Kein Blick mehr bäuchlings vom Asphalt

Professionelle Fotografen und Fotografinnen erscheinen oftmals als eine besondere Spezies Mensch, wenn sie mit (mindestens) einer voluminösen Kamera vor der Brust und etlichem Equipment an der Seite, meist hastend, ihrer Profession nachgehen. Kaum ein Zeitgenosse, der nicht eine entsprechende Erinnerung herbei zitieren kann. Gar manche Mittelhessen erinnern sich aber auch an einen Fotografen, der auf dem Asphalt (oder sonst wo) bäuchlings liegend, den Fotoapparat mit den Ellbogen abstützend vor den Augen, auf der Suche nach dem bestmöglichen Motiv war.
Dieser Fotograf wird seiner Leidenschaft und Berufung nicht mehr nachgehen. Martin Weis ist vor wenigen Tagen im Alter von 53 Jahren viel zu früh von uns gegangen.
Eine illustre Schar von Familienangehörigen und Wegbegleitern hat ihn auf dem Friedhof von Gießen-Allendorf bei seinem letzten Gang begleitet und Abschied genommen von Martin Weis. Hat damit Abschied genommen von einem Mitarbeiter, der auch für diese Zeitung lange tätig war. Dessen Aufnahmen vor allem die Sportseiten in besonderer Weise füllten. Martin Weis hat immer nach dem bestmöglichen Motiv gesucht. Auch bei Allerweltsaufträgen stand die Qualität an erster Stelle. Und mehr. Wenn er neben Aktionsszenen Menschen belichtete, dann ging es ihm stets darum, deren Charakter zu zeigen, ihre Emotionen auszudrücken. Oder wie es ein Kollege schrieb, dass Martin Weis »für Sekundenbruchteile einen Einblick in ihre Seele« einfing. Und das durch einen Menschen, der sich als eher Kirchen- und Glaubens-fern sah.
Schon in jungen Jahren fing Martin Weis mit dem Fotografieren an, Anfang der 90er Jahre, neben und nach ein paar Semestern Germanistik-Studium in Gießen. Von den ersten Versuchen und Jahren beim Gießener Anzeiger zog es ihn zu verschiedenen (Print-)Medien und Projekten, dabei lange ins Rhein-Main-Gebiet, ehe er wieder für heimische Tageszeitungen tätig war. Zwar eher introvertiert daherkommend, war Martin Weis ein herzlicher und herzensguter Mensch. Auf seine unnachahmliche (und unvergessene) Weise.
Abschied von dem Fotografen Martin Weis mussten wir schon vor etlichen Monaten nehmen. Eine hartnäckige Krankheit beeinträchtigte nachhaltig sein Augenlicht und zwang ihn zum Ende seiner Berufung. Jetzt haben wir auch den Menschen Martin Weis verloren. Aber nicht in unserer Erinnerung. Unsere Gedanken gelten seiner Witwe.
Albert Mehl