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Angst vor der Insolvenz

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Von: Petra A. Zielinski

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Leckerer Gänsebraten mit Rot- und Rosenkohl als Beilage steht jetzt in vielen Gaststätten auf der Speisekarte. Doch wegen der steigenden Energiepreise machen sich Gastronomen Sorgen um die Zukunft und kündigen an, dass Essen und Getränke teurer werden. Foto: Hundertmark © Hundertmark

Auch Gießener Gastronomen und Hoteliers leiden unter steigenden Energiekosten und Preissteigerungen durch Inflation. Wenn es im Januar ruhig wird, befürchtet mancher die Insolvenz.

Gießen. Explodierende Energiekosten, Preissteigerungen durch Inflation, Mindestlohn - laut einer Umfrage des Hessischen Hotel- und Gaststättenverbandes (DeHoGa) sieht sich jeder zweite Betrieb in seiner Existenz bedroht. In der repräsentativen Befragung von 500 Gastronomen und Hoteliers gab bereits im September jeder dritte an, künftig mindestens 50 Prozent mehr an seinen Gasversorger zahlen zu müssen. Schon im August haben sich die Energiekosten für viele Betriebe um 20 bis 30 Prozent erhöht. Dadurch kommen auch auf Hotel- und Restaurantgäste schrittweise höhere Kosten zu. Nach Auskunft von Julius Wagner, Hauptgeschäftsführer des DeHoGa, können die höheren Ausgaben nicht 1:1 weitergegeben werden, denn schließlich sind auch die Gäste selbst von den steigenden Energiekosten betroffen. Wie ist die Lage in heimischen Gaststätten und Hotels? Der Anzeiger hat nachgefragt.

»Wir müssen schauen, was kommt«, sagt die Geschäftsführerin von »Heyligenstaedt«, Bettina Leidner. Bei einer Erhöhung der Energiekosten ließe es sich nicht vermeiden, diese auf die Gäste umzulegen, schließlich müsse man weiterhin kostendeckend arbeiten. »Aktuell sind die Kosten für Lebensmittel enorm gestiegen«, betont sie. Die Erhöhungen lägen zum Teil bei bis zu 50 Prozent. »Cola konnten wir wochenlang gar nicht anbieten, da der Hersteller aufgrund von Kohlensäuremangel nicht produzieren konnte.«

Ausschließlich auf Nachfrage

Gans wird in diesem Jahr nicht auf der Speisekarte des »Heyligenstaedt« stehen, sondern ausschließlich auf Nachfrage erhältlich sein. »Wir haben bis dato immer Bio-Gänse serviert, die aber wegen der hohen Kosten für Futtermittel und der Geflügelpest enorm teuer geworden sind.« Stand heute ist das Restaurant in der Vorweihnachtszeit und an den Feiertagen gut ausgebucht. Angeboten werden feste Menüs sowie an Silvester anlässlich des zehnjährigen Bestehens ein spezielles Zehn-Gänge-Menü.

Um Energie zu sparen, wurden nicht nur überall LED-Leuchten angebracht, sondern auch die Räume für Personal sowie das Lager mit Bewegungsmeldern ausgestattet. Die Dusch- und Wasserhähne der Hotelzimmer sollen nach und nach mit Wasserstoppern versehen werden. Noch sei die Lage entspannt, erklärt Bettina Leidner. »Schlimmer als während der Pandemie kann es nicht werden.«

»Eine Preiserhöhung folgt der anderen«, bedauert Frank Haas, Mitinhaber des »Schlosskellers«. Und ein Ende sei noch nicht in Sicht. Aufgrund der Inflation habe man die Preise bei Speisen und Getränken um etwa zehn Prozent erhöhen müssen. Gänse würden wie immer nur portionsweise angeboten, das spare Zeit und Energie.

»Wichtig ist, dass die Gäste bei ihrer Reservierung angeben, ob sie Gans essen wollen«, erklärt Haas. Ansonsten könnte zwischen einem Fleisch-, einem Fisch-, einem Wild- oder einem vegetarischen Gericht gewählt werden. Bereits vor der Corona-Pandemie hätten die Gäste an den Weihnachtsfeiertagen sowie jetzt auch an Silvester bei Reservierung pro Person eine Anzahlung von 20 Euro leisten müssen. »Damit wollen wir kurzfristigen Stornierungen vorbauen«, unterstreicht der Gastronom. Wer kurzfristig absagen muss, bekommt die Anzahlung nicht zurück.

Finanzielle Reserven reduziert

Frank Haas befürchtet, dass sich die Energiekosten verdoppeln werden. »Und das, wo die finanziellen Reserven durch die Pandemie schon drastisch reduziert worden sind.« Im Dezember sieht er noch keine Probleme, »aber was im Januar kommt, bleibt noch abzuwarten. Sollte es dann ruhig werden, ist die Insolvenz nicht mehr weit weg«, bedauert er.

Hinzu kommen im Falle des »Schlosskellers« noch ganz andere Sorgen: »Durch die Änderung der Straßenführung am Brandplatz ist es nicht mehr möglich, bei uns vor der Tür zu parken. Das wirkt sich negativ auf unseren Mittagstisch aus. Gäste, die früher mal schnell in der Mittagspause vorbeigeschaut haben, blieben leider aus. Die weiteren Umbaupläne machen die Situation nicht leichter.«

»Noch ist unser alter Vertrag gültig«, erklärt Monika Heine, Inhaberin des »Alten Eishauses«. »Wenn dies nicht mehr der Fall ist, müssen wir neu überlegen.« Da das Restaurant überwiegend von Hotelgästen lebe, laufe das Geschäft weiterhin sehr gut. Über Weihnachten und Silvester hat das »Alte Eishaus« traditionsgemäß geschlossen. »In der Vorweihnachtszeit sind Gänse zwar auf Anfrage erhältlich, stehen aber nicht auf der Karte. Wir richten uns hier nach dem Angebot unserer Lieferanten«, sagt Monika Heine.

»Während der Corona-Pandemie haben wir eine gute Unterstützung vom Staat erhalten und sind gut durchgekommen. Wie es nun weitergeht, wird sich im ersten oder zweiten Quartal des nächsten Jahres entscheiden.« Das gesamte Haus sei mittlerweile auf LED-Beleuchtung umgestellt, auf das Angebot für eine neue Heizung warte man bereits seit über sechs Wochen.

»Alles ist teurer geworden«, bedauert Giancarlo Biscardi, Geschäftsführer des »Gianoli«. Seit Mai seien die Lebensmittelpreise um mehr als 20 Prozent gestiegen. »Aus diesem Grund mussten wir auch die Preise für Speisen und Getränke erhöhen.« Dass weniger Gäste kämen, sei eine schleichende Entwicklung gewesen. Während der Weihnachtsfeiertage hat das »Gianoli« geschlossen, in der Vorweihnachtszeit werden saisonale Gerichte angeboten.

Dass das Ausgehverhalten verhaltener geworden ist, hat auch Torsten Ströher, Inhaber des »Apfelbaums«, beobachtet. »Die Gäste warten ab, weil sie Angst vor weiteren finanziellen Belastungen haben. Unsere Vorauszahlung für Energie wurde um etwa 50 Prozent erhöht«, berichtet er. Zum Glück habe man bereits während Corona »Energiefresser dort ausgetauscht, wo es möglich war.« So seien Energiesparbirnen eingesetzt und Heizkörper mit Zeitschalter ausgestattet worden. Bis Ende des Jahres plant Torsten Ströher, die Preise stabil zu halten. »Danach wird das nicht mehr möglich sein, da auch die Brauereien ihre Preise erhöht haben.«

Sieben statt 19 Prozent belassen

Wenn die Politik nichts unternimmt, droht laut Julius Wagner im kommenden Jahr eine »beispiellose Pleitewelle«. Aus diesem Grund fordert der DeHoGa-Hauptgeschäftsführer, dass die reduzierte Mehrwertsteuer auf Speisen im Restaurant, die zum Jahresende eigentlich auslaufen soll, verlängert wird. »Wenn die Mehrwertsteuer von sieben wieder auf 19 Prozent angehoben wird, wäre das eine Katastrophe.«

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