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Drei Gründe...

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Auch der Kapitän rechnet: Torwart Till Klimpke kämpft mit der HSG Wetzlar um den Klassenerhalt. Foto: Ben © Ben

Wetzlar. Der Deutschen Presse-Agentur, kurz dpa, war es am Sonntagabend in ihrer Wochenend-Zusammenfassung der Handball-Bundesliga keine Silbe wert. Dabei hatte die HSG Wetzlar doch erstmals nach neun Niederlagen wieder Punkte geholt. Enorm wichtige im Kampf um den Klassenerhalt.

Das 30:28 beim TVB Stuttgart bedeutet, dass die Mannschaft von Trainer Hrvoje Horvat vor dem für viele als »das Spiel der Spiele« bezeichneten Duell am kommenden Samstag (18.30 Uhr) zu Hause gegen den am Wochenende »nur« einfach punktenden Tabellenhintermann GWD Minden (27:27 gegen Göppingen) vier Zähler Vorsprung auf jene Ostwestfalen und den ersten Abstiegsrang hat.

Gold war auch am Sonntag in der Porsche-Arena, speziell in den zittrigen letzten drei Minuten, nicht alles, was bei der HSG glänzte. Aber der Silberstreif am Horizont ist endlich zu erkennen. Und das soll nach all der Kritik der vergangenen Wochen und Monate hier auch mal niedergeschrieben werden. Drei Redakteure nennen jeweils ihre drei Gründe, warum die Wetzlarer die Jubiläumssaison im Oberhaus am Ende überstehen und auch im 26. Jahr in Serie ab Ende August zur Beletage des deutschen Handballs zählen.

Karsten Zipps Gründe

1.) Vier Punkte Vorsprung hat die HSG Wetzlar auf den Abstiegsplatz, den Minden einnimmt. Beruhigend? Ja, nein, vielleicht. Schlagen die Grün-Weißen am Samstag den direkten Konkurrenten, müsste es schon mit allen Handball-Teufeln zugehen, um nicht im sonnigen Oberhaus zu bleiben. Zudem sind die noch anstehenden Heimspiele gegen Lemgo, Hamm und den Lieblingsfeind aus Melsungen ja auch nicht unlösbar. Aber! Aber! So flüstern die Teufelchen: Unterliegt die HSG gegen Minden, dann wird der Rechenschieber zum Saiteninstrument, auf dem die Wetzlarer Nervenstränge bis zum Zerreißen hart aufgespannt werden. Das braucht keiner. Wirklich keiner in Mittelhessen. Bislang sprechen die Zahlen klar für die Domstädter.

2.) Trainer Hrvoje Horvat setzt derzeit auf die alte Stammformation. Gut so! Experimente aus der Schublade »Jugend forscht« sind schön, gut und hilfreich - nur nicht im Existenzkampf. Da ist Stabilität gefragt. Und Erfahrung. Über die verfügen Lenny Rubin, Stefan Cavor und Emil Mellegard reichhaltig. Doch gegen den Bergischen HC und in Stuttgart trumpften drei andere Jungs auf. Spielmacher Magnus Fredriksen hat sich eindrucksvoll aus seinem Formtief gekämpft und leitete den Streich in Schwaben gekonnt ein. Kreisläufer Erik Schmidt ist endlich, endlich, endlich bei der HSG angekommen. Immer anspielbereit und treffsicher. Vor allem Domen Novak lässt aufhorchen. Der sonst immer etwas phlegmatisch erscheinende Slowene kämpft plötzlich wie Asterix in seinen besten Zeiten, reißt die Nebenmänner mit und ist sogar aus dem Rückraum gefährlich. Ganz, ganz großes Kino! Gemeinsam mit Obelix Schmidt am Kreis und Majestix Fredriksen an der Regie. Drei Trümpfe!

3.) Nach acht Jahren trennt sich Minden im Sommer von Frank Carstens. Der Mann, der wie kein Zweiter Abstiegskampf beherrscht, muss seinen Platz für »Adli« Eyjólfsson räumen. Kann man als Verein mal machen. Kann man aber vielleicht auch geschickter bekanntgeben. Denn mitten im Abstiegskampf hat diese Entscheidung gegen den Langzeittrainer alles ausgelöst, nur keine Trotzreaktion. Klar: Das Team kämpft. Aber kämpft eben auch mit den eigenen Nerven wie gegen Göppingen, als eine Drei-Tore-Führung in den letzten Minuten noch so vergeigt wurde wie ein Streichquartett von Mozart, das die drei Jungs aus der Dorfkneipe auf ihren Maultrommeln nachspielen wollen. Nein, die Bekanntgabe des Trainerwechsels erfolgte in Minden zum völlig falschen Zeitpunkt. Auch das ist ein Vorteil für die HSG.

Tim Straßheims Gründe

1.) Wozu alles auf links drehen, wenn es doch einen Linkshänder gibt? Die HSG Wetzlar hat im rechten Rückraum endlich wieder jemanden, der diese Position mit Leben füllen kann. Stefan Cavor kommt nach seiner schweren Knieverletzung immer mehr in Fahrt. Über die Klasse des 28-Jährigen brauchen wir sowieso keine Worte verlieren. Ist der Mann aus Montenegro fit, gehört er auf seiner Position zu den besten Spielern in der Bundesliga. Da auch Spielmacher Magnus Fredriksen nach Verletzung aufblüht, reicht das, um die Konkurrenz, die freilich nicht über diese individuelle Klasse verfügt, hinter sich zu lassen.

2.) Das Gute liegt eben doch so nah. Till Klimpke, das Eigengewächs aus Dutenhofen, wird spät, aber nicht zu spät, wieder in Form kommen. Die neue Rolle als Kapitän verleiht dem Torhüter zusätzlich Flügel. Klimpke wird dieses Amt mit Stolz ausfüllen. Ein gelungener Schachzug von Trainer Hrvoje Horvat. Erinnerungen an fast schon vergessene Zeiten, als der 24-Jährige zum Stamm der Nationalmannschaft gehörte, kommen wieder hoch. Und: Ausgerechnet beim wichtigen Duell gegen Minden am Samstag feiert der Keeper seinen Geburtstag. Auch das wird ihm noch mal einen Schub geben. Er ist viel zu ehrgeizig, um sich an einem solchen Tag ein schlechtes Spiel erlauben zu wollen. Wir können uns sicher sein: Die Identifikationsfigur schlechthin wird sich mit aller Macht gegen den Abstieg stemmen und auch mal - wenn nötig - deutliche Worte verlieren, wenn er das Gefühl hat, dass etwas in die falsche Richtung läuft.

3.) Wo wir schon beim Stichpunkt Identifikation wären: Auch wenn Talente oder Spieler aus unserer Region immer noch gnadenlos ignoriert werden, hat mittlerweile zumindest auch die Geschäftsführung verstanden, wie wichtig es ist, dass sich Mittelhessen mit der HSG Wetzlar identifizieren kann. Ja, sogar muss! Beispiele? Gerne: Hier ein Fanfest im Foyer mit den Spielern und den Verantwortlichen, da eine unglaubliche Unterstützung aus der Jugendabteilung der Stammvereine aus Dutenhofen und Münchholzhausen (und auch ein bisschen Hüttenberg) bei den Partien vor Ort. Das sorgt für ein Wir-Gefühl. Der Zusammenhalt ist plötzlich wieder spürbar. Die Profis lassen sich, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, plötzlich in Schulen oder in den Hallen blicken. Leiten auch mal eine Trainingseinheit für den Nachwuchs. Gut so! Endlich mal raus aus der Komfortzone! Jeder in der Region weiß ohnehin: Die HSG Wetzlar darf nicht absteigen. Das wäre für den Handball in Mittelhessen eine Katastrophe.

Volkmar Schäfers Gründe

1.) Der Sieg am Sonntag in Stuttgart kommt nicht von ungefähr. Man könnte jetzt ganz einfach sagen: Ja, die Schwaben sind der Lieblingsgegner der HSG. Das ist beim Blick auf die Ergebnisse der Vergangenheit richtig. Aber von Tag zu Tag, von Woche zu Woche, trägt die enorm akribische Arbeit von Hrvoje Horvat Früchte. Der Kroate fehlte zwar wegen der Weltmeisterschaft lange in der Winter-Vorbereitung, doch pochte - wie übrigens die Führungsspieler auch - immer wieder darauf, dass die Zeit in der wegen Länderspielen auseinandergerissenen Rückrunde für ihn und Wetzlar spricht. Den Verantwortlichen der Grün-Weißen ist zu raten, nach dem Happy End im Juni den Vertrag mit dem 45-Jährigen zu verlängern. Damit auch die letzten Zweifler kapieren, dass das ewige Nachgeweine in Sachen Kai Wandschneider keinen Sinn macht.

2.) Es hört sich einfach an, aber die HSG Wetzlar hat in der laufenden Saison das große Glück, dass es nur zwei Absteiger aus der Bundesliga geben wird. Und dass es mit dem ASV Hamm und GWD Minden eben zwei Teams gibt, die noch inkonstanter punkten. Von daher reicht ja Platz 16. Das ist den Jungs um Kapitän Till Klimpke nicht nur zuzutrauen. Sie werden es, natürlich auch mit der Unterstützung der nimmermüden und weiter geduldigen Anhängerschaft, schaffen.

3.) Wenn die HSG Wetzlar in den vergangenen 25 Erstliga-Jahren eines bewiesen hat, dann, dass sie stets liefert, wenn sie es muss. Auch in Wandschneiders ersten Monaten an der Lahn bedeutete der 32:29-Heimerfolg gegen den Favoriten aus Sachsen-Anhalt die Rettung. Dazu gibt es unzählige Beispiele (inklusive des 30:28 am Sonntag in Stuttgart), in der die HSG-Profis (egal, wer) genau in jenen Momenten siegten, als es ihnen nach Niederlagenserien kaum einer zugetraut hatte.

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