»In den Playoffs ist alles möglich«

Gießen. Roland Nyama fasste am Samstag das in Worte, was viele in der Osthalle dachten: »Wir sind richtig gut drauf, in den Playoffs ist für uns alles möglich!« Alles? »Natürlich! Wer den Tabellenführer so dominiert, kann weit kommen.« 86:77 hatten seine Gießen 46ers, die sich schon 17 Tage zuvor in Jena die so lukrative Ausscheidungsrunde gesichert hatten, gerade Rasta Vechta geschlagen und damit eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass das Team rechtzeitig zur Crunchtime der Saison in Bestform gekommen ist.
Wie zwischenzeitlich Anfang Dezember und auch Ende Januar.
Gießen 46ers - Dresden Titans (Fr., 19.30 Uhr)
»Unsere Fans sind einmalig. Sie singen und schreien uns zum Erfolg«, wollte auch Igor Cvorovic, der als Montenegriner sicher nicht das komplette Liedgut der Stehtribüne verstanden hatte, kaum verhehlen, dass er mehrfach Gänsehaut bekommen hatte ob der prächtigen Stimmung in der altehrwürdigen Arena, die zwar noch immer nicht ganz gefüllt war, die aber mit 2946 Besuchern einen neuen Saisonhöhepunkt aufweisen konnte. »Wir sind hungrig, wir können Großes vollbringen«, lehnte sich der Neun-Punkte-Mann weit aus dem Fenster. Wohl wissend, dass ein Bundesliga-Absteiger im Playoff-Viertelfinale gegen einen ProA-Aufsteiger allemal favorisiert ist.
Dass seine Männer »good in shape«, wie es Vor-Vor-Vorgänger Ingo Freyer gerne sagte, sind, gefällt Trainer »Frenki« Ignjatovic, wenngleich der 56-Jährige warnt: »Die Jungs dürfen nicht schon ein vermeintliches Halbfinale gegen Vechta im Hinterkopf haben, sondern sie müssen sich auf Dresden konzentrieren. Wenn du an den zweiten Schritt denkst, ohne den ersten gemacht zu haben, dann hast du schon verloren.«
Auch dass die Sachsen am vierten Spieltag Mitte Oktober gegen die 46ers mit 89:87 die Oberhand behalten hatten, sollte dem Team um Kapitän Nico Brauner, das wieder auf den zuletzt gegen Rasta Vechta nicht spielberechtigen Enosch Wolf zählen kann, Warnung genug sein. Damals lagen die Mittelhessen in der Margon-Arena zur Pause mit sieben Zählern zurück, hatten am Ende auch ohne die zu diesem Zeitpunkt noch nicht zum Gießener Kader gehörenden Karlo Miksic und Enosch Wolf die Chance auf einen Sieg, standen sich jedoch selbst im Weg, da sie nicht einmal die Hälfte ihrer Würfe (Dresden 65 Prozent) im gegnerischen Korb versenkt hatten.
Mit den Dresden Titans stellt sich zum Auftakt der Best-of-five-Serie ein Team in Gießen vor, das vor der Saison niemand auf dem Schirm, das am Ende jedoch in einem Vierer-Vergleich mit den punktgleichen Artland Dragons, den Eisbären Bremerhaven und Phoenix Hagen die Nase vorne hatte und auf Platz fünf landete. Und dies, obwohl die Männer aus Elbflorenz von ihren letzten zwölf Partien nur sechs erfolgreich hinter sich bringen konnten. »Beim letzten Match in Münster konnten wir einer Playoff-Intensität noch nicht standhalten«, weiß der erst 30-jährige Coach Fabian Strauß, dass im Viertelfinale gegen Gießen jede Menge Arbeit auf seine Jungs wartet. »Ich hoffe sehr, dass wir gegen die 46ers eine bessere Figur abgeben werden.«
Die größten Stützen der Titanen sind der bereits in der ProB für Furore sorgende Deutsch-Amerikaner Grant Teichmann sowie der Kanadier Taner Graham, die von jenseits des Perimeters mit 40,5 beziehungsweise 40,7 Prozent eine starke Quote aufzuweisen haben. Mit 418 Zählern aus 33 Partien ist Eigengewächs Daniel Kirchner der beste Shooter an der Elbe, mit 46ers-Pointguard Jordan Barnes, der bislang 579 Punkte auflegte, kann der 25-Jähriuge aber nicht mithalten.
Georg Voigtmann, jüngerer Bruder des für den italienischen Spitzenclub Olimpia Milano auflaufenden Nationalmannschafts-Centers Johannes Voigtmann, ist unter den Körben mit bislang 156 eingesammelten Abprallern eine Macht, wenngleich Gießens Big Man Stefan Fundic mittlerweile 331 Rebounds einkassiert hat. Und US-Ideengeber Chase Adams stahl den Kontrahenten bisher 52 Mal den Ball. Nur sieben ProA-Akteure, darunter Bochums Conley Garrison (61), haben in dieser Rubrik bessere Werte aufzuweisen.
»Sie dürfen sich nicht in einen Rausch spielen«, möchte »Frenki« Ignjatovic die Titans dominieren wie am 4. Februar dieses Jahres, als nur 2031 Besucher den klaren 90:76-Heimsieg bei starken 18 Punkten von Karlo Miksic und jeweils zwölf Rebounds von Stefan Fundic und Enosch Wolf verfolgten. An diesem Freitag könnte die Schallmauer von 3000 Besuchern brechen. Verdient hätten es die Gießen 46ers auf jeden Fall.