Abend weckt Neugier auf mehr

Erstmals trat Tess Wiley mit einem Jazz-Quartett im Gießener Ulenspiegel auf. Das Publikum war begeistert von originellen Covers, Standards und eigenen Stücken.
Gießen . Zwischen den Jahren gab es was Neues im Ulenspiegel: zum ersten Mal trat dort das Tess-Wiley-Jazz-Quartett auf. In ungewohnter Besetzung musizierte die Gießener Singer-Songwriterin am Donnerstag in der renommierten Musikkneipe. Die ungewohnte Mischung aus bewährten eigenen Titeln, Covers und Jazzstandards gefiel den Zuhörern im sehr gut besuchten Saal ausgezeichnet: eine höchst angenehme Abwechslung.
Die sehr gut aufgelegte Künstlerin wurde begleitet von Helmut Fischer, Keyboards und Akkordeon, Nicole Padilla am Bass und Johannes Langenbach am Schlagzeug. Fischer und Wiley spielten erstmals zusammen, vor allem aber die Quartettbesetzung war die Neuerung. Die aufgeschlossene Musikerin ist ansonsten am besten bekannt aus ihren Duo-Projekten und Alben mit Harfenistin Cordula Poos.
»Ich wollte immer schon mit Helmut Fischer spielen, mit Johannes hab ich schon ein paar Mal gespielt, und da ergab sich die Gelegenheit, zwischen den Jahren ein kleines Konzert zu geben. Die sind alle unglaublich.« Vor einer Woche war das Quartett bei einem Benefizkonzert in der Licher Synagoge aufgetreten.
Los ging es mit ihrem »How much I love you«, ein Titel, den sie ihrem Sohn gewidmet hat. Mit süffiger Rhodes-Begleitung kam das intensiv, ja so leidenschaftlich mit einem schönen langsamen Groove rüber, dass man sich auch einen anderen Adressaten vorstellen konnte. Bei »Tenderness and love« zeigte sich in einem sanften Titel ein fast fragiler Gesang, man merkte auf.
Wiley nutzte die Gelegenheit, auch andere Seiten ihrer musikalischen Persönlichkeit zu zeigen, etwa eine schöne erzählerische Stimmungslage (»Long road«). Aber eigentlich wollte sie in dieser Besetzung auch »was Schräges« machen, also reinen Jazz vor allem singen.
Da kam der Klassiker »Don’t get around much anymore« gerade richtig. Wiley sang emotional, geradezu mit intimer Stimmlage - das war man aus ihren Konzerten nicht gewohnt. Fischer bewährte sich erneut mit gepflegten konstruktiven Beiträgen, sodass man ein ganz neues Tess-Wiley-Erlebnis hörte und spürte. Zuweilen setzte er auf dem Akkordeon andere, französisch klingende Akzente.
Padilla und Langenbach erfreuten mit größter zurückhaltender Kompetenz, sodass dem Zuhörer ein fast kammermusikalisches Konzert präsentiert wurde, was auch sehr gut gefiel, der Beifall kam umgehend kräftig und immer länger: das Publikum war anscheinend genau in der richtigen Stimmung für dieses Quartett. Astrud Gilbertos »How insensitve« schwang im eleganten Bossa-Nova-Rhythmus, schön sanft gesungen, inzwischen stimmte wirklich alles. Wiley sang auch einige Titel ohne Gitarre. Sie brauchte in dieser Besetzung nicht als Alleinunterhalterin alles zu erledigen, besonders die Keyboards unterstützen sie, auch Bass und Schlagzeug, trugen sie mit kleinen solistischen Elementen spürbar.
Der erste Höhepunkt des Abends war der »Messed-up everywhere blues«. Der sanfte, fast fragil musizierte Titel erlangte kraftvolle Intensität. Fischer träufelte etwas Rhodes-Sound hinein, Wiley sang sehr schön, konzentriert abgemessen. Langenbach fügte eine ganz sensible Perkussion hinzu, nur Shaker und Hand, leise und intensiv.
Noch besser gelang »Good what we got«. »Da sind ein paar U-Lahs drin, das sollte man mal gesungen haben,« lud Wiley die Zuhörer gut gelaunt zum Mitsingen ein - was dann auch geschah. Eigentlich kein besonderer Titel, aber die perfekte Routine der Darbietung und der satte Groove, ging sofort in die Beine. Das Quartett hatte das Standard-Songformat intensiv zum Glänzen gebracht. Riesenbeifall, weil alles stimmte - auch für die aparte Fassung von Grönemeyers »Mensch«, als bluesige Ballade arrangiert von Frank Warnke.
Ein toller Abend, der neugierig macht, was Wiley und ihr Quartett weiter anstellen.