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Alpenverein im Aufwind

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Den Dank und Ehrenurkunden für ihre Vereinstreue nahmen diese Mitglieder des Alpenvereins entgegen. Schon seit 50 Jahren dabei ist Franz Georg Immerschitt (hinten, links). © gt

Die Kletterhalle an der Rödgener Straße in GIeßen ist immer besser ausgelastet, die Mitgliederzahl steigt weiter - alles gut beim Alpenverein in Gießen. Kleiner Wehmutstropfen: Investitionen stehen an.

Gießen (gt). Der Gießener Alpenverein sieht sich weiter im Aufwind: Die Kletter- und Boulderhalle floriert und erlaubt, den Millionenkredit für ihren Bau stetig abzustottern. Die Mitgliederzahl steigt rasant, das Vereinsklima ist bestens - dies erfuhren die Mitglieder bei der kürzlich abgehaltenen Jahreshauptversammlung. Etwas Kummer bereite derzeit nur die Gießener Hütte im fernen Kärnten, in die in den kommenden Jahren kräftig investiert werden muss.

Vor fünf Jahren sah es düster aus um die Sektion Gießen-Oberhessen im Deutschen Alpenverein: Die neu errichtete, aber kaum bekannte Kletterhalle wurde wenig frequentiert, der ausgedünnte Vorstand agierte autoritär, die Mitglieder liefen scharenweise davon, der Verein stand vor der Insolvenz. Doch seit einer denkwürdigen Mitgliederversammlung im Oktober 2017, als der umstrittene Vorsitzende abgewählt und ein neues Führungsgremium eingesetzt wurde, geht es kontinuierlich bergauf.

2900 Mitglieder

Das zeigt schon die aktuelle Vereinsgröße: Nach dem Tief mit gut 2000 Mitgliedern stieg die Zahl rapide an. Momentan sind es 2900 Mitglieder, die Zahl von 3200 Ende 2013 rückt wieder näher. Die gute Entwicklung dokumentierten auch die Jahresberichte des Vorsitzenden Dr. Ulrich Schlör, der amtierenden Betriebsleiterin Simone Paukstat (Amtsinhaberin Salome Ryll ist kürzlich Mutter geworden) und von Schatzmeisterin Gabi Nicolai bei der zweistündigen Hauptversammlung im großen Seminarraum des Vereinssitzes an der Rödgener Straße.

Dabei hatte 2021 gar nicht gut begonnen. Das DAV Kletter- und Boulderzentrum musste coronabedingt bis Mitte Mai geschlossen bleiben. Aushilfskräfte mussten entlassen und Kosten eingespart werden. Wanderungen und andere Outdoor-Aktivitäten konnten ebenfalls nicht angeboten werden. Danach aber lief es wieder rund, die regelmäßigen Wandertouren an jedem Mittwoch und jedem zweiten Sonntag sind fast schon überbesetzt.

Die Auslastung der Kletterhalle stieg, auch dank neuer Kursangebote und der Vermietung der Seminarräume, stetig weiter an. Das Hallendarlehen konnte um 57 500 Euro reduziert werden, auch dank staatlicher Überbrückungshilfen. Das Jahresergebnis nach Abschreibungen lag bei einem Minus von nur noch 10 000 Euro, nach 69 000 Euro im Jahr zuvor.

Mehr als Gießens wohl attraktivste Sportstätte beschäftigte im Vorjahr die Gießener Hütte den Vorstand und das fünfköpfige Hüttenwartteam. Dessen Sprecher Werner Müller erinnerte an die äußerst langwierigen Verhandlungen, die erforderlich waren, um die Erlaubnis zum Befahren der privaten Zufahrtsstraße bis zum Parkplatz unterhalb de Hütte für die Monate Juli bis September zu sichern. Denn die Grundstückseigentümer hätten seit jeher am liebsten überhaupt keinen Tourismus auf ihrem Besitz. Die Zustimmung der Eigner ist nun vorerst vertraglich gesichert. Zudem wurden die schweren Winterschäden an der Straße aus den Vorjahren vom Betreiber des Gößkarspeichers, der Verbund AG, mit beträchtlichem Aufwand behoben.

In die Hütte selbst wird die Sektion ab 2023 investieren müssen, über die alljährlichen Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten hinaus. Die Geduld des Landes Kärnten sei erschöpft, es müsse endlich eine eigene Kläranlage her. Kosten: mindestens 200 000 Euro.

Gießener Hütte

Notwendig wird auch eine neue Stromversorgung, voraussichtlich über eine Fotovoltaikanlage auf dem Hüttendach. Denn das eigene Wasserkraftwerk reicht im Herbst nicht mehr aus, weil es mit immer weniger Schmelzwasser vom Gletscher der Hochalmspitze gespeist wird. Zudem fehlen ein Notausgang und eine zentrale Brandmeldeanlage sowie echte Personalzimmer.

Klimaschutz

Die finanzielle Belastung der Sektion wird sich aber in Grenzen halten, weil der Hauptverein solche Investitionen kräftig fördert und weil einiges durch Eigenleistungen einer großen Schar ehrenamtlicher Helfer aufgefangen werden kann.

Stolz ist die Sektion darauf, dass sie sich als bislang einziger heimischer Sportverein den Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben hat. Eine sechsköpfige Arbeitsgruppe unter Federführung von Vortandsmitglied Klaus Ehgart hat sich die Umsetzung der Vorgabe des Dachverbands zum Ziel gesetzt, bis 2030 klimaneutral zu werden. Dafür wird momentan der ökologische Fußabdruck der Sektion erfasst. »Vermeiden vor Reduzieren vor Kompensieren« lautet die Methodik zur Verringerung des CO2-Ausstosses.

Bei den turnusmäßigen Neuwahlen zum Vorstand wurden Klaus Ehgart und Beisitzer Joachim Sayn für drei Jahre bestätigt. Neu in den Vorstand rückten Thorsten Ludwig als Vertreter der Sektionsjugend und seine Vertreterin Ellen Beck auf. Der bisherige Jugendreferent Dr. Bastian Bernhardt hat sich berufsbedingt aus Gießen verabschiedet.

52 langjährige Mitglieder waren zur Hauptversammlung eingeladen worden. Acht nahmen ihre Ehrung persönlich entgegen, darunter Franz Georg Immerschitt. Der Hüttenberger hält schon seit 50 Jahren dem Alpenverein die Treue. Seit 40 Jahren dabei sind Doris Bepler, Roswitha Joerg und Dr. Dieter Stöhr. Urkunden für 25-jährige Zugehörigkeit bekamen Jörg Hofmann, Jochen Eike Schiek, Hans-Jürgen Schremmer und Markus Schupp.

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