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850 Millionen fürs Uniklinikum Gießen-Marburg

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Von: Ingo Berghöfer

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Einigung erzielt: JLU-Kanzlerin Susanne Kraus, der Präsident der Philipps-Universität Thomas Nauss, Finanzminister Michael Boddenberg, Wissenschaftsministerin Angela Dorn, Rhön-AG-Vorstandschef Tobias Kaltenbach, Werner Seeger als Ärztlicher UKGM-Geschäftsführer und der Vorsitzende der UKGM-Geschäftsführung Gunther K. Weiß (von links). Foto: Berghöfer © Berghöfer

Das Land Hessen, UKGM und Rhön AG haben sich nach zwei Jahren zäher Verhandlungen auf einen Investitionsplan geeinigt. Die Erleichterung ist groß, dennoch gibt es auch kritische Stimmen.

Gießen/Marburg . Am Ende ging es dann ganz schnell. Nur einen Tag, nachdem sie es beim Notar in trockene Tücher gebracht hatten, stellten Vertreter der hessischen Landesregierung, der Rhön-Klinikum AG, der Asklepios Kliniken und des Universitätsklinikums Gießen und Marburg (UKGM) sowie der beiden Universitäten in der neuen Bibliothek der Philipps-Universität das »Zukunftspapier Plus« vor, das die weitere Zusammenarbeit am UKGM für die nächsten zehn Jahre regelt.

Dass die vereinbarte Investitionssumme für beide Standorte im Vergleich zu der bereits im Dezember beschlossenen Einigung noch einmal von 800 auf 850 Millionen Euro steigt, ist freilich nicht dem geschickten Nachverhandeln seitens des UKGM zu verdanken, sondern der galoppierenden Inflation geschuldet. Die ist also schon eingepreist, sollte sie aber über zehn Prozent steigen, müsse noch einmal neu verhandelt werden, schränkte Finanzminister Michael Boddenberg (CDU) ein.

Einander viel zugemutet

Dennoch überwog bei ihm und Wissenschaftsministerin Angela Dorn (Grüne) nach langen Verhandlungen, in denen man »einander viel zugemutet habe«, am Dienstagmorgen die Freude, endlich eine Einigung erzielt zu haben. Dorn erinnerte auch in diesem Moment daran, dass sie die Privatisierung des drittgrößten deutschen Klinikums für einen Fehler hielt und hält. Sie betonte, dass sich die Rhön AG verpflichtet habe, ihren Anteil an der UKGM-Finanzierung von einem Drittel aus Eigenmitteln, also nicht durch Kredite, aufzustocken, sollten die Einnahmen der Klinikums dafür nicht ausreichen.

Zudem habe sich Rhön verpflichtet, bei einem eventuellen späteren Verkauf des Klinikums die Investitionen anteilig der jährlichen Abschreibung von acht Jahren für Geräte und 25 Jahre für Gebäude zurückzuerstatten, fügte Boddenberg hinzu.

Betriebsbedingte Kündigungen bleiben in der nächsten Dekade ausgeschlossen, ebenso die Ausgliederung von Betriebsteilen. Ausnahmen kann es allenfalls mit Zustimmung des Landes geben, vor allem im Gegenzug für die gleichzeitige Wiedereingliederung derzeit ausgelagerter Bereiche.

Für die Mitarbeiter solcher outgesourcten Bereiche gab es indes keine guten Nachrichten. Prof. Tobias Kaltenbach, Vorstandsvorsitzender der Rhön AG, erklärte auf Nachfrage, dass der Kündigungsschutz für die UKGM Service GmbH nicht gelte.

Das kritisierte auch die Gewerkschaft Verdi in einer ersten Stellungnahme. »Diejenigen, die ohnehin nicht viel verdienen, müssen nun weiterhin um ihre Arbeitsplätze bangen«, kritisierte Gewerkschaftssekretär Fabian Dzewas-Rehm. Nun drohten »die gleichen Skandale« wie an anderen Standorten von Asklepios/Rhön, befürchtet er mit Blick auf Ausgliederungen in Asklepios-Kliniken in Hamburg oder Lich.

»Ein Wunder, dass das lange gut ging«

Für Prof. Werner Seeger, Ärztlicher Geschäftsführer des UKGM in Gießen, war es ein emotionaler Moment, weil damit nicht nur zwei Jahre zäher Verhandlungen zu Ende gegangen seien, sondern auch 18 Jahre, in denen die Finanzierung des UKGM im Grunde nie gesichert gewesen sei. Die Finanzmittel, die das UKGM benötige, könne es selbst gar nicht erwirtschaften. »Es ist ein Wunder, dass das 18 Jahre lang gutgegangen ist, aber heute kommen wir aus dieser Zwangslage endlich heraus.«

Das Land stellt dem UKGM jährliche Investitionsmittel für neuestes medizinisches Gerät und Baumaßnahmen zur Verfügung. Beginnend mit dem Jahr 2023 erhält das UKGM eine Landesförderung in Höhe von zunächst 48,15 Millionen Euro; dieser Betrag wird in festgelegten Raten über zehn Jahre hinweg jährlich gesteigert.

Das UKGM seinerseits wird Mittel bereitstellen, die sich im selben Maß wie die Landeszuwendungen steigern, beginnend im Jahr 2023 mit 23,5 Millionen Euro. Die Investitionssumme kommt Gießen und Marburg zu gleichen Teilen zugute. Rund zwei Drittel sind für Baumaßnahmen, rund ein Drittel für Geräte vorgesehen.

Für Rhön-Chef Kaltenbach kommt die Einigung keinen Tag zu früh. In zehn, vielleicht schon fünf Jahren werde das deutsche Gesundheitssystem aufgrund einer rapide alternden Bevölkerung anders aussehen als heute, prophezeite er. Als Beispiel nannte er, dass in wenigen Jahren 20 bis 30 Prozent der Landärzte in den Ruhestand gehen werden. Für die meisten von ihnen fehle aber ein Nachfolger. Er sei dennoch sicher, dass der große Umbruch, vor dem das deutsche Gesundheitswesen jetzt stehe, gelingen werde.

Werner Seegers betonte noch einmal, was für ein »unendlicher Fortschritt« die Einigung über die Investitionsmittel sei. Und auch der Vorsitzende des Marburger Bundes Hessen, Dr. Christian Schwark, lobte das »Zukunftspapier«. Gleichwohl müsse die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Ärzte am UKGM der nächste Schritt sein, denn gerade sie bildeten ja das Rückgrat bei der Patientenversorgung, der Ausbildung der Medizinstudierenden und bei der medizinischen Forschung.

Harte Kritik gab es derweil von der Linken im Landtag. Die Geschichte des UKGM bleibe seit der Privatisierung ein Trauerspiel. Der Einfluss des Landes habe sich trotz Millioneninvestitionen nicht um ein Prozent erhöht. Damit werde der Zustand der Privatisierung über die Laufzeit von zehn Jahren zementiert.

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