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Fredriksens starker Doppelpack

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Hoch mit den Siegerfäusten: Hendrik Wagner (links) und die HSG Wetzlar feiern einen wichtigen Sieg. Foto: Ben © Ben

Wetzlar. Till Klimpke ballt die Faust und schreit seine Freude raus. Knapp 55 Minuten sind im Abstiegskrimi zwischen der HSG Wetzlar und dem ASV Hamm-Westfalen gespielt, als der große Auftritt des Torwarts folgt. 25:21 führt der Drittletzte der Handball-Bundesliga gegen das Tabellenschlusslicht, als es Siebenmeter für die Gäste gibt.

HSG Wetzlar - ASV Hamm-W. 29:24

Fabian Huesmann, der zuvor in aller Eiseskälte einen Strafwurf nach dem anderen verwandelt hat, wirft hart und halbhoch, doch mit einer ganze schnellen Handbewegung pariert Klimpke den Ball. Die Faust geht hoch. Und die Jubelschreie der 3389 Zuschauer werden nur wenig später ohrenbetäubend, als der erneut bärenstarke Spielmacher Magnus Fredriksen mit einem Doppelpack zum 27:21 die Entscheidung herbeiführt und prompt von Betreuer Migge Rühl vor Freude am Spielfeldrand fast umgerissen wird.

Wetzlar gewinnt schließlich mit 29:24 (13:7), vergrößert damit den Abstand auf den Vorletzten Minden auf fünf Punkte, verurteilt den Verlierer zum sicheren Abstieg und macht selbst einen Riesenschritt in Richtung Klassenerhalt. Und als nach dem Schlusspfiff die gesamte Arena jubelt und singt, da hört man auch endlich die Pöbel-Brüder nicht mehr.

Denn eine Dreiviertelstunde vor Spielbeginn braust ein Minivan an der Buderus-Arena vorbei. Lautes Gegröhle schallt von drinnen nach draußen. »Hamm, Hamm«-Rufe folgen. Und wenig später betreten tatsächlich eine Handvoll Fans des ASV Hamm-Westfalen unter lautstarkem Hallo die Halle. »Pöbel-Brüder« steht auf einem Sweatshirt. Und diese Fans singen und gröhlen tatsächlich die kompletten 60 Spielminuten über.

Doch pöbeln will auf der Platte auch das Schlusslicht der Handball-Bundesliga. Sportlich pöbeln. Im absoluten Abstiegskampf. Doch von frecher Aufmüpfigkeit kann in den Anfangsminuten keine Rede sein. Die Domstädter legen los wie eine mit Koffein gedopte Freiwillige Feuerwehr. Nach vier Minuten erhöht der immer stärker auftrumpfende Linksaußen Lukas Becher nach der zweiten Welle bereits auf 4:1. Doch dann pöbelt Hamm tatsächlich ein paar Minuten auf der Platte herum. Da Stefan Cavor und Lenny Rubin Gästetorwart Felix Hertlein warm werfen, kann der Gast zum 4:4 ausgleichen und schnauft erstmal durch. Schnauft minutenlang ziemlich heftig herum. Wetzlar sagt Danke. Wetzlar sagt durch Lenny Rubin Danke.

Der Schweizer trifft mit seinem bereits vierten Treffer zum 8:5. Hendrik Wagner macht in höchster Zeitnot das 11:5. »In der ersten Halbzeit«, bilanziert später Kapitän Adam Nyfjäll, »hatten wir eine richtig gute Abwehr.« Doch ansonsten herrscht auch viel Leerlauf. Teils kommen die beiderseitigen Angriffsbemühungen so sinnvoll daher wie eine Vereinskooperation der Anonymen Alkoholiker und des Whisky-Clubs Werdorf. Aber egal. An diesem Abend zählt nur der Sieg. Wer hier hohe Handballkunst erwartet hat, hofft bei einem Helene-Fischer-Konzert wohl auch auf gediegene Bach-Kantaten. Dank des famosen Anadin Suljakovic im Tor, der einige feine Paraden einstreut, führt die HSG zur Pause mit 13:7.

Nur mit 13:7 muss man sagen gegen schwache Gäste, die sich gleich acht technische Fehler leisten, sagen. »Schade«, ärgert sich später Gästetrainer Michael Lerscht, »dass wir in der ersten Halbzeit keine Abwehrleistung hatten.« Und doch führen die Mittelhessen nur knapp. Ob sich rächt?

Und der Chancenwucher scheint sich in der Tat zu rächen. Nach dem Wiederanpfiff fängt Hamm an Handball zu spielen, leistet sich kaum noch einen Patzer, geht in der Abwehr offensiver zu Werke und im Angriff dirigiert der Ex-Hüttenberger Björn Zintel nun exzellent seine Nebenmänner. Als Kreisläufer Stefan Bauer auf 15:18 verkürzt, werden die grün-weißen Fans blass (42:00).

Doch nun wirft sich der zuvor so verunsicherte Cavor in jede Bresche. Und jedes Tor des Rückraum-Hünen hilft der HSG weiter. Sein verzögerter Wurf bedeutet beim 21:16 (46:00) ein kleines Durchatmen. Und sein Tor zum 24:19 (52:00) hält den grün-weißen Vorsprung. Danach folgt Till Klmpkes großer Auftritt mit Ansage: »Der Trainer hat mir bei meiner Einwechslung gesagt, dass er zwei Paraden von mir braucht. Die hat er bekommen.« Und damit hat Wetzlar die nächsten Punkte bekommen, die so wichtig im Abstiegskampf sind. Was Trainer Jasmin Camdzic schließlich zu einer Liebeserklärung an seine Jungs veranlasst: »Ich bin so unglaublich stolz, was die Mannschaft unter diesem großen Druck geleistet hat.« Einem Druck, der nun spürbar geringer geworden ist.

Wetzlar: Till Klimpke (ab 51.), Suljakovic - Nyfjäll (1), Schmidt, Ole Klimpke (1), Becher (6/4), Weissgerber (3), Schelker, Fredriksen (5), Pliuto, Wagner (1), Rüdiger (1/1), Mellegard, Rubin (4), Cavor (7).

Hamm-Westfalen: Hertlein, Bozic (37. bis 50.) - Huesmann (4/4), Fuchs, Patrail, Schulze (1), Zintel (4), Orlowski (7), Meschke, Savvas, von Boenigk (4), Wieling (2), Bauer (2).

Schiedsrichter: Fedtke/Wienrich (Berlin) - Zuschauer: 3389 - Zeitstrafen: Wetzlar eine (Nyfjäll), Hamm-Westfalen drei (Huesmann, Meschke, Bauer) - verworfener Siebenmeter: Huesmann (Hamm-Westfalen) scheitert an Till Klimpke (55.).

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