1. Startseite
  2. Sport
  3. Lokalsport

Von der Wahl bis zum Pokal

Erstellt:

Von: Rüdiger Dittrich

gispor_0203_mohr_010323_4c_2
Hat gut lachen, auch wenn ihm derzeit nicht immer zum Lachen zumute ist: Kreisfußballwart Henry Mohr, der sich fragt, ob er 2024 nochmals antreten soll. Foto: Friedrich © Friedrich

Gießen . Henry Mohr als umtriebig zu bezeichnen, ist noch untertrieben. Der Gießener Kreisfußballwart, der seit 1990 in zweiter und ab April 2000 in erster Reihe den Oberfußballer gibt, ist nicht nur nah am Fuß(ball)volk, sondern stets auf der Höhe der Zeit. Sein Vorteil: er hat Ideen, lässt Fünfe auch mal grade sein, macht aus dem Kicksport an der Basis keinen bürokratischen Popanz, hinterfragt Strukturen, die sich eingeschliffen haben, wenn sie der Sache nicht dienen.

Kreisfußballtag 2024

Das alles wurde oft geschrieben und festgestellt, so dass der Fußballkreis Gießen in Hessen zu den großen, innovativen und tatsächlich vergleichsweise gesunden gehört. 24 Jahre wird der Allendorfer, gebürtig aus Burkhardsfelden, im kommenden Jahr die Geschicke des Fußballkreises Gießen bestimmen, 68 Jahre jung ist er aktuell. Und da kommen wir zum Punkt umtriebig, denn Mohr macht aus seinem Herzen keine Mördergrube: Ob er im Jahr 2024, am 6. April im Bürgerhaus Rodheim-Bieber, noch einmal antritt zur Wahl, ist nicht so sicher wie das Amen in der Kirche. »Es hat sich vieles geändert in all den Jahren, die Zusammenarbeit mit oben (dem HFV, d. Red.) ist nicht unbedingt einfacher geworden und der Stellenwert des Fußballs bei jüngeren Spielern ist auch nicht mehr vergleichbar mit früher«, stößt Mohr ins gleiche Horn wie die meisten langjährigen Funktionäre.

Vor allem aber, und das meint er naturgemäß nicht despektierlich, sind es seit Jahren, ja Jahrzehnten dieselben Menschen, die sich als Klassenleiter und Funktionsträger verdingen und verdient machen, Nachwuchs ist nicht, oder nur in homöopathischen Dosen in Sicht, die Klage wegen fehlender Ehrenämtler ist nicht nur ein Vereinsproblem.

So wird beispielsweise auch Mohrs Stellvertreter Hans-Peter Wingefeld, von schwerer Krankheit erholt, kürzer treten, die Stellvertreterschaft wohl abgeben, aber immerhin vermutlich noch eine Klasse leiten.

Gleichwohl wird im April 2024 erneut für vier Jahre gewählt, nach anstrengendem Management der Corona-Jahre, die doch gut überstanden wurden, gilt es Herausforderungen wie den demografischen Wandel, aber auch immer höhere Belastungen für die Vereine zu moderieren und mit Geschick abzufedern.

Wer aber kann es aus dem Stand in die monumentalen Fußstapfen des Mannes schaffen, der bald 35 Jahre Funktionärserfahrung auf dem Buckel hat? Der aber, so agil er auch sein mag, »nicht unbedingt jünger« wird, wie er selbst betont. »Wir sind ja wie ein alter Baum im Fußballkreis. Viele junge Triebe und Zweige gibt’s da nicht. Das ist der Lauf der Dinge, dass der alte Baum langsam eher verkümmert.«

Mohr hat schon viele potenzielle Kandidaten angesprochen, aber »die, die das könnten, sind ja oft in ihren Vereinen unverzichtbar, da reiße ich denen ja das Herz raus, wenn ich sie in den Kreisauschuss lotse«, denkt er an die Folgen im Einzelfall. Was er sich vorstellen kann, ist, dass er bei den »Fußball-Helden«, Sieger des jungen Ehrenamtes in den vergangenen Jahren, vielleicht den einen oder anderen möglichen Kandidaten findet. »Es ist ja nicht so, dass ich mich gramgebeugt jeden Tag mit dem Amt quäle, im Gegenteil: Ehrenamt macht ja auch richtig Spaß. Und gibt viel zurück.« Anreiz genug? Die Wahl 2024 ist jedenfalls ein wichtiger Faktor, der Mohr derzeit umtreibt. Zeitlich näherliegend gibt es aber weitere Aspekte, die der Kreisfußballwart kurz vor dem Restrundenstart am kommenden Woche thematisieren möchte.

SWG-Kreispokal

Der Kreispokal in Gießen, seit 20 Jahren von den Stadtwerken getragen, hat in Hessen ein Alleinstellungsmerkmal. Der Endspieltag von früh bis spät gehört zu den bedeutendsten Fußball-Events der Basis landesweit. 2003 wurde die Idee vorgestellt, eine Zusammenarbeit für fünf Jahre vereinbart, daraus ist eine Erfolgsgeschichte geworden, die immer wieder verlängert und immer größer wurde. Von Alten Herren- über Frauen- und Reserve-Finale bis zum Hauptakt des Erstmannschafts-Endspiels - an bereits 18 Finaltagen gab es sieben unterschiedliche Kreispokalsieger vor insgesamt 18450 Zuschauern. Attraktive Prämien gab und gibt es für die Mannschaften und ein umsatzträchtiges Event für den Ausrichter. Damit aber ist nun Schluss.

Der 2018 für erneut fünf Jahre abgeschlossene Vertrag läuft aus, danach muss sich auch der Fußballkreis Gießen dem Diktum des Hessischen Fußballverbandes beugen. Der Vertrag zwischen Bitburger Braugruppe/HFV verbietet eigeninitiativ ausgestaltete Pokaltage, der HFV schüttet zu gleichen Anteilen finanzielle Mittel aus seinem geschlossenen Vertrag an die hessischen Fußball-Kreise aus. »Vom Unterstützungsvolumen überhaupt nicht vergleichbar«, sagt Mohr, der bedauert, dass »ein gewachsener sportlicher und sozialer Höhepunkt anscheinend nicht so wichtig ist, wie vertragliche Bindungen auf anderer Ebene«. Mit Licher und Holger Pfeiffer hat Mohr seit Jahren zwar einen guten und zugewandten Partner, der »bestens mit unserem Fußballkreis« zusammenarbeite, dem aber angesichts des HFV-Vertrages auch die Hände gebunden sind. Wie es im Detail also weitergeht mit dem Pokal, ist noch nicht entschieden.

Mohr wäre aber nicht Mohr, wenn er nicht schon ein Gedankenspiel auf den Weg gebracht hätte, dass eine Teilung vorsieht: Einen Licher Kreisliga-Cup, indem die Mannschaften der Kreisober- bis B-Liga unter sich bleiben, um dann ihren (Pokal-)Sieger auszuspielen, und einen Licher Kreis-Pokal, der aus den Hessen-, Verbands- und Gruppenligisten sowie den vier Halbfinalisten des Kreisliga-Cups bestehen würde. So könnten auch unterklassige Mannschaften einmal den (inoffiziellen) Pokaltitel erringen, ehe sie auf die Großen treffen, um am offiziellen Wettbewerb teilzunehmen. Eine schöne Idee, die aber den von Mohr erdachten Endspieltag natürlich nicht ersetzt. So steht am 29. Mai 2023 als Abschluss einer 20-jährigen Erfolgsgeschichte der letzte SWG-Pokal-Finaltag alter Prägung an. In Fernwald-Steinbach. Wie es weitergeht, wird sich weisen.

Zeitstrafen

Das Pilotprojekt, an der Basis mit zehnminütigen Zeitstrafen zu agieren, läuft mit dieser Saison aus. Mohr war stets ein Verfechter der Zeitstrafe. Auf seine Initiative hin reichte der HFV den Antrag dem DFB-Verbandsspielausschuss ein, um die Zeitstrafe einzuführen. Dem wurde stattgegeben. Auch Berlin und Bayern schlossen sich Hessen an. Seit 2020/21 gibt es nun dieses Sanktionsmittel als Ergänzung und Erweiterung von Gelber und Roter Karte.

Mohr spricht sich dafür aus, dass es weitergeht. Nicht alle Fußballkreise sehen das so. Kritisch sieht Mohr die bisherige Umsetzung, dass beispielsweise bei der Einführung verschiedene Wettbewerbe ausgeklammert wurden, dass der Zeitstrafe immer eine Gelbe Karte vorausgehen muss und die Zeitstrafe zu oft nach Foulspiel eingesetzt wird. »Ich denke, man sollte sie gezielt einsetzen und Emotionen nicht mit Aggressivität gleichstellen«. Das heißt, dass die Zeitstrafe besonders Meckern, Rudelbildung, Beleidigungen oder respektloses Verhalten sanktionieren sollte. Eine nicht repräsentative Nachfrage bei Vereinen und Schiedsrichtern zeigt Mohr, dass »Zeitstrafen überwiegend positiv gesehen werden« und zudem auch, so der Eindruck, zu weniger Platzverweisen führen, »weil sich ein Akteur draußen auch mal abkühlen kann«.

Trainerpass

205 Übungsleiterinnen und Übungsleiter haben den Trainerpass im Sportkreis nach sieben Schulungen entgegennehmen können. Respekt, Fairness, Toleranz sind das Ziel der Schulungen, der um den Hals baumelnde Pass soll als manifester Nachweis, nach dem Motto: »das ist der Trainer, er ist geschult«, für den Schiedsrichter erkennbar sein. »Es gibt den Appell unsererseits, den Ausweis zu tragen, ich bin aber gegen eine Bestrafung, wenn ein Trainer das Teil mal nicht umhängen hat. Vielleicht kann der Schiri es im Spielbericht vermerken und nach fünfmaligem Versäumen eine Spielsperre ausgesprochen werden«, sagt Mohr, der klar macht, dass »nur zum Abkassieren der Vereine der Trainerpass nicht eingeführt werden sollte.« Gute Idee, aber schlecht geplant und schlecht ausgeführt. »Nur um wieder Sanktionen gegen Vereine durchzuführen, davon wird der Fußball nicht fairer.«

Entwicklung

Weiterhin seien »kleinere Ligen« das Ziel, sagt Mohr, der die Richtzahl 16 anstrebt, in der B-Liga gar die 14. Im Gegensatz zu vielen Kreisen ist Gießen gegen die rückläufige Tendenz insgesamt stabil, was Vereine und Meldungen angeht. Sicher auch ein Verdienst des KfW, der immer ein Ohr an der Basis hat und stets auf den Sportplätzen präsent ist. So will Hellas Gießen für die kommende Runde eine zweite Mannschaft melden, gibt es nach der Trennung von Saasen und Reiskirchen/Bersrod das Bestreben, dass Reiskirchen möglicherweise B-Liga spielt, Saasen entweder allein oder mit Harbach antritt. Zudem strebt Leihgestern II den Aufstieg an, wird darüber hinaus wohl eine dritte Mannschaft melden.

Details im Fußballkreis, für den Henry Mohr das letzte Mai-Wochenende verpflichtend als letzten Spieltag angesetzt hat, um die Vereine im Hinblick auf Relegation und folgenden Rundenstart zeitlich zu entlasten. Und dann sucht der Kreisfußballwart ja noch, wie eingangs beschrieben, nach weiteren Teilen. Für sein Ausschuss-Puzzle. Dass Henry Mohr nach 2024 trotzdem umtriebig weiter puzzelt, das ist zwar nicht gewiss, aber gewissermaßen fast logisch.

Auch interessant