Noch stockt der Motor

Waldgirmes. Taktisch diszipliniert oder schlicht und einfach stinklangweilig? Das torlose Derbyremis zum Auftakt der Fußball-Hessenliga zwischen Gastgeber SC Waldgirmes und dem FC Gießen ließ viele der 700 Anhänger ratlos den Heimweg antreten.
Es lief bereits die 86. Minute, als SC-«Joker« Robin Fürbeth am Fünfmeterraum der Gäste nach innen passen wollte. Seine flache Hereingabe lenkte Gießens Innenverteidiger Pietro Besso versehentlich in Richtung eigenes Gehäuse. Sein Keeper Daniel Duschner kratzte das Leder mit einem wahrhaft sensationellen Reflex aus dem linken Kreuzeck. Es war die erste und einzige echte Torchance der Gastgeber, die FC-Trainer Daniyel Cimen das Blut in den Adern gefrieren ließ. »Geht das Ding tatsächlich noch rein, dann passt das beinahe symbolisch zu unserer missratenen Saisonvorbereitung«, erklärte Cimen. Ganze drei Akteure aus dem Regionalliga-Abstiegskader waren ihm geblieben.
SC Waldgirmes - FC Gießen 0:0
Das Projekt »Völliger Neuaufbau« begann der 37-jährige mit neun Zugängen in der Startelf. Waldgirmes bot nur zwei Zugänge auf und galt daher aufgrund seiner Eingespieltheit als leichter Favorit. SCW-Coach Mario Schappert hatte mit drei Spitzen und einem offensiven Mittelfeld mutig aufgestellt. »Wir wollten früh stören, Mut beweisen und Gießen unter Druck setzen. Der FC kam aber viel besser ins Spiel als wir«, wusste Schappert.
Er lag damit richtig, was den gepflegten Aufbau der Gäste aus der Deckung betraf, ihr laufintensives Spiel und einige sehenswerte Ballstaffetten. Zwei Halbchancen in Minute 16,, als Mert Pekesen seinen Kopfball zu unpräzise ansetzte, und in Minute 37,, als der vom türkischen Club Ankaraspor gekommene Zugang aus der Drehung an SC-Schlussmann Maik Buss scheiterte, waren allerdings nach vorne hin die karge Ausbeute. Gießens Stoßstürmer Aykut Öztürk schied zudem bereits nach gut 20 Minuten mit Verdacht auf eine Bänderverletzung aus.
Schappert hatte auch die Erklärung dafür parat, warum seine Jungs nach vorne hin zu harmlos auftraten. »Weil wir neben fehlendem Mut eine Fülle an leichten Ballverlusten aufwiesen. Das war heute nach sechs Wochen sehr guter Vorbereitung unser schwächstes Spiel«, gestand der Waldgirmeser Trainer. Zweifellos aber auch eines, das Erkenntnisse brachte. In der Defensive arbeitete sein Team samt der Bereitschaft aller Spieler, Wege nach hinten zu machen, nahezu fehlerfrei. Der leicht angeschlagene Maximilian Wiessner deutete mit einigen Sprints ebenso an, dass er seinem neuen Verein helfen kann, wie dessen einstiger Stadtallendorfer Teamkamerad Kevin Bartheld. Dem fehlte noch etwas die Bindung zu den Nebenleuten, wenngleich große Übersicht und strategisches Geschick zu erkennen waren. Bartheld hätte nach einer Viertelstunde aus zehn Metern halblinker Position freie Schussbahn gehabt, bediente aber Natnael Tega, der nicht mehr an den Ball kam. Tega hing in der Spitze völlig in der Luft. Er fiel erst auf, als er nach einer Stunde für den ebenfalls unauffälligen Felix Erben Platz machte.
FCG überzeugt in der Defensive
Beim FC Gießen imponierten neben dem sicheren Keeper Daniel Duschner vor allem der spielende Co-Trainer Michael Fink und dessen ebenfalls in der Innenverteidigung aufgebotener Kollege Pietro Besso. Die Gäste verfügen über eine durchaus vielversprechende Basis an guten, weil beweglichen und technisch starken Fußballern, die allerdings noch Zeit brauchen, um sich als Team zu finden.
»Mit Ball haben wir uns gegen eine eingespielte Mannschaft gut bis sehr gut geschlagen. Jetzt müssen wir vorne an der nötigen Entschlossenheit arbeiten. Ich bin nicht unzufrieden mit unserem Auftritt«, kommentierte Daniyel Cimen. Komplett unzufrieden brauchte auch Mario Schappert nicht zu sein, wenngleich mehr drin gewesen wäre. »Der Punkt ging in Ordnung. Wir benötigen sicher noch etwas Zeit, bis die Automatismen greifen«, resümierte Schappert.
In einem weitgehend fairen Derby mit insgesamt acht gelben Karten spielten sich die unschönen Szenen gegen Ende der Partie hinter dem Gießener Tor ab. »Spielt so, wie wir saufen«, stand auf einem Banner, hinter dem sich einige FCG-Sympathisanten versammelt hatten. Unsportlich entfernten diese ein Banner des Waldgirmeser Fanclubs »Supporters«, was dessen Zorn entfachte. Für einige Minuten flogen auf beiden Seiten teilweise die Fäuste, ehe die Platzordner schlichten konnten.
SC Waldgirmes: Buss - Safiew, Fries, Schmidt, Fürstenau - Schneider (85. Böttcher), Bartheld, Golafra - Wiessner (70. Fürbeth), Tega (63. Erben), Hartmann (78. Bräuer).
FC Gießen: Duschner - Abdel, Fink, Besso, Calabrese (90. Akkus Rodriguez) - Vural, Kireski - Pekesen, de Moura Beal (69. Mahmuti), Filsinger - Öztürk (23. Assar).
Tore: Keine. - Schiedsrichter: Herbert (Schwarzbach). - Zuschauer: 700.