»Vamos, Dritte Liga!«

Leihgestern. Im Nachhinein betrachtet war es wohl nur eine Frage des Wann! Von Saisonbeginn an marschierte die TSG Leihgestern nämlich durch die Frauenhandball-Oberliga Hessen und baute ihren Vorsprung teilweise auf zehn Punkte auf den ersten Verfolger aus. Und am viertletzten Spieltag, genauer gesagt im Heimspiel gegen die HSG Weiterstadt/Braunshardt/Worfelden am 1.
April, konnte der Spitzenreiter durch den 28:20-Erfolg vor eigenem Publikum sein Meisterstück machen. Auch kein Aprilscherz: in der kommenden Saison heißt es für das Team von Trainer Jonna Jensen nun »Vamos, Dritte Liga!«
»Wir haben in der letzten Saison schon gesehen, dass es durchaus Chancen gibt, ganz oben mitzuspielen, aber aufgrund der vielen Verletzungen, vor allem im Rückraum, hat das letztlich noch nicht funktioniert. Wir haben damals aber schon begonnen, am Kader zu basteln, ihn qualitativ zu verstärken und ihn vor allen Dingen in der Breite besser aufzustellen. Unser Ziel in dieser Saison war es ganz klar, um den Titel mitzuspielen, aber nach den Erfahrungen der letzten Runde haben wir bewusst tiefer gestapelt. Doch wie schnell sich die Mannschaft findet, vor allem nach dem Karriereende von Führungsspielerinnen wie Olivia Reeh und Andrea Schulz, war ja vorher auch nicht abzusehen«, erinnert sich Trainerin Jonna Jensen zurück.
Diese konnte in Emilia Prauss, Kathrin Jochem oder Freya Welchert junge und talentierte Rückraumspielerinnen hinzugewinnen, mit Linda Barnack zudem eine ebenfalls noch junge Torhüterin, die in der vergangenen Saison bei der HSG Rodgau Nieder-Roden aber auch schon Drittliga-Erfahrung sammeln konnte. Klasse und Erfahrung vereinte Zugang Leonie Nowak, die vom Bundesligisten SV Union Halle-Neustadt in die mittelhessische Heimat zurückkehrte und direkt zum »Emotional Leader« der jungen TSG-Truppe wurde.
In der Vorbereitung standen dann zumeist vier fixe Einheiten pro Woche auf dem Programm. Drei davon standen auch der während der gesamten Saison an, aber auch die vierte, freiwillige war zumeist sehr gut frequentiert. »Ich denke, es war auch ein Schlüssel des Erfolges, dass wir extrem viel Zeit und Arbeit investiert haben. Entgegen kam uns sicherlich dank auch das dankbare Auftaktprogramm«, glaubt Leihgesterns Trainerin, die gemeinsam mit »Co« Florian Rosch und Torwarttrainer Peter Konrad für den neuen Meister verantwortlich zeichnet. So startete die TSG optimal mit 8:0 Punkten, ehe auch beim letztjährigen Drittligisten HSG Lumdatal ein knapper 21:20-Sieg folgte. Nach einem starken Auftritt im »harzlosen Derby« bei der heimstarken HSG Wettenberg (31:22) folgte Mitte November ein Schlüsselspiel auf dem Weg zum Titelgewinn. Den 14:0 Punkten des Tabellenführers konnte der damalige Tabellenzweite HSG Kleenheim-Langgöns nämlich 12:2 entgegensetzen. Doch vor eigenem Publikum zeigte Leihgestern seine Klasse, siegte verdient mit 28:24 und baute den Vorsprung damit und in den Folgewochen, in denen die SGKL mehrfach patzte, vorentscheidend aus.
Nach 23:1 Punkten nach der Hinrunde nahm der Aufstieg schon mehr als nur Formen an. »Wir hatten in manch knappen Spielen das nötige Quäntchen Glück, haben in dieser Zeit aber auch viel Fleiß eingebracht. Obwohl wir von Anfang an mit zahlreichen Verletzten zu tun hatten, hat uns das eher noch stärker gemacht, da jede Spielerin ihre Rolle kannte, wir enger zusammengerückt sind und sehr schnell viel eingespielter waren. Die Motivation der Gegner war immer hoch, denn wir waren vom ersten Tag an die Gejagten. Doch damit sind wir bestens zurechtgekommen. Das Spiel gegen Kleenheim-Langgöns war schon eine Drucksituation, aber die Einstellung stimmte absolut, und wir sind bestens damit umgegangen«, sah Jonna Jensen in der fast perfekten Hinrunde, in der es nur einen Punktverlust beim 27:27 bei der HSG Weiterstadt/Braunshardt/Worfelden zu beklagen gab, schon den Schlüssel für den Titel.
Und nachdem die TSG in das Jahr 2023 dann auch mit vier weiteren Siegen gestartet war, war der Titelgewinn wirklich nur noch eine Frage der Zeit.
Gegen die HSG Lumdatal setzte es dann am 25. Februar die erste Saisonniederlage (26:27), ehe in Großenlüder (25:26) nur eine Woche später eine zweite folgte. »In diesen Spielen fehlte uns dann ein wenig das Glück, das wir zu Beginn hatten, aber so etwas passiert im Laufe einer Saison. Trotzdem war es dann wichtig, schnell wieder zurück in die Spur zu finden!«.
Was dem Tabellenführer dann im Derby gegen die HSG Wettenberg (20:12) eindrucksvoll gelang, ehe es - zum zweiten Mal vor vollbesetzten Rängen - zum Duell bei der HSG Kleenheim-Langgöns kam. Und nachdem die Jensen-Sieben einen Pausenrückstand dank bärenstarker zweiter Hälfte noch in einen 26:21-Sieg umgewandelt hatte, stand das Meisterstück kurz bevor. Der Kreis schloss sich dann am 1. April, als ausgerechnet der Gegner, der der TSG in der Hinrunde den einzigen Punkt »geraubt« hatte, klar besiegt wurde und die Meisterschaft feststand. »Das Spiel in Oberkleen war natürlich schon ein absolutes Highlight für uns. Dort mit der Unterstützung vieler unserer Fans zu gewinnen, war schon eine tolle Sache. Und die Meisterschaft aus eigener Kraft vor eigenem Publikum eine Woche später klarzumachen, hat die Sache abgerundet«, so Jonna Jensen und ergänzt noch, warum ihr Team aus ihrer Sicht die Oberliga Hessen in dieser Saison dominiert hat. »Zunächst einmal glaube ich, dass wir eine richtig gute Mischung beisammenhaben. Wir haben uns gegenseitig gut ergänzt, der breitere Kader im Vergleich zur Vorsaison hat sich zudem als entscheidend erwiesen. Wir hatten immer wieder Spielerinnen, die in die Bresche springen konnten und Qualität eingebracht haben!« Zudem lobte die Meistertrainerin auch den Einsatz und die gute Arbeit der beiden »Physios« Vanessa Wolf und Ben Wolf, die im Laufe der Saison im wahrsten Sinne alle Hände voll zu tun hatten.
Und so geht Leihgestern nun in der dritthöchsten Liga an den Start. In einer Liga, die in den letzten beiden Spielzeiten durch eine immens hohe Anzahl an Absteigern zum einen erheblich geschrumpft, zum anderen aber qualitativ enorm an Klasse gewonnen hat. »Das wird natürlich eine richtige harte Saison, das ist jetzt schon abzusehen«, blickt TSG-Trainerin Jensen bereits voraus: »Natürlich werden wir uns um den einen oder anderen Zugang bemühen, auch deshalb, weil in der Dritten Liga ja jetzt 16 statt nur 14 Spielerinnen erlaubt sind!«