»Sind auf dem Weg zu neuen Strukturen«

Gießen . Am Samstag geht es weiter in der Fußball-Hessenliga. Und vielen Unkenrufen zum Trotz, er existiert noch, der FC Gießen. Auf Platz zwei rangierend, ist sportlich alles im Lot, aber nach wie vor befindet sich der Verein in einem (wirtschaftlichen) Schwebezustand, an dem weiterhin intensiv gearbeitet wird. Das lässt sich alleine daran festmachen, dass immer noch Notvorstand Turgay Schmidt das Zepter schwingt.
Da dieser sich seit einem Jahr ausschweigt, haben wir uns mit Michèl Magel getroffen, der die Aufgaben eines Geschäftsführers erfüllt, ohne der (schriftlich fixierte) Geschäftsführer zu sein. Die wichtigsten Informationen des rund eistündigen Austauschs: Mit Giovanni Fallacara kommt, wie seit geraumer Zeit kolportiert, ein neuer Sportlicher Leiter, angestrebt wird auch, dass der Verein zur neuen Runde vom Notvorstand wieder in Mitgliederhände übergeben wird. Wenn alles gut geht in den dies noch verhindernden Verhandlungen mit zwei Großgläubigern.
Im Bericht des Benefiz- turniers hieß es in der Ausgabe des Hanauer Anzeigers: Geschäftsführer Magel. Ist das jetzt offiziell?
Naja, der Vertrag ist noch nicht unterschrieben, aber klar ist auch, dass ich ja momentan die Aufgaben eines Geschäftsführers wahrnehme, von daher wird das eben so deklariert. Aber ich hoffe, dass wir das Thema in Kürze auch abschließen können.
Seit wann liegt der Vertrag vor und warum haben Sie noch nicht unterschrieben?
Der Vertrag liegt seit Ende September, Anfang Oktober vor. Aber mir geht es um den Verein, auch wenn ich durch meine Tätigkeit in den Fokus komme, aber ich will und muss nicht der große Geschäftsführer sein. Natürlich muss man diese Dinge, wenn es um neue Strukturen geht, auch irgendwann klären, aber das ist nicht das Dringlichste. Wir sind auf dem Weg zu neuen Strukturen und wenn das abgeschlossen ist, dann kann ich auch das angehen. Derzeit haben wir andere Prioritäten, wir haben das Eintrachtspiel vor der Brust, wir haben Dinge um die Mannschaft zu klären und wir müssen mit Sponsoren verhandeln.
Das mag sein. Aber es wird ja irgendwann auch juristisch und vereinsrechtlich relevant, wer da welche Verhandlungen übernimmt oder Maßnahmen vorantreibt. Dafür kann es nicht schaden, einen Geschäftsführer zu haben.
Das ist mir bewusst
Aber solange der Notvorstand noch da ist
Ist das noch nicht die erste Priorität.
Wann stellt der FC Gießen Giovanni Fallacara als neuen Sportlichen Leiter vor?
Das wird noch diese Woche geschehen. Der Kontakt kam über Michael Fink zustande, der ihn von Hanau kannte, wo er seit zehn Jahren akribisch gearbeitet und vieles vorangebracht hat. Ich bin dann mit Herrn Turgay Schmidt dort hingefahren und wir haben uns ein Bild gemacht. Wir denken, das passt, er kennt die Liga, kennt die Strukturen.
Und er kommt aus ähnlichen Vereinsverhältnissen. Auch in Hanau wurde schon lange keine Mitgliederversammlung mehr abgehalten. Spaß! Aber was kann er besser als Christian Memmarbachi, oder anders gefragt: Ist es wichtiger, die Liga als die Region zu kennen?
Zu Christian möchte ich keine Vergleiche ziehen. Das steht mir nicht zu. Und nein, ich denke schon, dass es wichtig ist, dass er die Region kennenlernt. Da werde ich mich mit ihm zusammensetzen und ihn auch unterstützen. Ich werde ihn auch mit zu Sponsorenterminen nehmen, damit er sich selbst ein Bild machen kann.
Turgay Schmidt hatte größtmögliche Transparenz versprochen. Davon ist nicht viel geblieben. Im Gegenteil. Bringen Sie doch bitte Licht ins Dunkel: Wie geht es dem FC Gießen finanziell? Wie lange ist ein Notvorstand noch nötig?
Wir sind noch in Verhandlungen mit zwei großen Gläubigern. Herr Schmidt hat da schon sehr viel be- und weggearbeitet, aber solange diese beiden Fälle nicht geklärt sind, sind wir noch nicht soweit, den Verein wieder an die Mitglieder zu übergeben und einen Vorstand wählen zu lassen. Daran hängt es. Aber das Ziel sollte sein, in die nächste Saison mit neuen Strukturen zu gehen. August, September, Oktober wäre aus meiner Sicht anzustreben. Zum Etat: Wir werden in der kommenden Saison bei der Größenordnung dieser Runde liegen. Wir haben uns in der Winterpause zusammengesetzt und geschaut, wo wir noch einsparen können. Wir werden nicht mehr überdrehen, sondern vernünftig wirtschaften. Selbst wenn wir noch Sponsoren dazugewinnen, geht nicht alles in die Mannschaft, sondern wird erst in die Altlasten gesteckt, um den Verein auf gesunde Füße zu stellen.
Gilt das mit den Altlasten auch für Spieler, die aus der Regionalligazeit noch Gehälter zu bekommen haben?
Ich weiß von vier Spielern, die noch etwas zu bekommen hatten. Das ist erledigt. Ob da noch mehr sind, das kann ich wirklich nicht sagen, das entzieht sich meiner Kenntnis.
Geht es mit dem Trainer Daniyel Cimen in die neue Saison?
Nach der Verpflichtung von Herrn Fallacara werden wir auch das angehen. Wir haben natürlich schon darüber gesprochen, es besteht ja ein sehr vertrauensvolles Verhältnis. Die Signale gehen dahin, dass er bleibt, auch weil er sieht, dass es in eine positive Richtung geht. Daniyel Cimen ist für den FC Gießen nach wie vor ein Glücksfall.
Und Michael Fink? Der wollte ja kürzertreten
Das lassen wir auf uns zukommen. Wir würden uns sehr freuen, wenn er weitermacht, weil man ja nur die Spiele ansehen muss, um zu wissen, was er immer noch kann und wert ist. Aber wenn er geht, das ist ja im Grunde auch so kommuniziert, hat er ja schon mehr drangehängt und geleistet als er ursprünglich wollte. Das würden wir natürlich, wenn auch mit Bedauern, akzeptieren.
Anderes Thema: Die zweite Mannschaft hat bereits zwei Spiele abgeschenkt, viele Spieler haben den Verein verlassen. Hat der FCG genug Leute?
Wir haben genügend Spieler, aber das hat sehr viel Kraft gekostet. Wir haben gemeinsam mit Mario Pitz zwischen den Jahren so viele Gespräche geführt, dass wir jetzt einen Stamm von 13 Akteuren haben. Aber das Ganze ist natürlich nur über das Kollektiv mit Jugend und der ersten Mannschaft zu stemmen. Das wissen wir. Ziel ist es, kein Spiel mehr abzusagen und wenn irgend möglich über den Strich zu kommen. Um nächstes Jahr eine bessere Basis für eine vernünftig aufgestellte zweite Mannschaft zu bekommen.
Zur Jugend: Hat diese einen extra Etat oder kommt er aus dem Gesamtvolumen?
Das kommt aus dem Gesamtvolumen, davon bekommt die Jugend aber einen Etat zur Verfügung gestellt. Wir haben mit Gino Parson und Claudius Weber zwei Jugendleiter, die da sehr viel Arbeit investieren und denen ich sehr dankbar bin. Denn Gino versucht sogar, auf seinen Kanälen immer nochmal Sponsoren zu finden, um den Etat zu vergrößern. Er macht das super, deshalb großes Lob an ihn, wir lassen ihm da freie Hand.
Stimmt es, dass vor Ginos Zeit Eltern viel Geld für Trainingsanzüge bezahlt haben, die nie angekommen sind ?
Ich habe die Problematik mitbekommen, ja. Das ist absolut nicht in Ordnung. Es gab diese Vorfälle, aber ich kann dazu nur wenig sagen, weil das lange vor meiner Zeit war. Das ist natürlich nicht richtig. Ich hätte einen Elternabend einberufen und das geklärt und dann dafür gesorgt, dass eine Lösung gefunden wird.
Sind die Kabinen fertig, die vor knapp zwei Jahren angekündigt wurden ?
Ja, tatsächlich. Es fehlen noch die Fliesen, dann sind sie fertig. Wir haben das in der Winterpause mit meiner Familie und anderen Unterstützern gemacht, uns da Samstag und Sonntag hingestellt und die ganzen Arbeiten erledigt.
Das ist aber seltsam, denn bei einer Pressekonferenz wurde von Herrn Schmidt verkündet, das Nike als Hauptsponsor dafür aufkommen und das machen sollte. Auch lange her ...
Ja, das habe ich auch mitbekommen. Aber das war vor meiner Zeit, ich kann da nicht viel dazu sagen. Nur, dass wir das jetzt gemacht haben. Da hätte ich auch gerne darauf verzichtet, zwischen den Jahren ab morgens aufzuschließen und zu arbeiten.
Wie man hört, bemüht sich der Verein wieder darum, altgediente Mitglieder als Zuschauer, Unterstützer zurückzugewinnen?
Ja, das war und ist mir ein ganz großes Anliegen. Zum ersten Heimspiel hatte ich zum Beispiel die Alten Herren eingeladen, um wieder ein Wir-Gefühl hinzubekommen. Viele haben sich zunächst schwergetan, das verstehe ich auch, aber so langsam erkennen sie auch an, dass sich etwas bewegt und wir mit viel Einsatz voran kommen wollen. Das ist für mich ein ganz wichtiger Faktor und ich wusste, dass da Wogen geglättet werden mussten. Wir haben uns aber da die letzten acht Monate sehr bemüht, das wird auch honoriert.
Ein Problem, nicht nur in Sachen Neumühle, sind ja die Platzverhältnisse, wo tatsächlich trainiert und gespielt werden kann.
Das stimmt, das ist alles andere als optimal. Wir mussten auch jetzt wieder teilweise nach Lich auf den Kunstrasen ausweichen. Das kann ja nicht sein. Wir haben mal einen halben Platz an der Millerhall, wir gehen mal nach Grüningen, wir weichen auch mal an die Neumühle aus, die aber auch alles andere als gut ist. Wir hatten jetzt auch schon ein Gespräch mit dem Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher. Da muss dringend etwas getan werden. Auch dass auf dem Uni-Platz seit drei Jahren das Flutlicht kaputt ist, ist ja nicht hinnehmbar. Das müssen wir ganz dringend ändern. Ich hoffe, dass erkannt wird, dass sich etwas zum Guten bewegt. Wir wollen auch selbst aktiv werden, um da für bessere Bedingungen zu sorgen, sind aber auch auf Unterstützung angewiesen.
Gab es schon mal den Gedanken, den zum VIP-Parkplatz umfunktionierten Hartplatz als Trainingsgelände zu nutzen? Das Flutlicht funktioniert ja immerhin. Oder sind Hessenligaspieler sich zu fein für den Hartplatz?
Ja, in der Tat haben wir darüber gesprochen und überlegt, ob man den Hart- relativ einfach in einen Rasenplatz umwidmen könnte. Ich hatte sogar einen Termin mit der Firma Weimer, aber das ist leider nicht so einfach. Leider, denn das wäre uns sehr lieb, so nah am Stadion ...
Wir reden immer über den FC Gießen, dabei gibt es geräuscharm beim FSV Fernwald Fußball in der gleichen Güteklasse. Habt ihr da vielleicht im Kopf, euch eine Scheibe abzuschneiden, zum Beispiel mit deren Philosophie, Spieler aus der Region zu holen?
Das ist so. Wir sind jetzt auch mit Spielern aus Gießen und Umgebung im Gespräch, die sich vorstellen können, zu uns zukommen. In der Kürze der Zeit war es trotzdem phänomenal, was vor der Saison für eine Mannschaft auf die Beine gestellt wurde. Trotzdem ist natürlich das Ziel, auch wieder Kräfte von hier zu binden. Und da habe ich im Übrigen kein Problem damit: Was Fernwald und Waldgirmes seit Jahren für eine Arbeit leisten, finde ich großartig. Da ziehe ich den Hut vor. Und da muss man gar nicht über Rivalität reden. Das ist tolle Arbeit und das kann man nur anerkennen.