Ein Viertel zum Vergessen

Vechta-Gießen. Nach fünf Spielminuten kaut Frenki Ignjatovic missmutig auf seiner Unterlippe herum. Der Trainer der Gießen 46ers muss mit ansehen, wie seine Mannen ein rabenschwarzes erstes Viertel im dritten Playoff-Halbfinale bei Rasta Vechta abliefern. Ein Viertel zum Vergessen. Ein Viertel zum Versenken im großen Moor von Niedersachsen. Mit der 27:
10-Führung legt dabei der Favorit den Grundstein zum späteren 88:66-Erfolg und geht in der Serie 2:1 in Führung. Gießen muss nun das Heimspiel am Freitag (19.30 Uhr) in der Osthalle gewinnen, um seine Chance auf eine fünfte Partie und den Aufstieg in die Bundesliga zu wahren.
Rasta Vechta - Gießen 46ers 88:66
Doch zurück zum Start mit Schrecken. Zunächst beginnt das Spiel mit Verzögerung, da der Korb auf der Gießener Spielseite zu eng ist und die Bälle nicht durchrutschen. Das nehmen alle Beteiligten mit viel Humor. Dass danach wiederum der Korb auf der Rasta-Seite schier unerreichbar erscheint, ja fast schon weggehext aus allen 46ers-Angriffsbemühungen, nehmen die Gäste keineswegs so locker. Nichts, aber auch gar nichts will gehen.
Unsäglich lange acht Spielminuten benötigen die Mittelhessen, um beim 8:18 durch Nico Brauners Korbleger ihre ersten Punkte aus dem Feld und nicht von der Freiwurflinie zu markieren. Die sonst so starken Jordan Barnes, Justin Martin und auch Brauner finden bei ihren Dreier-Versuchen nicht ein einziges Mal das Ziel. Kein Wunder, dass der Trainer unwirsch auf der Unterlippe kaut.
Im zweiten Viertel wird die Partie offener, weil Vechta nun ebenfalls schlechter wird. Ein Viertel so zäh wie vermutlich Roland Nyamas Zahnschutz, den dieser permanent und vehement kaputt kaut. Das Geschehen ist nun ungefähr so niveauvoll wie ein koreanisches Rosamunde-Pilcher-Remake als 3D-Kino. Selbst die Zuschauer quittieren das teils wilde Gerenne und Gestochere teils mit lang anhaltendem Schweigen. Immerhin: Nach gut 25 Spielminuten trifft Luis Figge den ersten Dreier für die Gäste zum 21:33. Es kommt Hoffnung auf. Es kehrt der Glaube zurück. Aber nur für Sekunden.
Dann leistet sich der sonstige Mister Zuverlässig, Jordan Barnes, seinen nächsten Fehler. Vechta sagt Danke. Vechta glänzt nicht. Aber Vechta führt zur Halbzeitpause souverän mit 42:23. Aber weiß! Wer weiß, was passiert, wenn hier Barnes, Brauner und Martin aufdrehen! Tun sie aber nicht. Wenn das zweite Viertel noch so etwas wie ein ganz kleiner Mutmacher für die Gäste wegen Vechtas Schwäche war, dann wird dieser Hoffnungsschimmer den 46ers schnell geraubt. Oder besser gesagt: Die 46ers berauben sich ganz schnell selbst aller Möglichkeiten. Die Dreier wollen und wollen nicht fallen. Zwischenzeitlich steht die finstere Quote bei 1:15. Es geht nichts, es geht gar nichts, es geht einfach nur abwärts für den Außenseiter. Ballverluste hinten, Ballverluste vorne.
Die Rastafari machen nun die einfachen Sachen. Der lange Robin Lodder wird unter dem Korb gesucht, Lodder ist der Alleinherrscher gegen zu klein geratene Gießener, Lodder trifft. 54:29 heißt es nach 25 Minuten, 66:34 nach 28 Minuten und Julius Wolfs Dreier. Mit einem bitteren 43:71-Rückstand geht Gießen in den Schlussabschnitt. Der Trainer hat inzwischen das Bearbeiten seiner Unterlippe eingestellt. Hier ist alles gelaufen. Der frustrierte Ignjatovic tut das Einzige, was er noch tun kann: Er schont die völlig ermatteten Barnes und Brauner für das Freitagsspiel.
Am Ende ist das 66:88 fast ein wenig schmeichelhaft für eine 46ers-Mannschaft, die zu keiner Zeit an die starke Vorstellung in der Osthalle anknüpfen kann. Am Ende lebt nur noch die Hoffnung. Die Hoffnung, dass es am Freitag in der Osthalle nur besser werden kann.
Tigers Tübingen -
Karlsruhe Lions 86:80 (3:0)
Rasta Vechta -
Gießen 46ers 88:66 (2:1)
Die nächsten Spiele: Gießen 46ers - Rasta Vechta (Freitag, 19.30 Uhr).