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RSV Lahn-Dill macht doch nicht den HSV

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Eine Konstante und ein Sieggarant: Thomas Böhme (links), hier gegen Tobias Hell von Hannover, setzte (nicht nur) den entscheidenden Korb im Finale. Foto: Röczey © Röczey

Wetzlar . Jeder Titel hat seine Geschichte. So auch die Deutsche Meisterschaft 2022 des RSV Lahn-Dill im Rollstuhlbasketball. Immerhin der 14. nationale Titel des Erfolgsteams aus Mittelhessen, das seine Bilanz als Rekord-Titelträger ausgebaut hat. Und auch wenn es der finale Wurf von Mannschaftskapitän Thomas Böhme zum entscheidenden 64:63-Sieg im zweiten Kräftemessen der Best of three-Endrunde beim Titelverteidiger RSV Thuringia Bulls schon alleine wert ist, immer wieder in allen Details erzählt zu werden, es sind wesentlich mehr Facetten, die dem letztendlich erfolgreichen Verlauf der Saison 2021/22 für die Schützlinge von Cheftrainerin Janet Zeltinger und ihrem Assistenten Günther Mayer ein besonderes Gepräge geben.

Denn lange schien es so, als würden sich die Lahn-Diller frühzeitig in eine bestmögliche Position für die letzten entscheidenden Wochen im Frühjahr bringen. Doch dann kam es knüppeldick. Manager Andreas Joneck muss es vorgekommen sein, als müsse er ähnlich seinen Lieblingskickern vom Zweitligisten Hamburger SV mit seinem Team in der Endphase der Spielzeit in ein Tal der Tränen. Es war nicht alleine die deftige 68:82-Niederlage in der RBBL-Rückrunde beim Erzrivalen aus Thüringen, durch die die Böhme, Brown und Co. ihre Poleposition im Neunerfeld der Eliteliga verloren.

Plötzlich hallenlos

Es waren vor allem die Begleitumstände, die die gesamte RSV-Crew in diesen Wochen wegstecken musste. So fehlte Cheftrainerin Zeltinger einige Zeit wegen Corona, davor und danach wies auch der Kader aus eben diesem Grund Lücken in Training und Spiel auf. Dann stand die Mannschaft auf einmal ohne eine Trainingshalle da. Die Übungsstätte in der August-Bebel-Halle in Niedergirmes war als Flüchtlingsquartier vorgesehen, in der Alternative in Dalheim wurde überraschend renoviert. Manager Joneck wusste an manchen Abenden nicht, wohin er das Team am nächsten Tag zum Training schicken sollte. Und für Sorgenmienen sorgten lange die nur dünn besetzten Ränge in der Buderus-Arena, als mit dem Ende der Corona-Beschränkungen wieder Zuschauer kommen durften.

Alle Befürchtungen schienen sich zu bestätigen, als kurz vor der DM-Endrunde die Champions-League-Finalspiele in Erfurt auf dem Programm standen. Der Champions-Cup-Gewinner des Vorjahrs verlor nicht nur das Halbfinale in der Schlussphase verdient mit 77:83 gegen CD Ilunion Madrid. Im Spiel um Platz drei setzte es im deutsch-deutschen Duell nach einer grottenschlechten Leistung eine 51:75-Klatsche gegen die Bullen von Trainer Michael Engel. Damit lagen für die Titelvergabe eigentlich alle Trümpfe in den Händen der Thüringer.

Abwehr als Schlüssel

Doch nur auf den ersten Blick. Denn der Saisonverlauf hatte auch die Qualitäten des RSV Lahn-Dill herausgestellt. In der heimischen Arena blieb er unbesiegt, gewann dabei auch gegen die Thuringia Bulls mit 71:69. Und war immer in der Lage, eine eher schwache Begegnung noch in einen Sieg umzubiegen. Das 68:82 in Elxleben blieb die einzige Niederlage in den nationalen Pflichtspielen. Für diese Dominanz waren zwei Faktoren verantwortlich. Zum einen die Ausgeglichenheit im Kader, die dem Trainer-Duo viele Varianten und Line-Ups ermöglichte, einschließlich zahlreicher Wechselmöglichkeiten. Und schließlich die von Janet Zeltinger immer wieder geforderte »Intensität« in der Defensive. Die machte im Zweifelsfall eine nicht unbedingt überzeugende Wurfquote wett.

Die intensive und imponierende Abwehrarbeit war es auch, die den Mittelhessen den Weg zum 66:55-Heimerfolg im ersten Play off-Spiel in Wetzlar ebnete. Das schien aber Schall und Rauch, als der Erzrivale knapp eine Woche später weit im dritten Viertel mit 16 Punkten mit 47:31 in Front lag. Eine kaum glaubliche Energieleistung brachte die Lahn-Diller zum 63:63-Endstand, ehe der zweite Freiwurf von »Thommy« Böhme zum 64:63-Erfolg den gesamten RSV-Tross jubeln und eine fünfjährige Durststrecke beenden ließ. Wenig verwunderlich, dass der wenige Tage darauf angesetzte Saisonabschluss zu einer weiteren Meisterschaftsfeier geriet.

Während die Joneck und Co. jetzt hoffen, wieder über längere Zeit die erste Geige im deutschen Rollstuhlbasketball zu spielen, so muss das Erfolgsteam erheblichen personellen Aderlass hinnehmen. Denn gleich drei Stammkräfte verlassen den RSV: Einmal der polnische Routinier Dominik Mosler, der nach Aussage von Janet Zeltinger in den vier Jahren bei den Lahn-Dillern immer »viel Energie« auf das Spielfeld gebracht habe und ein sehr guter Inside-Player sei. Dann die japanische Rollstuhlbasketball-Ikone Hiroaki Kozai, dem die Cheftrainerin eine »fantastische Defensive« bescheinigte und der zudem ein »guter Werfer« sei. Und schließlich US-Center Brian Bell, über dessen »ganz viel Energie« sie immer wieder nur habe staunen können.

Dafür adäquaten Ersatz zu bekommen, wird nicht einfach für die RSV-Führungsspitze. Doch darf davon ausgegangen werden, dass neben der ersten Verpflichtung, dem jungen deutschen Nationalspieler Matthias Güntner, in den nächsten Tagen noch weitere (internationale) Asse für die Saison 2022/23 präsentiert werden.

Vision 2025

Schließlich will man »dieses Teil länger behalten«, wie Andreas Joneck im Blick auf die DM-Trophäe sagte. Zudem steht weiterhin die »Vision 2025« im Raum. Mit dem Ziel, die Spiele in der Buderus-Arena noch mehr zum Event auszubauen und dadurch die Zuschauerzahl auf 2000 zu steigern.

Das vorausgesetzt, darf davon ausgegangen werden, dass in den nächsten Jahren noch weitere Geschichten geschrieben werden. Geschichten zu neuen Titeln.

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