Tragödien in- und außerhalb des Fußballstadions

Gießen. Achtung, dies ist alles andere als ein gewöhnliches Fußballbuch! Geht es doch in dem von Jörg Heinisch verfassten Werk nicht um die Geschichte eines erfolgreichen Vereins, die Karriere eines großen Spielers oder den spannenden Verlauf irgendeiner Meisterschaft. Erzählt wird vielmehr von den vielen Unglücken, die den Fußball in den vergangenen fast 150 Jahren begleitet haben und die nicht selten den Charakter regelrechter Katastrophen angenommen haben.
Flugzeug-, Bus oder Zugunglücke, brennende und einstürzende Tribünen, überfüllte Stadien und Massenpaniken: Die Geschichte des organsierten Fußballs scheint auch eine Abfolge nicht enden wollender Tragödien zu sein, denen bis in die jüngste Zeit hinein mitunter hunderte Menschen zum Opfer fielen.
Das Flugzeugunglück von Manchester United 1958 in München oder die Stadionkatastrophen von Heysel und Hillsborough in den 1980er Jahren sind Ereignisse, die sich bis heute tief ins kollektive Gedächtnis der Fußballfans gegraben haben. Aber sie sind eigentlich nur die Spitze des Eisbergs, listet Heinisch doch, beginnend mit dem Zusammenbruch eines Zauns in einem Stadion im englischen Bradford, bei dem 1888 bereits ein Zuschauer zu Tode kam, rund 200 Fälle auf, die man meist mit Fug und Recht als Katastrophen bezeichnen kann.
37 von ihnen werden in dem Buch exemplarisch vorgestellt, die teils auch hervorragend bebildert sind und so noch immer die Dramatik der damaligen Ereignisse spürbar werden lassen. So erfährt man beispielsweise vom Unglück deutscher Schlachtenbummler in Belgien, die sich im Dezember 1954 auf der Rückreise von einem Länderspiel der Herberger-Elf in England befanden und deren Sonderzug aufgrund überhöhter Geschwindigkeit an einer Baustelle entgleiste. 21 Menschen starben und 80 wurden verletzt. Erschütternd auch die Stadionkatastrophe im peruanischen Lima zehn Jahre später. Über 300 Menschen kamen zu Tode und 800 wurden verletzt, als es im Rahmen eines Länderspiels nach einem Spielabbruch zu schwersten Ausschreitungen kam. Tragisch aber auch das Schicksal der Nationalmannschaft von Sambia, die 1993 mit dem Flugzeug abstürzte. Alle 30 Insassen des zweimotorigen Propellerflugzeugs kamen ums Leben, darunter alle 18 Nationalspieler und ihr Trainer.
Bei vielen der geschilderten Ereignisse kann man als Leser heute nur noch ungläubig den Kopf schütteln, ob der Versäumnisse und der Fahrlässigkeit der Verantwortlichen, die so manches Unglück erst zur Katastrophe werden ließen. Da ist es zumindest ein Stück weit beruhigend, dass gemessen an den Zuständen, die bisweilen in Großbritannien, in Südamerika oder auch in Afrika geherrscht haben müssen, die deutschen Fußballstadien und ihr Umfeld immer als verhältnismäßig sicher galten.
Vom ehemaligen Kölner Meistertrainer »Tschik« Cajkovski ist das Bonmot überliefert, dass er sich nach einer 1:8 Niederlage im Europapokal im schottischen Dundee 1961 gewünscht haben soll, am besten wäre es, wenn das Flugzeug auf dem Rückflug abstürzen würde. Zum Glück ist das nicht passiert. Nach der Lektüre von Jörg Heinischs Buch kann man über solch einen Witze allerdings auch nicht mehr wirklich lachen.
Jörg Heinisch: Fußballkatastrophen, Arete Verlag, 2023, 240 Seiten, Preis: 20,00 Euro.