Nicht die Rhinos, die Bulls sind der Maßstab

Wetzlar. Egal ob ein Matcha-Kitkat, kleine Pfannkuchen mit einer süßen Füllung aus roten Bohnen oder ein anderes Schmankerl vom japanischen Süßigkeiten-Angebot im Foyer der Wetzlarer Buderus-Arena: Wenn sich die Spieler des RSV Lahn-Dill samt den beiden Forwards Catharina Weiß und Rose Hollermann sowie dem Trainerduo Janet Zeltinger/Günther Mayer dort bedient haben sollten, werden ihnen die Kalorien-Bomben allenfalls süß-sauer geschmeckt haben.
Wenn nicht sogar richtig bitter. Die Laune war den mittelhessischen Rollis verdorben. Eingebettet in einen stimmungsvollen »Japan Day« hatten alle Beteiligten des Tabellenführers der Rollstuhlbasketball-Bundesliga am Faschingssamstag alles andere im Sinn gehabt als die verdiente 72:86-Heimniederlage gegen den Verfolger Rhine River Rhinos; erstmals seit dem Mai 2021 hatte der 14-fache Deutsche Meister wieder vor eigener Kulisse verloren.
Um jetzt alle Betroffenheitsmienen wieder etwas aufzuhellen: An der Ausgangslage vor den ab Ende März anstehenden Playoff-Spielen im Kampf um die Deutsche Meisterschaft 2023 hat sich nichts geändert. Das entscheidende Spiel für die Konstellation der vier besten Mannschaften in der Endrunde steht am 4. März in der Wetzlarer Arena auf dem Programm. Dann kommt der Erzrivale und Tabellenzweite RSB Thuringia Bulls an die Lahn. Mit der Hypothek einer 66:70-Hinspielniederlage gegen die Mannschaft von Janet Zeltinger. »Es hat sich nichts geändert. Es liegt an uns. Wir müssen gut spielen, um als Tabellenführer in die Playoffs zu gehen«, sagte die 45 Jahre alte Übungsleiterin bereits nach der überraschenden Niederlage.
Warum allerdings die Mittelhessen den Nashörnern aus Wiesbaden derart unter die Hufe gerieten, darüber gab es eher Spekulationen als Gewissheiten. »Wir waren ein bisschen selbstbewusst«, sprach Lowpointer Jannik Blair von der eigentlich guten Ausgangslage. Vielleicht zu selbstbewusst? Denn zuletzt hatte das RSV-Team immer wieder personelle Ausfälle hinnehmen müssen und trotzdem gewonnen (außer in der Champions Cup-Qualifikation gegen Madrid). Diesmal stand dagegen bis auf den erkrankten Peyman Mizan der komplette Kader zur Verfügung. »Vielleicht haben wir das Spiel nicht ernst genug genommen«, spann Blair den Gedanken fort. In diese Richtung ging auch die Aussage seiner Trainerin. Die Rhinos hätten mit ihrem Tempospiel viel Energie auf das Spielfeld gebracht, meinte Zeltiner. Ihre Formation eher nicht, ließ sie ungesagt.
Catharina Weiß redete darüber. »Wir waren defensiv nicht agil und aggressiv genug«, legte sie den Finger in die bei 86 gegnerischen Punkten offene Verteidigungswunde. Das sei auch »kein guter Teambasketball« gewesen, fand die deutsche Nationalspielerin beim Blick auf das Spiel ihrer Farben. Da zudem die eigene Trefferquote nicht die beste war, sei es schwierig gewesen, zurückzukommen. Ihr australischer Mannschaftskollege sah es ebenso. Das »Momentum« sei einfach bei den Gästen gewesen, gestand Blair ein.
In diese Richtung ging auch die Aussage von Lucas Warburton. Der britische Coach der Rhinos verwies darauf, dass seine Mannschaft sogar den zwischenzeitigen Ausfall ihres überragenden türkischen Neuzugangs Ugur Toprak (34 Punkte in 32:39 Minuten Spielzeit) wegen eines Defekts am Rollstuhl gut weggesteckt habe. Mit 55:54 führten die Wiesbadener, als er gehen musste (25. Spielminute), mit 65:60 lagen sie in Front (33.), als er wieder eingewechselt wurde.
So kippte die Partie einfach nicht in Richtung RSV. Doch nach dem Abpfiff, inmitten des Trubels in der Halle durch die nahezu 200 japanischen Gäste, werden sich alle Beteiligten des RSV Lahn-Dill gedacht haben, dass diese Niederlage nur ein Ausrutscher war. Und versuchen, ihre Lehren daraus zu ziehen. Wie erwähnt, am 4. März im nächsten Heim- und Spitzenspiel gegen die Thuringia Bulls gilt es. Dann soll wieder das süße Leben Einzug halten in der Arena an der Lahn.