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Ekstase im Handkäsepalast

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Timm Schneider, späterer Matchwinner des TV Hüttenberg - beobachtet von Teamkollege Moritz Zörb - im Anflug auf das Dessauer Tor. Foto: Röczey © Röczey

Hüttenberg . Als Timm Schneider am Samstagabend zwölf Sekunden vor dem Ende beim Stand von 33:32 am Kreis abhob, um den Ball in Richtung des gegnerischen Tores zu feuern, war es einen klitzekleinen Augenblick lang ganz ruhig im Hüttenberger Sportzentrum. Einen Wimpernschlag später indes, nachdem das Harzleder im Netz eingeschlagen hatte, explodierte die Heimstätte von Handball-Zweitligist TV Hüttenberg förmlich.

Denn nun war klar, dass die Blau-Weiß-Roten den Dessau-Roßlauer HV dank einer fulminanten Energieleistung in der zweiten Halbzeit endgültig mit 34:32 (16:17) niedergerungen hatten.

TV Hüttenberg - Dessau-Roßlauer HV 34:32

Entsprechend groß war die Freude nach dem Schlusspfiff auf Seiten der Gastgeber. Die Hüttenberger fielen einander direkt nach dem Schlusspfiff um die Hälse, herzten sich und bildeten gemeinsam mit dem Trainerduo Johannes Wohlrab und Stefan Kneer einen geschlossenen Jubelkreis, in dem ausgelassen gesungen und getanzt wurde. Eine Geste, die symbolhaft für das Auftreten an diesem Abend stand. Denn obgleich Akteure wie Hendrik Schreiber oder Timm Schneider durch einen hervorragenden Auftritt herausgeragt hatten, war es am Ende doch der Sieg eines in sich geschlossenen Kollektivs, das zu Beginn der Partie noch nicht den Eindruck erweckt hatte, das Parkett am Ende des Tages als Gewinner verlassen zu können.

»Jeder hat heute gesehen, wie wichtig die Hüttenberger Attribute für unser Spiel sind. Wir wollten um jeden Ball kämpfen und hatten uns einfach nur vorgenommen, die Zuschauer hier in unserem Handkäsepalast, wie wir das Sportzentrum nennen, zu fesseln. Das ist uns gelungen«, freute sich Wohlrab hinterher. Sein Gegenüber Uwe Jungandreas, der auf der Pressekonferenz in den Hüttenberger Bürgerstuben zwei Plätze rechts von Wohlrab Platz genommen hatte, attestierte dem TVH einen »letztlich verdienten Sieg. Auch wenn wir die Anfangsphase noch dominiert hatten, was es für mich natürlich umso ärgerlicher macht, mit leeren Händen nach Hause zu fahren.« Für den Gast war es nicht nur die sechste Saisonniederlage, sondern zugleich ein herber Rückschlag im Aufstiegsrennen, in dem der Tabellenvierte jedoch weiterhin zugange ist.

Warum der DRHV nach Platz zwölf im Vorjahr in dieser Spielzeit für viele überraschend so weit vorne mitmischt, wurde am Samstagabend in der Anfangsphase deutlich. Das Team aus Sachsen-Anhalt spielte seine Angriffe abgezockt und geduldig auf den Punkt aus, leistete sich kaum einen Fehlwurf und hatte mit dem wendigen und kreativen Vincent Sohmann den auffälligsten Akteur des Spiels auf seiner Seite. Der Dessauer Mittelmann war es auch, der mit einem seiner insgesamt elf Tagestreffer nach zehn Minuten auf 6:3 stellte.

Die Hüttenberger wirkten in diesen Minuten ob ihrer vorangegangenen 20:35-Pleite in Balingen etwas angeknockt, stabilisierten sich jedoch in der verbleibenden Spielzeit bis zur Pause.

David Kuntscher, wie bereits in den Wochen zuvor ein belebendes Element von der Bank, verkürzte nach 22 Minuten erstmals auf zwei Treffer (10:12), Schreiber, nach zuletzt durchwachsenen Auftritten so stark wie in der Vorsaison, sorgte mit dem Pausenpfiff für das 16:17. »Die Zuschauer waren voll dabei und haben uns wirklich getragen. Die Atmosphäre war überragend«, so Kuntscher im Nachhinein über die Saisonrekordkulisse von 1119 Schaulustigen. Der TVH-Anhang erwies sich auch dann als unterstützender Faktor, als das Holz bei Versuchen von Niklas Theiß (38.), Schneider und Tristan Kirschner (beide 47.) etwas dagegen hatte, dass die Gastgeber in einer mittlerweile ausgeglichenen Partie den ersten Führungstreffer erzielten.

Die Halle war insbesondere jedoch dann voll da, als Hüttenbergs Schlussmann Leonard Grazioli mit einer starken Doppelparade den Weg dafür ebnete, dass Philipp Schwarz die Hüttenberger dreieinhalb Minuten vor dem Ende schließlich doch mit 31:30 erstmals in Front brachte. »In dem Moment, als Leo diese beiden Bälle hintereinander hält, war mir irgendwie klar, dass wir dieses Ding gewinnen werden«, so Wohlrab später.

Etwa drei Minuten musste sich der 36-Jährige anschließend noch gedulden, bis aus dem »irgendwie« eine fixe Tatsache geworden war. »Es ist nicht einfach, den Schalter umzulegen, wenn Du noch drei Tage vorher beim Spitzenreiter mit 15 Toren Differenz verlierst. Besonders freut es mich für Timm, der nach seiner Rückkehr im Sommer heute sein bestes Spiel für uns gemacht hat. Und das, obwohl er noch angeschlagen ist«, so Wohlrab über den Auftritt seines Kapitäns, der es knapp 20 Minuten zuvor geschafft hatte, den Handkäsepalast für einen kurzen Augenblick lang verstummen zu lassen.

TV Hüttenberg: Grazioli, Plaue - Stankewitz (1), Schwarz (3), Kirschner (5), Theiß (2), Fujita, Weber (4/3), Zörb (2), Reichl (2), Schneider (5), Klein, Kompenhans, Schreiber (6), Kuntscher (4).

Dessau-Roßlau: Ambrosius, Patzwald - Löser (5), Hrstka (3), Haake, Gempp (2), Sohmann (11/4), Baumgart (1), Misovych (3), Schmidt, Haeske (1), Gliese (1), Danneberg (1), Bones, Pust (2), Leu (2).

Schiedsrichter: Hillebrand/Umbescheidt (Bönen/Bergkamen) - Zuschauer: 1119 - Zeitstrafen: Hüttenberg fünf (Schneider zwei, Zörb, Weber zwei), Dessau-Roßlau fünf (Gempp, Sohmann, Haeske, Leu zwei) - verworfene Siebenmeter: Hrstka (Dessau-Roßlau) scheitert an Plaue (26.).

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