An Maskenpflicht festhalten

JLU Gießen und TH Mittelhessen reagieren auf eine aktuelle Entscheidung des Gießener Verwaltungsgerichts, die einen Marburger Studenten von der Pflicht zum Masketragen befreit.
Gießen/Marburg . Nach Corona-bedingt mehreren digitalen Semestern und Studieren vom Sofa aus können seit dem Sommer-Vorlesungsstart die Hörsäle und Seminarräume an Justus-Liebig-Universität (JLU) und Technischer Hochschule Mittelhessen (THM) wieder voll ausgelastet werden. Aufgrund der engen Abstände gilt jedoch auch beim Sitzen weiterhin eine Maskenpflicht. Das ist an der Marburger Philipps-Universität im Lehrbetrieb nicht anders. Ein dortiger Student hat nun vor dem Verwaltungsgericht Gießen beantragt, von der Pflicht zum Tragen einer Maske befreit zu werden - dem ist im Eilverfahren entsprochen worden. Die Dritte Kammer des Gerichts erklärte die Maskenpflicht in der jetzigen Marburger Form für rechtswidrig und setzte diese für ihn aus, allerdings nur für ihn allein. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, die Beteiligten können dagegen binnen zwei Wochen Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof in Kassel einlegen. Auch an THM und JLU hat man diesen Fall aufmerksam verfolgt, wie Nachfragen des Anzeigers belegen.
«Präsenzbetrieb aufrechterhalten«
»Die THM hält die Maskenpflicht - insbesondere in vollen Hörsälen - nach wie vor für sinnvoll. Denn wir sehen in dieser Praxis des Infektionsschutzes eine Möglichkeit, den so wichtigen Präsenzbetrieb in der Lehre, auf den wir lange verzichten mussten, aufrechtzuerhalten«, äußert sich Prof. Matthias Willems. Falls die aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichts allerdings weiterhin Bestand habe, »müssen wir verstärkt mit Ausfällen von Lehrveranstaltungen aufgrund von Quarantänemaßnahmen rechnen«, meint der Präsident der Technischen Hochschule.
Die Uni Gießen macht darauf aufmerksam, »dass der Beschluss zunächst nur die Universität Marburg beziehungsweise den Antragsteller betrifft und keine direkten Auswirkungen auf die JLU hat. Wir werden den Beschlusstext natürlich sehr genau prüfen«, teilt Pressesprecherin Lisa Dittrich mit.
Ist der Wunsch, von der Maskenpflicht befreit zu werden, auch schon von Studierenden und Mitarbeitenden an die Leitungen der beiden Gießener Hochschulen herangetragen worden? Laut der JLU-Sprecherin habe das Präsidium »bislang nur eine einzige Bitte um die Aufhebung der Maskenpflicht erreicht«. Ein ähnliches Bild an der THM: »Forderungen nach Aufhebung gibt es nur vereinzelt«, lässt Willems wissen. Stattdessen habe man »viel Zustimmung für unsere Verordnung der Maskenpflicht bekommen und erhalten immer noch positive«. Sollte es jedoch aufgrund der Rechtslage »künftig nicht statthaft sein, die Maskenpflicht in unseren Hochschulgebäuden anzuordnen, wird die THM eine dringende Empfehlung zum Tragen des Mund-Nasen-Schutzes aussprechen«, hat der Präsident bereits einen Alternativplan in der Schublade.
Ausnahme mit ärztlichem Attest
Ausnahmegenehmigungen, seine Maske nicht tragen zu müssen, existieren allerdings auch jetzt schon an beiden Hochschulen. So ist an der JLU laut der Homepage »durch ein ärztliches Attest nachzuweisen«, dass »das Tragen einer medizinischen Maske aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen nicht möglich ist.«. Bei Willems klingt das ähnlich: »Wenn medizinische Gründe nachgewiesen wurden, genehmigen wir den Verzicht aufs Tragen der Maske. Aber diese Fälle sind selten.«
In seiner Entscheidung zugunsten des Marburger Studenten moniert das Verwaltungsgericht Gießen eine von der Philipps-Universität für ihre Corona-Allgemeinverfügung als Ermächtigungsgrundlage herangezogene Norm aus dem Siebten Sozialgesetzbuch, hier insbesondere Paragraf 15. Diese betreffe zwar Vorschriften über Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren, berechtige die Uni Marburg aber nicht zur Regelung einer Maskenpflicht gegenüber ihren Studenten. Dieses Berechtigung gebührt vielmehr dem Unfallversicherungsträger, was im Verhältnis zu den Studierenden die Unfallkasse Hessen sei, heißt es in der Begründung.
Auch die derzeit geltenden infektionsschutzrechtlichen Normen des Bundes und des Landes würden keine entsprechende Ermächtigungsgrundlage enthalten, führt das Gericht weiter aus. Darin sei die Maskenpflicht auf ausgewählte Bereiche beschränkt, so etwa auf Arztpraxen, Krankenhäuser, Pflegeheime oder auch Fahrzeuge des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV).
Ob die in der Marburger Allgemeinverfügung vom 12. April angeordnete Maskenpflicht inhaltlich auf das Hausrecht des Unipräsidenten gestützt werden kann, wurde dagegen von der Dritten Kammer offengelassen. Denn im vorliegenden Fall könne ein derartiger Wechsel der Ermächtigungsgrundlage nicht vorgenommen werden, weil dies zu einer Wesensänderung der Allgemeinverfügung führen würde, so das Gericht.