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Aktivisten kleben sich erneut fest

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Von: Rüdiger Schäfer

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Drei der vier Personen kleben sich fest, die Polizei setzt Oliven- und Sonnenblumenöl ein und befreit die festgeklebten Hände mit Holzspateln vom Fahrbahngrund. Foto: Schäfer © Schäfer

Ein Quartett der »Letzten Generation« hat sich zum zweiten Mal in einer Woche Gießen als Schauplatz ausgesucht. Diesmal sollte die Grünberger Straße blockiert werden.

Gießen . Zwei Tage, nachdem sich Aktivisten auf der Adenauer-Brücke festgeklebt hatten, pappte sich am Donnerstagmorgen erneut ein Quartett der »Letzten Generation« mit Sekundenkleber auf eine Hauptverkehrsstraße. Um 8.35 Uhr setzten sich die drei Männer und eine Frau - allesamt nicht aus Hessen, zwei von ihnen bereits am Dienstag dabei - vor dem Dörmann-Hochhaus auf die stadteinwärts führenden Fahrspuren.

Einfach umfahren

Da jedoch die Autofahrer - und selbst ein Stadtbus - aus der Moltkestraße und von stadtauswärts die Blockade umfuhren und ihre Fahrzeuge verkehrswidrig über die Gegenfahrbahn in Richtung Berliner Platz lenkten, brach nach wenigen Augenblicken das Quartett - noch vor dem Ankleben - seine Aktion ab und eilte hurtig auf die andere Seite der Kreuzung vor das Alloheim. Gerade dort angekommen, näherte sich bereits mit Blaulicht ein Polizeifahrzeug. Polizeipressesprecher Guido Rehr berichtet: »Uns hatte ein Verkehrsteilnehmer über Notruf alarmiert.«

Doch bis die Einsatzkräfte ausgestiegen waren, hatten sich drei von ihnen, allesamt Männer, bereits angeklebt. Die Frau unterließ dies. Von der Polizei wurde der stadteinwärts fließende Verkehr umgehend ab der Wolfstraße umgeleitet. Der Stadtbus der Linie 1 ließ seine Passagiere aussteigen. Kommentarlos liefen diese an den Aktivisten vorbei. Einer hob den Daumen und lobte die Aktion. Außer einem Mitarbeiter eines ambulanten Services, der seinen Unmut äußerte, waren ansonsten keine lautstarken Kommentare zu vernehmen.

Für Leo (24), Mathematikstudent aus Heidelberg, geht es »nicht darum, Leute zu ärgern und möglichst viel Stau hervorzurufen.« Zur Strafbarkeit der Aktion: »Die Menschen wissen, dass es Konsequenzen macht. Trotz der momentan sehr hohen Strafen tun sie es.« Warum zum zweiten Mal in Gießen? »Um Connections zu der hiesigen Aktionsszene zu knüpfen.« Er persönlich finde das »total traurig, dass das vonnöten ist.« Daniel (22) aus Karlsruhe ist aus Überzeugung Aktivist in »Vollzeit«. Er habe sein Studium abgebrochen. »Ich will keine Zeit verschwenden, mache was gegen die Zerstörung der Umwelt.« Er möchte »aktiv sein« gegen die Störung unserer Lebensgrundlage. »Wir merken die Klimakrise schon überall. Wenn wir jetzt nicht radikal sind, wird sich nichts tun.« Ihm täten die von der Blockade Betroffenen »schon leid.« Er sehe das »leider als notwendig« an.

»Alle Möglichkeiten sind bisher ausgeschöpft worden.« Es ginge mit den nunmehr praktizierten Aktionen ausschließlich darum, das Thema Klimawandel und Klimakatastrophe weiterhin in die Medien zu bringen. Die derzeitigen Aktionen könne niemand ignorieren. Micha (34) aus Stuttgart ist ausgebildeter Kaufmann, studiert jetzt, weil »das Umfeld die nahe Klimakatastrophe ignoriert. An der Uni ist das nicht so.« Er verwies auf eine »2021 getätigte Aussage von Sir Douglas King, der die britische Regierung wissenschaftlich beraten hat«. Die nächsten drei, vier Jahre würden über die Zukunft der Menschheit entscheiden. »Im Grunde folgen wir nur diesem Ruf. Wir können nicht noch fünf Jahre warten, bis die Katastrophe eintritt.«

Wie ist das mit der Kälte bei den derzeit herrschenden sehr niedrigen Temperaturen? »Ja, es ist so richtig kalt. Die Hand spüre ich nicht mehr. Das letzte Mal hat das Ablösen der Hand durch die Polizei 15 Minuten gedauert. Das sind dann 15 Minuten lang starke Schmerzen.« Doch ohne Schmerzen und Einschränkungen werde der Klimawandel nicht gelingen.

Mit an die 20 Personen waren die Polizeikräfte - einschließlich Wach- und Ordnungspolizei - mit einem Dutzend Fahrzeugen vor Ort. Nach eineinhalb Stunden waren die Festgeklebten mit in Spritzen aufgezogenem Oliven- und Sonnenblumenöl und Holzspateln vom Fahrbahngrund befreit.

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