Nächster Halt: Willibald-Kreß-Straße

Gießen . Karl-Heinz Wagner, der am vergangenen Sonntag seinen 86. Geburtstag feierte, findet die Nachricht »ganz wunderbar. Das passt doch prima ins Jubiläumsjahr, das ist eine gute Sache.« Der Grund zur Freude bei Gießens »Mister VfB«: Auch wenn es noch nicht ganz soweit ist, das bürokratische Prozedere vor der endgültigen Entscheidung noch aussteht, so ist die Angelegenheit doch auf einem guten Weg oder besser:
einer guten Straße.
So sieht es ganz danach aus, dass 60 Jahre nach dem Fußball-Hessenmeistertitel des VfB 1900 Gießen der Vater des Erfolgs die ihm zustehende Würdigung erfährt: Nach Willibald Kreß, Trainer der Meistermannschaft, über die wir kürzlich mit vier der Protagonisten ausführlich berichteten, wird demnächst in Gießen wohl eine Straße benannt werden. Das »wohl« steht dabei noch für die Unwägbarkeit, die zunächst die Straßenbenennungskommission und schließlich die Stadtverordnetenversammlung verkörpern, denn durch diese Gremien muss der Vorschlag durch.
Stadtsprecherin Claudia Boje weiß auf Nachfrage, dass »die Benennung einer Straße nach Willibald Kreß (...) auf der aktuellen Vorschlagsliste der Straßenbenennungskommission steht. Sie steht auch auf der Tagesordnung der nächsten Sitzung. Die Sitzungen finden allerdings nur anlassbezogen statt. Das heißt, wann die nächste stattfindet, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gesagt werden.«
Kommission und Parlament
Ergänzt sei diesbezüglich, dass bereits um das Jahr 2010 herum eine entsprechende Anfrage an die damalige Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz gestellt worden war, die positiv aufgenommen wurde, aber keinen offiziellen Widerhall fand.
Das Procedere von Straßenbenennungen erläutert Claudia Boje wie folgt: Es existiere »seit vielen Jahrzehnten ein Beirat zur Unterbreitung von Vorschlägen und Benennung von Straßen und Plätzen in der Universitätsstadt Gießen. Der Beirat setzt sich aus Mitgliedern der Politik, Verwaltung und fachkundigen Bürgern zusammen und hat zur Aufgabe, Vorschläge für die Benennung zu bündeln, aufzuarbeiten und der Stadtverordnetenversammlung zur Entscheidung vorzulegen. Die Vorschläge werden in der Regel über die Mitglieder des Beirats eingebracht. Bürger können sich mit Vorschlägen an die Verwaltung wenden, die die Vorschläge in der nächsten Sitzung miteinbringen.«
So einfach ist das, ein wenig Zeit braucht es aber naturgemäß schon. Und so wurde auf dem beschriebenen Wege auch von unbekannter Seite Willibald Kreß ins Spiel gebracht. Der deutsche Nationaltorhüter wurde 1906 in Frankfurt geboren, starb 1989 in Gießen, wo er seit 1961 lebte. Nun wäre ein Trainerjob, wenn auch erfolgreich, sicher nicht Grund genug, eine Straße nach einem Menschen zu benennen. Ein gewisser Promi-Faktor bzw. weitere Verdienste gehören dann schon dazu.
Tatsächlich war Willibald Kreß in seiner aktiven Zeit nicht nur einer der ersten deutschen Fußballprofis, er spielte bei RW Frankfurt, dem FC Muhlhouse und feierte mit dem Dresdner SC (übrigens gemeinsam mit dem späteren 74er-Weltmeistertrainer Helmut Schön) zwei deutsche Meisterschaften und holte zweimal den Tschammer-Pokal, Vorläufer des DFB-Pokals.
Bekannt aber wurde der »schöne Willibald«, wie der Torwart wegen seines guten Aussehens und seines eleganten Spiels genannt wurde, aber auch und vor allem als erster deutscher WM-Torhüter überhaupt. So stand Kreß bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1934 in Italien zwischen den Pfosten, galt damals als eine der schillerndsten Persönlichkeiten des Welt-Fußballs.
Straße am Waldstadion als Option?
Dass er, bei allen frühen Erfolgen, alles andere als abgehoben war, bestätigen seine Spieler aus dem VfB-Meisterteam noch heute. Für sie war er »wie ein Vater«, der sie bei Verletzungen schon mal durch die Gegend kutschierte, oder denen er, im Falle von Gerd Kraus, einfach mal mir nichts dir nichts sein Auto schenkte.
Kreß, der in Gießen über Jahrzehnte bei der Kassenärztlichen Vereinigung arbeitete, war über viele Jahre in den heimischen Gefilden bis in die untersten Ligen als Trainer aktiv. Auch da keine Spur von falscher Eitelkeit. Und so darf man der Kommission und der Stadtverordnetenversammlung nun nur noch ein gutes Händchen wünschen bei der Entscheidung zur »Willibald Kreß-Straße«. Die wenig einfallsreiche Bezeichnung der Stadion-Zufahrt »Zum Waldsportplatz«, abzweigend von der Grünberger Straße, wäre, so könnte man argumentieren, doch der ideale Ort, um den großen Sportler zu würdigen. Claudia Boje aber weiß auf Nachfrage, wo die mögliche Straße denn sein könne: »Das ist alles offen.«
So oder so hat aber Karl-Heinz Wagner recht: Eine Willibald-Kreß-Straße in Gießen wäre angemessen - und ganz wunderbar.
