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Tick, tack - Tor?

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Von: Nico Hartung

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Akrobatik: Der Hüttenberger Paul Kompenhans gegen den Eisenacher Torwart Johannes Haymo Jepsen. Foto: Röczey © Röczey

Hüttenberg. Als der Wurf von Eisenachs Jannis Schneibel mit der Schlusssekunde zum vermeintlichen 30:30 im Netz einschlug, starrten alle, die am Samstagabend beim Handball-Zweitliga-Heimspiel des TV Hüttenberg anwesend waren, gebannt auf Marvin Cesnik und Jonas Konrad. Der Ball war drin, so viel klar. Die entscheidende Frage war jedoch: Hatte er die Torlinie rechtzeitig, also vor dem Ende der Spielzeit, überquert?

TV Hüttenberg - ThSV Eisenach 30:29

Das Schiedsrichter-Duo Cesnik/Konrad (Gummersbach), das in diesen Millisekunden von so vielen Augenpaaren aufmerksam beobachtet wurde, ließ keinen Zweifel zu. Sie machten oberhalb ihres Kopfes mit beiden Armen scheibenwischerartige Bewegungen, mit denen sie signalisierten: Aus, Spielzeit vorbei, der Treffer zählt nicht.

Schneibel, der vermeintliche Torschütze der Eisenacher, war schwer enttäuscht, protestierte in den Augenblicken danach jedoch nicht gegen die damit feststehende 29:30 (14:17)-Niederlage der Eisenacher und gegen die getroffene Entscheidung, das Tor nicht zählen zu lassen - ganz anders als seine Teamkameraden und insbesondere René Witte. Der Eisenacher Geschäftsführer, der ebenfalls auf der Bank gesessen hatte, diskutierte wie wild mit den Zeitnehmern, schubste dabei auch TVH-Trainer Johannes Wohlrab zwei Mal weg und machte ein »Beweisfoto« von der Anzeigetafel.

Es änderte nichts: Der TV Hüttenberg gewann das Duell mit dem Tabellendritten aus Eisenach am Ende verdient mit 30:29. »Ich habe auf die Uhr geschaut. In dem Moment, in dem der Ball noch in der Luft ist, ist die Zeit abgelaufen. Es ist richtig, dass das Tor nicht gezählt hat«, gab Wohlrab zu Protokoll.

Der Stein des Anstoßes für die Gäste: Vor dem letzten Wurf war Hüttenbergs Timm Schneider mit seiner dritten Zeitstrafe des Feldes verwiesen worden. Die Uhr des Hüttenberger Sportzentrums blieb jetzt bei 59 Minuten und 58 Sekunden stehen, folglich blieben den Eisenachern noch zwei Sekunden für die allerletzte Aktion und den möglichen Ausgleich.

Nach Schneibels Wurf stand die Spielzeit bei 60 Minuten und null Sekunden, soweit nichts Ungewöhnliches. Allerdings war die ebenfalls elektronisch angezeigte Zeitstrafe für Schneider bei einer Minute und 59 Sekunden - und damit rechnerisch einer zu viel - stehen geblieben: Grund genug für Witte und insbesondere die zahlreich mitgereisten Eisenacher Fans, das Endergebnis lautstark und vehement anzuzweifeln, da die Schlusssirene die eine entscheidende Sekunde zu früh ertönt sei.

Es war das dramaturgisch passende Ende eines hochintensiven und mitreißenden Handballabends gewesen. Beide Seiten hatten sich in der vorangegangenen Spielzeit nichts, aber auch wirklich gar nichts geschenkt und waren am Ende einer kräftezehrenden Englischen Woche an ihr Leistungslimit gegangen.

»Ich bin unfassbar stolz auf meine Spieler. Stellvertretend sei unser Wikinger Timm Schneider erwähnt, der sich in alles hineingeschmissen und mit Schmerzen durchgehalten hat«, so Wohlrab hinterher.

Während der gesamten Spielzeit waren beide Teams von ihrem Anhang (knapp 100 Eisenacher hatten den Weg nach Mittelhessen gefunden) lautstark angefeuert worden. Dabei nahm der TVH das Heft des Handelns zu Beginn schnell in die Hand.

Die Hüttenberger Abwehr stand, der Angriff agierte überlegt, abgezockt und ließ sich von der knisternden Stimmung auf den voll besetzten Rängen nicht anstecken. So erzielte der bärenstarke Philipp Schwarz nach neun Minuten die erste TVH-Führung (5:4), die Ian Weber nach 17 Minuten erstmals auf drei Tore ausbaute (11:8) und die bis zum 17:14-Pausenstand gehalten werden konnte. Nach dem Seitenwechsel glichen die Gäste aus Thüringen zwar rasch zum 17:17 (34.) aus und gingen kurz darauf durch Schneibel sogar einmal in Führung. Die Hüttenberger, die kurzfristig ohne die erkrankten Hendrik Schreiber und Johannes Klein auskommen mussten, waren in der Schlussphase allerdings stets einen Treffer voraus und hätten ihren Fans die dramatische Schlussphase ersparen können, wenn Ian Webers Siebenmeter eine halbe Minute vor dem Ende zum 31:29 eingeschlagen wäre und damit für die Entscheidung gesorgt hätte. Doch der TVH-Spielmacher scheiterte an ThSV-Schlussmann Jepsen und hielt Eisenach damit unfreiwillig noch 33 Sekunden lang am Leben.

»Ich habe Ian in der anschließenden Auszeit in den Arm genommen gesagt: ›Scheiß drauf, das Ding holen wir uns wieder«, verriet Wohlrab später und schob erleichtert hinterher: »Mit unserem nächsten Gegner Konstanz beschäftigen wir uns erst ab Montag. Heute sollen die Jungs feiern, morgen haben sie frei.« Die Schlussphase mit all ihrer Dramatik hatte den Hüttenbergern schließlich auch genug abverlangt.

Hüttenberg: Grazioli, Plaue (bei drei Siebenmetern) - Stankewitz, Schwarz (6), Kirschner (2), Theiß (2), Fujita, Weber (6/3), Zörb (2), Reichl (2), Schneider (6), Kompenhans (1), Jockel, Kuntscher (3).

Eisenach: Jepsen, Gorobtschuk (14.-24.) - Reichmuth (2), Hübke, Hangstein (10/3), Ulshöfer, Walz (1), Hideg, Tokic (3), Mota Sousa, Meyer, Donker (1), Schneibel (4), Snajder (3), Wehyrauch (1), Saul (4).

Schiedsrichter: Cesnik/Konrad (Gummersbach) - Zuschauer: 1225 - Zeitstrafen: Hüttenberg sieben (Theiß, Zörb zwei, Schneider drei/60. Disqualifikation, Kompenhans), Eisenach sieben (Hangstein, Walz, Sousa zwei, Meyer zwei, Snajder) - verworfene Siebenmeter: Weber (Hüttenberg) scheitert an Jepsen (60.).

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