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Weg mit der Hallendecke

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Von: Karsten Zipp

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Mach es noch einmal: Die Gießener Fans würden auch heute gar zu gerne Justin Martin und die 46ers feiern. Foto:Schepp © Angelika Schepp

Gießen. Ein moderner Reisebus bietet allen Komfort, den eine unternehmungslustige Truppe für einen Ausflug benötigt. Große Beinfreiheit, entspannende Musik, kalte Getränke und wenn die Fahrt etwas länger dauert, auch sehr viel Zeit für Gespräche. Gespräche, die allerdings bei der Reisetruppe der Gießen 46ers bei ihrer gut fünfstündigen Heimfahrt von Vechta eher gequält, ziemlich deprimiert und möglicherweise auch ganz schnell in frustriertem Schweigen geendet haben dürften.

Denn die mittelhessischen Basketballer legten im dritten Halbfinale der Playoff-Serie in der ProA tatsächlich einen Auftritt zum Verschweigen hin. Und eigentlich hätten die bislang so überraschend wackeren Spieler von Frenki Ignjatovic die Heimreise weitaus früher antreten können. Bereits nach kurzer Zeit war nämlich klar, wohin die spielerische Reise an diesem gebrauchten Mittwochabend führen würde.

»Das Spiel«, schüttelte der Trainer frustriert den Kopf, »war bereits nach fünf Minuten entschieden.« Das Spiel, das schließlich mit 88:66 deutlicher an den Favoriten ging, als es das Ergebnis aussagt, stand nach eben diesen fünf Minuten bereits 12:3 für die Rasta-Männer, als Joschka Ferner mit einem Dreier diese Neun-Punkte-Führung erzielt hatte.

Gießen 46ers - Rasta Vechta (Heute, 19.30 Uhr)

Der Auftakt lief denkbar schlecht für die Gießener. Doch danach wurde es nur noch schlechter. Die Dreier-Würfe, die den 46ers noch den umjubelten 79:76-Heimsieg am Sonntag beschert hatten, trafen Ring, Brett oder daneben. An diesem Abend hätten die sonst so zielsicheren Jordan Barnes, Nico Brauner und Justin Martin vermutlich nicht einmal mit extragroßen Wurfpfeilen riesige Lustballons am Kinderstand einer Vogelsberger Kirmes getroffen. Zudem erwischte der in dieser Saison sonst so zuverlässige und groß auftrumpfende Spielmacher Barnes ein fast schon absurdes Momentum, in dem ihm die Bälle entglitten, die Dribblings verstolpert gingen und selbst die einfachsten Pässe missrieten. So was kommt im Laufe einer langen Saison schon mal vor. So was fällt aber eben dann schwer ins Gewicht, wenn der 46ers-Trainer mit seiner Schmalhans-Besetzung über kaum eine Wechselmöglichkeit verfügt. Da Vechta diesmal überaus konzentrierte Abwehrarbeit verrichtete und die Gießener Weitwerfer frühzeitig entscheidend störte, waren nach knapp 14 Minuten alle Dreier-Versuche der Gäste im niedersächsischen Niemandsland versandet.

Beim 27:10 war bereits nach dem ersten Viertel die Entscheidung gefallen. Die Gründe brachte Ignjatovic auf den Punkt: »Wir hatten zu wenig Körperkontakt und zu wenig Energie. Wir haben zu leichte Körbe zugelassen und haben die gleichen Fehler gemacht, wie hier vor einer Woche.«

Fehler allerdings machte auch der Hauptrunden-Meister. Fehler zuhauf im schwachen zweiten Viertel, dass die Gäste ausgeglichener gestalten konnten, ohne jedoch selbst zu überzeugen. Als Luis Figge mit einem dann endlich doch mal großartig getroffenen Dreier auf 21:33 nach einer Viertelstunde Spielzeit verkürzte, schien wieder was möglich. Doch in der Folge machte sich eben auch die weitaus größere Rotation Vechtas bemerkbar. Trainer Ty Harrelson konnte munter wechseln. Und so seine Mannschaft eben auch zum souveränen Sieg wechseln.

Das 42:23 zur Pause baute Rasta bis auf eine 30-Punkteführung aus, sodass schließlich die 46ers mit dem 66:88 noch relativ gut bedient waren. Gefühlt nämlich fiel diese Niederlage deutlicher aus. Was wiederum den Gießener Trainer zur Grundsatzfrage brachte: »Vielleicht stoßen wir auch jetzt an unser Limit. Vielleicht sind 66 Punkte auswärts unser Limit. Auswärts fehlt uns die Cleverness und die Qualität.« Doch die Flinte ins Korn, die Dreier ins Fangnetz und die Serie freiwillig in die Tonne treten, würde der ehrgeizige Coach natürlich niemals. Jetzt gilt es, Luft zu holen, Kraft zu schöpfen, um die vom Serben immer wieder beschworene Energie zunächst am Freitag (19.30 Uhr) in der Osthalle aufs Parkett zu bringen.

»Zuhause mit unseren Fans und der Atmosphäre«, weiß Ignjatovic, »finden wir auch Lösungen in dieser Besetzung.« Die Fans und die Atmosphäre haben die Gießener ja schon vergangenen Sonntag zum großen Coup gepeitscht. »Ich will, dass die Halle voll ist«, appellierte da auch Geschäftsführer Jonathan Kollmar an die mittelhessischen Basketball-Fans an diesem Freitag in Scharen zu kommen.

Vielleicht erlebt dann auch der Trainer nochmals dieses einzigartige Gefühl aus der letzten Minute vom Sonntag, »als ich dachte, die Hallendecke hebt ab«. Vielleicht gelingt ein zweiter Streich, der den 46ers-Spielern am Sonntag dann in einem fünften entscheidenden Spiel die ganz große Chance bieten würde, ihrem Trainer zu zeigen, dass das Limit doch noch nicht erreicht ist.

Und dann könnte der große komfortable Reisebus vielleicht sogar doch noch für eine Siegesfeier zweckentfremdet werden.

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