Nur eine Durchgangsstation?

Gießen. Die große Emotionalität fehlte sicherlich bei den Feierlichkeiten der TSG Wieseck, die sich am vergangenen Sonntag zum Meister der Fußball-Kreisoberliga Süd gekrönt und nach dreieinhalb Jahren die Rückkehr in die Gruppenliga Gießen/Marburg geschafft hat. Zwar stand »Endspiel« auf dem Etikett der letzten Partie gegen Verfolger SG Obbornhofen/Bellersheim, aber in Anbetracht von drei Punkten Vorsprung, einem Wiesecker 5:
1-Hinspielerfolg und neun ungeschlagenen Spielen in der Meisterrunde dürfte wohl kaum einer auf eine Heimniederlage mit fünf Toren Unterschied gewettet hatten. Und so wurde es - obwohl sich die Landgraf-Elf nach Kräften wehrte und alles in die Waagschalte warf - am Ende ein 5:0-Heimsieg für den neuen Meister um Stefan Frels und Martin Selmo.
Das Trainergespann sollte die Geschicke eigentlich erst ab dem Sommer leiten, übernahm aber bereits nach dem kurzfristigen Rücktritt von Matthias Günther eine Woche vor Beginn der Meisterrunde. Die Kurzfristigkeit und die Tatsache, dass mit Günther auch dessen Sohn Jean-Claude, mit 18 Treffern bester Torjäger der Hauptrunde, nicht mehr zur Verfügung stand, waren dabei die größten Probleme. »Wir hatten letztlich nur vier Trainingseinheiten vor der ersten Partie, das war schon eine Schwierigkeit. Zwar kannte ich natürlich schon viele Spieler, aber auch noch für weitere Fitness zu sorgen, war in der Kürze der Zeit fast nicht möglich. Da es das Ziel war, den Aufstieg zu schaffen, haben wir vermehrt auf Spieler aus der A-Junioren-Hessenliga gesetzt, die zum einen enorme Qualität, zum anderen aber auch eine absolut Fitness und die Eingespieltheit mitbrachten«, erinnert sich Frels zurück. Und nach dem »Blitzstart« mit zwei Kantersiegen zum Auftakt (10:1 gegen die SG Altenburg/Eudorf/Schwabenrod, 6:2 gegen die SG Treis/Allendorf) waren etwaige Bedenken weggewischt, zumal die Konkurrenz zu Beginn ausnahmslos Remis spielte und die Wiesecker daher schnell souverän an der Spitze lagen.
Auch wenn es in der Folge den einen oder anderen Punktverlust gab, so sah der Meistertrainer bei seiner Mannschaft doch eine klare Entwicklung im Laufe der Meisterrunde. »Unsere Gegner sind oftmals sehr defensiv und körperlich robust aufgetreten. Aber unsere jungen Spieler waren das nicht gewohnt, mussten sich erst darauf einstellen und die Situation vom Kopf her annehmen. Das haben sie hervorragend gemacht. Später haben wir sogar Spiele, vor denen ich doch Bedenken hatte, wie bei Treis/Allendorf oder Lumda/Geilshausen souverän gewonnen«, lobt Frels.
Gern gesehen war es nicht bei den Rivalen der Meisterrunde, dass die Wiesecker in derart großer Zahl auf A-Junioren-Hessenligaspieler zurückgriffen, da diese das Niveau doch deutlich steigerten. Doch vorhandenes Spielermaterial dann auch in der Aktivenmannschaft einzusetzen, ist dem Verein ja letztlich nicht vorzuwerfen. »Ehrlich gesagt hat mich das auch nur wenig beschäftigt und war für die Jungs natürlich mitunter sogar eher noch Motivation. Allerdings will ich an dieser Stelle klar festhalten, dass wir hier ja nicht junge Leute vor ein paar Wochen oder Monaten geholt haben, um sie für diese Runde noch spielen zu lassen. Wir reden hier von Jungs, die mitunter schon elf oder sieben Jahre im Verein spielen. Selbst die, die am kürzesten bei der TSG sind, haben schon fünf Jahre auf dem Buckel. Daher halte ich diese Diskussion wirklich für unnötig, zumal es jeder machen würde, der die Möglichkeit dazu hätte«, so Frels, der noch ergänzend fragt: »Andere wählen den Weg, sich ihr Team zusammenzukaufen. Wäre das denn der bessere?«
Nach dem Rückzug 2019 tritt die TSG Wieseck wieder in der Gruppenliga an. Für Frels ist dafür vor allem ein Mann verantwortlich: Jörg Hildebrand. »Man muss ganz klar festhalten: Wenn es Jörg nicht geben würde, würde hier in Wieseck im Jahr 2022 kein Gruppenliga-Fußball gespielt werden. Vor gut drei Jahren stand die TSG ohne eine Mannschaft da, da hätte es ganz nach unten gehen können, wenn Jörg nicht so viel Zeit und Arbeit in die Planung und Zusammenstellung einer neuen Truppe investiert hätte. Er ist hauptverantwortlich für den Erfolg«, lobt der TSG-Trainer.
Dieser steckt sich für die nächsten Jahre hohe Ziele und hofft, dass die Gruppenliga nur eine Durchgangsstation sein kann, um es wieder bis in die Verbandsliga zu schaffen wie zuletzt in der Saison 2015/16. Was auch verständlich ist, denn um den jungen Nachwuchsspielern Perspektiven zu bieten, braucht es eine Aktivenmannschaft in einer attraktiven und höheren Spielklasse. »In all den Jahren ist nie ein junger Spieler nach der Jugendzeit geblieben. Aktuell bleiben schon fünf Akteure aus den A-Junioren in der kommenden Saison. Ihnen eine Plattform zu bieten, ist das A und O für den Verein«, betont Frels, der bei aktuell bereits 13 feststehenden Neuzugängen noch nachschiebt: »Ich denke schon, dass wir die Qualität haben, um in der kommenden Runde eine gute Rolle zu spielen. Die Top Fünf sollten wir ins Visier nehmen und im Jahr darauf schauen, was möglich ist. Mittelfristig wollen wir in die Verbandsliga zurückkehren.« Und wenn ein weitere Aufstieg gelänge, wäre auch sicherlich noch wesentlich mehr Emotionalität dabei.