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Die goldenen 90er

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Seit 1946 existiert der TSV Rödgen auf der Gießener Fußball-Landkarte. Seine größten Erfolge haben die Blau-Weißen aber erst in den letzten Jahren des vergangenen Jahrtausends gefeiert.

Rödgen. Wüsste man es nicht besser, könnte so mancher Fußballkenner der heimischen Bolzplatz-Szene denken, der TSV Rödgen wisse nicht, was er eigentlich will. Mal A-Liga, dann Abstieg, dann wieder Aufstieg, wieder ein Abstieg, zwischendurch rauf bis in die Kreisoberliga, dann wieder durchgereicht bis in die B-Klasse: Ja, der Club aus dem Gießener Osten blickt auf eine ebenso bunte wie abwechslungsreiche Historie zurück. Eine Historie, zu der sogar die Kastelruther Spatzen ihren Teil beigetragen haben.

»Der Verein hat schon immer versucht, mit vielen Rödgenern an den Start zu gehen«, erinnert sich Hans-Peter Wingefeld, seit den späten 70er Jahren bis Anfang der 2000er in verschiedenen Funktionen beim TSV Rödgen tätig und heutiger stellvertretender Kreisfußballwart. Und wenn man sich vor Augen hält, dass Rödgen in Sachen Größe und Einwohnerentwicklung alles andere als der Nabel der Gießener Fußball-Welt ist, so kann sich das vom Verein Geleistete durchaus sehen lassen: Der Club, im Frühjahr 1946 gegründet, durfte im Weltmeister-Jahr 1954 seine ersten größeren Erfolge feiern - und im Feiern war der kleine Verein ganz groß: Erstmals gelang der Aufstieg in die A-Klasse, auch gelang dank eines 6:2-Sieges über den TSV Klein-Linden die Kreismeisterschaft. Insgesamt vier Jahre hielten sich die Blau-Weißen in der A-Liga, ehe wieder der Gang nach unten getätigt werden musste. Erst zwölf Jahre später sollte der zweite Aufstieg der Vereinsgeschichte gelingen.

Viel wichtiger (und ereignisreicher) im Sommer ’71: Zur Einweihung des damals neuen Sportplatzes sowie im Rahmen der Feierlichkeiten zum 25. Geburtstag gab der SV Alsenborn - eine Mannschaft aus der Nähe Kaiserslauterns und damals wiederholt drauf und dran, in die Bundesliga aufzusteigen - seine Visitenkarte in Rödgen ab. Vor der stattlichen Kulisse von 2500 Zuschauern ging der TSV Rödgen zwar mit 1:12 unter, doch war das Ergebnis an diesem Tag nur zweitrangig. »Noch größer«, so Wingefeld weiter«, waren eigentlich nur die Feierlichkeiten zum 50. Jubiläum.«

Da hatte man sich nicht lumpen lassen: Ein großes Festzelt, viele helfende Hände, 3000 Besucher, sogar die Kastelruther Spatzen wurden ins Mittelhessische gelotst. Das Spatzen-Lied »50 Jahre jung geblieben« erschient zwar erst im Jahr 2010, hätte im blau-weißen Musikantenstadl aber ebenso funktioniert. »Das war phänomenal, eine richtig tolle Veranstaltung«, schwärmt Wingelfeld von der damaligen Zeit - 1996 war das. »So etwas hatte Rödgen noch nie vorher gesehen und wird es auch nie wieder sehen. Das war eine ganz andere Zeit, kein Vergleich zu heute. 150 Freiwillige waren bei dem Fest am Aufbau, Thekendienst und so weiter beteiligt«, fährt der 63-Jährige fort. Außerdem war es ein Jahr, »in dem einfach alles gepasst hat.« Nicht nur abseits des Platzes wurde die Sau rausgelassen, denn im gleichen Sommer stieg die erste Mannschaft nach weiteren Fahrstuhljahren zwischen A- und B-Klasse erstmals in die Bezirksliga auf. Bis heute der größte Vereinserfolg, der 1999 sowie 2011 (da schon als Kreisoberliga laufend) wiederholt wurde.

Erst 2014 ging es aus Deutschlands achthöchster Liga wieder abwärts - dann aber ohne Bremse bis in die B-Liga und schließlich zuletzt wieder für vier Jahre in die A-Klasse. Im vergangenen Sommer stand dann der abermaliga Abstieg in der Abstiegsrunde auf dem Papier. Auch das Mannschaftsbild hatte sich längst verändert. Aufgrund eines Mangels an Einheimischen, musste man sich immer häufiger bei Gießener Vereinen bedienen, »weil immer weniger Jugend nachrückte, wir die Nachwuchsarbeit aber auch etwas stiefmütterlich behandelt haben«, gibt Gilbert Slotosch, heute der erste Mann beim TSV, zu. Man ist aber auf dem Weg der Besserung, mit der SG Trohe/Alten-Buseck sowie dem FC Großen-Buseck hat sich eine JSG etabliert. So soll die hohe Fluktuation im Kader, wie etwa nach dem jüngsten Abstieg, als beinahe die komplette Mannschaft ausgetauscht wurde (»Weil es im Team nicht stimmte«), eingedämmt werden. Dafür braucht es aber Zeit. Das wissen sie auch im Gießener Osten.

Dennoch: Dass der TSV Rödgen stolz auf seine vielseitige Vereinsgeschichte ist - insbesondere aber auf das Geleistete in den 90er-Jahren - wird durch eine ganz besondere Partie in naher Zukunft weiter unterstreicht. »Wir planen für den 3. Juni ein Legendenspiel: 96er gegen 99er«, freut sich Wingefeld schon jetzt auf diesen Kick, für den knapp 100 Fußballer und Funktionäre eingeladen wurden. Markus Ruhwedel, Jens Knechtel, Björn Bellof - und wie sie alle heißen. »Mit anschließendem Beisammensein versteht sich.« Na klar. Was wäre ein Klassentreffen ohne die ollen Kamellen, die auch noch ausgegraben werden wollen? So viel damals, als Alsenborn in Rödgen auftauchte. Oder eben die Kastelruther Spatzen.

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