Expansion auf allen Ebenen
Frankfurt . Als in der Bundesliga-Rückrunde so viel schief gegangen war, haben sich die Bosse bei der Eintracht von Europacuprunde zu Europacuprunde Gedanken gemacht, was denn passieren könnte in der neuen Saison ohne internationale Spiele. Das Szenario des enger zu schnallenden Gürtels wurde immer und immer wieder durchgespielt. Es ist anders gekommen:
Der internationale Triumph hat die nationalen Schwächen mehr als wettgemacht. Sportlich und wirtschaftlich. Statt Europa-League (EL), wie noch im Winter angestrebt, im Frühling aber grandios verspielt, treten die Frankfurter nun in der Champions-League (CL) an. Und dies, so ganz nebenbei, auch noch mit der Frauen-Mannschaft und der U 19. Das bietet komplett neue Perspektiven.
»Kein Harakiri« sagen sie fast schon beschwörend und vor allem übereinstimmend in der Führungsetage. Soll heißen: Bloß nicht das hinzugewonnene Geld für teure Spieler rausschmeißen. Lieber den eingeschlagenen Weg fortsetzen. »Schritt für Schritt wachsen« hat Aufsichtsratsboss Philip Holzer vorgegeben. Nichts anderes hat auch Sportvorstand Markus Krösche im Sinn. Doch Krösche weiß auch, dass die höheren sportlichen Anforderungen auch eine bessere Mannschaft benötigen, um keine unangenehmen Überraschungen zu erleben. Also wird die Eintracht einen Teil des Geldes investieren.
Als »Königstransfer« gilt Randal Kolo Muani. Den bulligen Franzosen, 23 Jahre alt, 1,87 Meter groß, haben sich die Frankfurter schon lange vorher gesichert, bevor feststand, dass es in die CL gehen würde. Muani ist ein echter Mittelstürmer (36 Spiele für den FC Nantes, 12 Tore, fünf Vorlagen), vergleichbar mit Sebastien Haller, kräftiger und wuchtiger als André Silva. In jedem Fall ein Mehrwert für das gesamte Spiel, sollte er denn in einer neuen Liga so funktionieren, wie es alle erhoffen. Dass Muani ablösefrei kommt, macht ihn zum absoluten »Schnäppchen«.
Unabhängig von weiteren Verstärkungen und Ergänzungen hat Krösche die sportlichen Ziele hoch gesteckt. »In der Bundesliga wollen wir besser abschneiden als letzte Saison, im Pokal wollen wir ein paar Spiele mehr machen und in der Champions-League wollen wir die Gruppenphase überstehen«, sagte er. Das ist ambitioniert. Aber der Sportchef hält nichts davon, Understatement zu betreiben und damit den Spielern schon früh Alibis zu geben. Er weiß aber, dass er für die angestrebten Erfolge Grundlagen legen muss. Selbst die Spieler, die dann um Plätze fürchten müssen, sehen das so. »Damit die Bundesliga nicht so drunter leidet, brauchen wir auf jeden Fall noch mehr Qualität - in der Breite und in der Spitze«, sagt Kapitän Sebastian Rode, »der Grundstein wurde bereits gelegt, es werden uns einige neue Spieler verstärken. Und jetzt, mit ein paar Millionen mehr sollte da auch noch was zu finden sein auf dem Transfermarkt, gerade für die Offensive.«
Es warten riesengroße Herausforderungen auf die Eintracht nach dem Europapokalsieg. »Die Erwartungshaltung ist gestiegen«, sagt Krösche, »und die Wahrnehmung auch.« Die Eintracht ist eben nicht mehr nur die Eintracht, sie ist auch Europapokalsieger. Die Gegner werden ihr auf dem Platz anders begegnen, die Berater der Spieler wittern am Verhandlungstisch ihre Chance. Was sich zum einen durchaus positiv auswirken könnte, denn nun werden Spieler zum Thema, die vor ein paar Wochen nicht im Traum daran gedacht hätten, nach Frankfurt zu wechseln. Aber es gibt auch den negativen Effekt, dass alle glauben, im Frankfurt fließen nun Milch und Honig. »Wir werden sehr achtsam sein«, sagt Finanzvorstand Oliver Frankenbach und setzt damit schon mal ein kleines Stoppzeichen.
Nicht nur die Mannschaft muss weiterentwickelt werden. Der gesamte Klub wächst und wächst. Die Arena wird passenderweise ausgerechnet während der ersten CL-Saison ausgebaut, das Fassungsvermögen von 51500 auf knapp 60000 erhöht. Im Spätherbst/Frühwinter wird mit dem Ausbau begonnen, da sind die Gruppenspiele der CL bereits vorbei. Auch während des Umbaus müsse der Klub nicht »mit größeren Einschränkungen« rechnen, sagt der neue Vorstand Philipp Reschke. Die Eintracht, die gerade erst ihr neues Proficamp bezogen hat, wird sich weiter ausdehnen. Das nahegelegene »Nike-Gebäude« soll integriert werden. Im benachbarten Dreieich wird ein »Sportpark« bezogen, dort sollen die wieder neu geborenen U 21 und möglicherweise die A-Jugend in der »CL Youth-League« spielen. Im Jugendbereich hat Sportchef Krösche einen kompletten Umbau auf den Trainerpositionen eingeleitet. Die Frauen sollen ihre Ligaspiele weiter am Brentanobad austragen. In der CL, wenn sie denn über die Quali-Spiele erreicht wird, aber sind auch Begegnungen in der Arena angedacht. Expansion auch in diesem Bereich.
Das alles wird Geld kosten. Im Hintergrund werden Finanzierungsmaßnahmen angedacht, forciert im Aufsichtsrat unter Führung von Boss Holzer, um den Klub auf noch breitere Säulen zu stellen. Das Prinzip »50 plus 1«, also die Unabhängigkeit des Klubs von Investoren aus aller Herren Länder, soll dabei nicht angetastet werden. Die Mitgliederzahlen sind auf weit über 100000 explodiert. Die neu belebte Nahbarkeit in der unmittelbaren Umgebung, die inzwischen ganz Hessen umfasst, soll weiter forciert werden. Dazu will die Eintracht mehr Einfluss gewinnen, in Person von Axel Hellmann nicht nur im deutschen, sondern auch im internationalen Fußball.
Die erfolge Arbeit der letzten Jahre, gekrönt vom sportlichen Erfolg, hat dem Adler neue Flügel wachsen lassen. Die Sponsoren laufen dem Klub die Türen ein, in der Arena liegt die Vermarktung nahe an der Vollauslastung. Mit der Eintracht zu werben, verspricht Imagegewinn. Hauptsponsor »Indeed« ist mit seiner Werbefigur »Ingrid« selbst schon fast zum Star geworden. Dass der Weg dieses Klubs weiter nach oben gehen wird, ist abzusehen.
In unserer Serie beleuchtet Peppi Schmitt die Gründe, die zum Höhenflug der Adler geführt haben.