Er hat früh erkannt, dass die Einschränkungen durch die Pandemie neben wirtschaftlichen Konsequenzen auch neue Denkansätze erfordern.

»Mehr Wetterau als Asien«, hört sich nach einem lockeren Spruch an. Doch Hellmanns Worte drücken ziemlich klar aus, was gefordert war und ist. Die Nähe zu den Menschen musste wieder hergestellt werden nach der erzwungenen Entwöhnung. Das ist der Eintracht famos gelungen. Die Nahbarkeit zwischen Mannschaft und Fans ist vorbildlich. Der Schulterschluss von Stehtribüne und ViP-Plätzen ist nirgendwo so gut gelungen wie in Frankfurt.

Potenziert wurde das unerschütterliche Gemeinschaftsgefühl vom Erfolg. Aber es gibt auch andere Parameter. Die Stärkung des Frauenfußballs, gekrönt ebenfalls mit dem Einzug in die Champions-League. Aktionen in der Region, wie die gerade begonnene Spielserie der Traditionsmannschaft um den unermüdlichen Charly Körbel oder die Hilfen für die Menschen während der Pandemie oder Unterstützung für die Kriegsopfer in der Ukraine. Die Beispiele wären fortzusetzen. Das Führungstrio aus Holzer, Hellmann und Präsident Peter Fischer zeichnet sich auch darin aus, klare Positionen zu beziehen. Nicht nur in den Belangen des Sports. Sie mischen sich auch ein bei gesellschaftlichen Problemen. Fischer, Speerspitze für die Öffentlichkeitsarbeit, hat immer wieder klar Stellung bezogen gegen Antisemitismus, Homophobie und vor allem gegen Rechtsradikalismus, auch und gerade gegen die AfD.

Holzer ist der Mann, der Ideen entwickelt, wie die Eintracht unter Beibehaltung der »50 plus1«-Regel und damit ohne den Charakter des Vereins aufzugeben, im Konzert der Großen mitspielen kann. Hellmann denkt voraus in vielen Bereichen. Auch sie sind Sieger von Sevilla.

In unserer Serie beleuchtet Peppi Schmitt die Gründe, die zum Höhenflug der Adler geführt haben.

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