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Abenteuer im Berlin der 1930er und in einem gallischen Dorf

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Von: Andreas Eikenroth

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Diese beiden Herren (und ihr Hund) kommen einem irgendwie bekannt vor: der neue Band »Beim Teutates!« von Lewis Trondheim. Repro: Reprodukt © Red

Während »Tim & Struppi«, die Comicschöpfung des Belgiers Hergé, bis heute sakrosankt ist und seine Erben jeden verklagen, der auch nur ansatzweise damit kokettiert, der Figur neues Leben einzuhauchen, wird bei anderen Klassikern mittlerweile durchaus auch experimentiert und weiterenwickelt. Aktuell durfte sich etwa der deutsche Comiczeichner Flix dem »Marsupilami«, jenem Fantasiewesen des 1997 verstorbenen Franquin, ein neues Abenteuer gönnen.

Dass diese Geschichte ein Erfolg wird, stand eigentlich schon im Vorfeld fest, denn Flix konnte schon vor einigen Jahren als erster deutscher Zeichner mit einer Adaption von »Spirou und Fantasio« zeigen, dass er mit den franko-belgischen Meistern mithalten kann. Nun erlebt das palumbische Haustier des Hotelpagen also ein eigenes Abenteuer. Flix verlässt aber den »Spirou«-Kosmos und entwickelt eine gänzlich neue Geschichte um die Herkunft des außergewöhnlichen Dschungeltieres. Statt Spirou wird hier einem bekannten deutschen Forscher die Ehre zuteil, das Tier entdeckt zu haben. Auch wenn Alexander von Humboldt in diesem Comic nicht gerade sympathisch erscheint, sondern eher ein ungehobelter Indiana-Jones-Verschnitt ist, so hat er das Tier auf seiner berühmten Südamerika-Expedition eingefangen und nach Deutschland verschifft, um es ausstopfen zu lassen.

Doch das ist nur der Anfang einer ganz anderen Geschichte, denn diese spielt im Berliner Prekariatsmilieu der 1930er. Der Hauswart gebärdet sich wie ein Blockwart, die Nazis kriechen aus ihren Löchern und die kleine Mimmi entdeckt im Museumsfundus das schwarz-gelbe Dschungeltier. Das wurde seinerzeit zum Glück doch nicht ausgestopft und erwacht nun aus seinem Tiefschlaf, ist quicklebendig und sofort bereit, mit der Göre Abenteuer zu bestehen.

Flix lässt dabei das Kolorit der Weimarer Republik fast wie bei Erich Kästner auferstehen und dessen von Walter Trier gezeichnetes Cover von »Emil und die Detektive« erfährt im Band auch eine Reminiszenz. Die Geschichte tobt über die Märkte und durch Bars, Polizei und böse Forscher jagen die beiden über Hinterhöfe. Und die Story entfaltet eine wunderbare Atmosphäre, die absolut zu dem passt, was früher hinten auf den »Tim & Struppi«-Alben stand: »Für junge Leser von acht bis achtzig.«

Einen eher parodistischen Ansatz bietet eine andere Klassiker-Hommage. Der Franzose Lewis Trondheim hat in seinem Band »Beim Teutates!« den berühmten Gallier Asterix in den Kosmos seiner »Herr Hase«-Geschichten eingebunden. In dieser Serie erlebt der titelgebende Herr Hase seine haarsträubenden, mitunter auch philosophischen, schrägen und auf jeden Fall lustigen Abenteuer in den verschiedensten Genres, wozu auch der lockere, anarchische Strich Trondheims passt.

Mal muss Herr Hase sich im Wilden Westen behaupten, mal auf der Skipiste oder im Paris der Gegenwart, mal im Umfeld von »Spirou & Fantasio«, und nun eben in jenem Dorf, das von den Römern umzingelt wird. Dort im Wald erwacht Herr Hase und weiß erst einmal überhaupt nicht, wie er an diesen Ort kam. Zumal ihn alle Protagonisten des Dorfes, von Obelix bis Majestix, mit dem kleinen Gallier zu verwechseln scheinen - trotz seiner langen Ohren.

Zudem tritt bald auch noch der in den anderen Abenteuern oft angerufene Teutates leibhaftig auf und die Wirkung des Zaubertrankes zeigt sich dramatisch in realistischer Weise. Das heißt, die Römer fliegen nicht in weitem Bogen in die Luft, während ihre Sandalen am Boden zurückbleiben, sondern es fließen Blut und Innereien, wenn die Trankgestählten zuhauen.

Dafür hat Trondheim einen Plot gedengelt, bei dem es um eine Maschine geht, mit der man in Bücher reisen kann und sich per Ohrfeigen die »Quantenionen« synchronisiert. Klingt durchaus irre, passt aber zu dem schrägen Humor. Dabei ist die gesamte Story trotz alledem eine liebevolle Hommage, die aus den Alben von Goscinny und Uderzo bekannten Running Gags tauchen allenthalben auf und werden liebevoll durch den Kakao gezogen, ob nun Majestix von seinen depperten Trägern vom Schild gehievt wird oder die Piraten mal wieder versenkt werden. Es ist ein Comic, an dem sowohl Fans von Asterix wie von »Herr Hase« garantiert ihren Spaß haben werden.

Flix: Das Humboldt-Tier - Ein Marsupilami-Abenteuer. 72 Seiten. 16 Euro. Carlsen.

Lewis Trondheim: Beim Teutates! 48 Seiten. 13 Euro. Reprodukt.

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