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»Die Runde war äußerst deprimierend«

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Von: Alexander Fischer

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Derzeit auf Vereinssuche: Philipp Schumann. Foto: Imago © Imago

München/Gießen. Wenn Philipp Schumann über die vergangene Saison redet, dann stocken seine Worte. Er überlegt lange, er will keinem weh tun, nicht nachkarten, niemanden beleidigen. Dennoch klingen seine sorgsam ausgewählten Sätze traurig, bitter, fast verbittert. »Ja«, sagt der Volleyball-Profi aus Biebertal-Königsberg, die Runde sei »äußerst deprimierend« und »suboptimal« gewesen.

Wenn er aufrichtig zu sich sei, dann habe er eigentlich »ein Jahr verloren«.

Die Zusammenstellung der Mannschaft habe »nicht optimal gepasst«. Und finanzielle Mittel seien offenbar »auch nicht genügend vorhanden gewesen«, anders hätten es er und seine Teamkollegen nicht deuten können, dass die einzigen beiden ausländischen Stars schon mitten in der Runde abgegeben worden seien. Der eine, ein Finne, vor einem äußerst wichtigen Match, der andere, ein Schweizer, vor Beginn der Playoffs. »Solche Zeichen sendet nur ein Team, das sparen muss. Auch unser Trainer wusste damals nicht so richtig, wie ihm geschah.« Kein Wunder also, dass der (noch) 29-Jährige längst seine Wohnung geräumt und zu seiner Freundin Manon, einer Lehrerin, ins mittelhessische Heuchelheim gezogen ist. Also dorthin, wo es Philipp Schumann auch noch hin verschlagen soll, ja wird. »Ein Jahr möchte ich noch in der Bundesliga spielen«, verrät der Diagonalangreifer, der einst mit seinem Heimatclub TV Waldgirmes in der 2. Bundesliga aktiv war. »Dann wird es Zeit, ein Referendariat zu beginnen und mich beruflich anders zu orientieren.«

Mit dem TSV Haching München, der nach den SWD Powervolleys Düren und den WWK Volleys Herrsching dritten Oberhaus-Station für den Zwei-Meter-Hünen, war in der Bundesliga kein Staat zu machen. Nur drei Siege standen am Ende für die selbsternannten »Local Heroes« auf dem Tableau, zwei davon gegen das in Deutschlands höchster Spielklasse sowieso hoffnungslos unterlegene Berliner Volleyball-Internat, der eigentlichen Kaderschmiede der Nationalmannschaft. Sie tritt rein zum Lernen an und kann nicht absteigen.

Den einzigen »echten« Erfolg feierte Haching am letzten Hauptrundenspieltag beim denkbar knappen 3:2 gegen Tabellenvordermann Energiequelle Netzhoppers Königs Wusterhausen-Bestensee, einem Club südlich von Berlin im Landkreis Dahme-Spreewald. Ansonsten: Nur Niederlagen, neun davon per Höchststrafe (0:3), was die nur 14 gewonnen Sätze in 16 Partien erklärt.

»Unsere junge Truppe war eigentlich weitgehend chancenlos«, resümiert Haching-Kapitän Philipp Schumann, der auch mit seiner eigenen Leistung hadert: »Unser Trainer Bogdan Tanase hatte nie eine richtig feste Aufstellung, außerdem hat es mit den Zuspielern nicht gut funktioniert. Deshalb war es auch für mich schwer, mich zurecht zu finden«, möchte der 29-Jährige so nicht von der großen Volleyball-Bühne abtreten. Dass der Club am Ende sogar als Achter in die Playoffs kam, dort aber mit 0:2 gegen Meister Berlin Recycling Volleys ausschied, hatte für »Pippo« Schumann sogar noch ein Gutes. »Da haben uns rund 1000 Zuschauer unterstützt, die Stimmung war grandios. Sonst hatten wir rund 500 Besucher in unserer Bayernwerk-Sportarena.«

Auch in der sogenannten Zwischenrunde der Teams auf den Plätzen fünf bis acht setzte es für den TSV Haching München in den Monaten Februar und März bis auf ein 3:0 gegen das Berliner Internat ausschließlich Niederlagen. Der Schweizer Nationalspieler Quentin Zeller, der im Sommer von Volley Amriswil kam, sowie der Finne Jere Heiskanen, der von den Karelian Hurmos verpflichtet wurde, gehörten da schon längst nicht mehr zur jungen TSV-Truppe.

Nun heißt es für Philipp Schumann erst einmal: Abstand nehmen, sich neu orientieren und Kraft tanken in Mittelhessen. Bei der Freundin, aber auch bei Vater Karl (65), Lehrer an der Pohlheimer Limesschule, und Mutter Helga (61), die als Physiotherapeutin in Rodheim-Bieber selbstständig ist. Die Familie lebt in Königsberg, der höchst gelegenen Ortschaft des Landkreises Gießen.

In der eigentlich 1500 Besucher fassenden Bayernwerk-Sportarena von Unterhaching war Philipp Schumann der Senior im Team. Was nicht verwundert, denn erst im Alter von 15 kam er zum Volleyball. Besser gesagt über Georg Quillmann, einem Freund seines Papas, zum TV Waldgirmes. Mit den Lahnauern spielte der Diagonalangreifer in der 2. Bundesliga, wechselte dann zur TG Rüsselsheim, dem Farmteam der inzwischen längst von der Bildfläche verschwundenen United Volleys, trainierte oft mit der ersten Frankfurter Mannschaft, schaffte am Main jedoch nicht den Durchbruch. 2019 folgte dann der Wechsel zu den SWD Powervolleys Düren.

Wohin es »Pippo« Schumann nun verschlägt, ist noch nicht in trockenen Tüchern. Vieles spricht aber dafür, dass sein künftiger Arbeitgeber die Helios Grizzlys Giesen sein werden. Die Truppe aus der kleinen Gemeinde zwischen Hildesheim und Hannover scheiterte an Ostersamstag im Playoff-Viertelfinale denkbar knapp mit 1:2 am VfB Friedrichshafen, wobei das letzte Match am Bodensee erst im Tiebreak mit 15:10 an die Gastgeber ging.

»In jedem Fall möchte ich ein wenig näher an meiner Heimat spielen«, hält sich Schumann noch ein wenig bedeckt. Seine Karriere soll einen guten, einen besseren Abschluss finden als den in Unterhaching. Ehe er sich wieder seinen alten Kumpels vom TV Waldgirmes anschließen dürfte.

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