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Gründe für den Absturz

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Der alte Mann und der Ball: Makoto Hasebe hält hier gemeinsam mit Frankfurts Sportvorstand Markus Krösche die Eintracht-Fahne hoch, er bleibt bis 2024. Trotz Krise. Foto: dpa © dpa

Frankfurt . Das Spiel in Berlin könnte eine Zäsur bedeuten. Das 0:2 gegen den 1. FC Union hat mit all den darauf folgenden Reaktionen bei der Frankfurter Eintracht eingeschlagen wie eine Bombe. Die Kritiken waren vernichtend. Die Internen, als Trainer Oliver Glasner das Wort »stümperhaft« für einige seiner Spieler in den Mund nahm.

Die Medialen sowieso. Der Kicker schrieb: »Eine Frage der Qualität«. Und meinte die fehlende Qualität. Bild kommentierte: »Eintracht fehlt Führung«. Diese Zeitung berichtete vom »ungebremsten Absturz«. Und die Frankfurter Rundschau stellte den »Zwist der Verantwortlichen« in den Mittelpunkt. Schlagzeilen über einen Verein, der vor einem knappen Jahr den Europapokal gewonnen hat, der in der Champions-League für Furore sorgen konnte und vor ein paar Wochen noch als leuchtendes Vorbild für andere galt. Der aber seit einigen Wochen seine großen sportlichen Perspektiven mit Füßen tritt. Was also ist passiert bei der Eintracht?

Der Klub ist vielen wieder einmal ein Rätsel. Dabei ergibt sich die Auflösung des Rätsels aus Fakten und manchmal einfachen Wahrheiten fast wie von selbst. Der sportliche Niedergang der Eintracht hat viele Väter.

Spieler, die sich überschätzen

Wie Evan Ndicka und Daichi Kamada, die in der Gemeinschaft der Eintracht zu guten Profis herangereift sind, aber nicht die ganz große Klasse haben, wie es ihnen von ihren Beratern eingeredet wird. Beide halten den Klub, der sie groß gemacht hat, seit Wochen und Monaten bei Vertragsgesprächen hin, schielen nach dem großen Geld, das sie andernorts verdienen können. Das ist nicht verwerflich für Berufsfußballer, aber grenzwertig, wenn die Leistung darunter leidet. Denn auch in Frankfurt verdienen sie Millionen Euro.

Eine breite Bank, die gar nicht so breit ist

Die Liste von Spielern, die dem Team eben nicht weiterhelfen bzw. noch nicht weitergeholfen haben, ist relativ lang. Almamy Touré, Hrvoje Smolcic, Paxten Aaronson, Faride Alidou, Lucas Alario, bis auf Touré alles Neuzugänge, verkörpern Mittelmaß. Auch das ist nicht schlimm, aber für eine Mannschaft, die sich höhere Ziele setzt, eben nicht zielführend.

Ein Sportvorstand, der die Lage unterschätz hat

Markus Krösches Personalpolitik ist nicht wie geplant aufgegangen. Große Vorwürfe verbieten sich trotzdem. Die Wintereinkäufe Philipp Max und Paxten Aaronson haben durchaus Qualitäten, Mario Götze und Randal Kolo Muani, im Sommer gekommen, sind echte Knaller und haben das Offensivspiel auf ein neues Niveau gehievt. Doch die abwehrende Abteilung wurde nicht verstärkt. Ein überdurchschnittlicher Zweikämpfer vor allem, ein Nachfolger für den vor der Saison in Frührente gegangenen Martin Hinteregger, sucht man vergeblich. Auch wären ein paar deutliche Worte an die Adresse einiger Spieler angebracht. Sich von Ndicka und Kamada bzw. deren Beratern auf der Nase herumtanzen zu lassen, war vielleicht vor ein paar Monaten geboten, um Ruhe zu bewahren, ist jetzt aber kontraproduktiv.

Ein Trainer, der mit Angeboten kokettiert

Und das, obwohl sein Vertrag noch bis 2024 läuft und ein Angebot für eine vorzeitige Verlängerung vorliegt. Für Oliver Glasner könnte England interessant sein. Angeblich soll Tottenham ein Auge auf den Österreicher geworfen haben. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie kalkuliert die Pressekonferenz von Berlin mit vagen Andeutungen (»Wenn ich was sage, kann es gegen mich ausgelegt werden«) und die davor geführten TV-Interviews mit ungewöhnlich deutlicher Kritik an seinen Spielern (»Hatte mit Bundesliga nichts zu tun«) tatsächlich war. Bereitet Glasner seinen Abschied vor? Oder will er vielmehr mit knallharten Ansagen bei seiner Mannschaft zuletzt verschüttet gegangene Qualitäten herauskitzeln? In Frankfurt haben sie ihn als absoluten Fachmann kennen und schätzen gelernt. Die nächsten beiden Spiele, gegen Bochum und im Pokal gegen Union, werden zeigen, ob er die Elf auf den Erfolgsweg zurückführen kann.

Führungskrise

Der Konflikt zwischen Aufsichtsratsboss Philip Holzer und Vorstandssprecher Axel Hellmann ist pures Gift für den Klub und hat die zweite Führungsebene, maßgeblich von Hellmann aufgebaut, tief verunsichert. Präsident Peter Fischer spielt aus privaten Gründen keine Rolle mehr. Teile der Fans sind völlig außer Kontrolle. Der Klub, vor ein paar Monaten noch Vorbild für viele, ist in seinen Grundfesten erschüttert. Wieder sind es Machtkämpfe und Eitelkeiten, die das alles entweder ausgelöst, mindestens aber befördert haben.

Fazit

Das Rätsel ist also gar nicht so kompliziert, die Probleme sind erkennbar. Des Rätsels Lösung aber ist viel schwieriger. Ein »starker Mann« im Sinne von Führungsstärke wird dringend gebraucht. Das kann, Stand jetzt, wie ein prominenter ehemaliger Eintracht-Trainer mal formuliert hat, eigentlich nur Axel Hellmann sein. Wenn er denn will.

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