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Anstoßen auf den neuen König

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Von: Emma Kremer

Zur Krönung von Charles III. herrscht auch bei der Gartenparty der Deutsch-Englischen Gesellschaft Gießen gute Stimmung. Allerdings genießen nicht alle Royals uneingeschränkte Sympathien.

Gießen/Linden . »Cheers to the King«, rufen Mitglieder, Freunde und Bekannte der Deutsch-Englischen Gesellschaft (DEG) Gießen und stoßen gemeinsam auf den gerade gekrönten Charles III. an. Die Sonne scheint, Gin und Tonic stehen bereit, die Stimmung ist typisch britisch ausgelassen. Eingeladen zur feierlichen Gartenparty hatte DEG-Präsident Lawrence de Donges-Amiss-Amiss. Mit vielen fleißigen Helfern war er seit dem Vortag mit den Vorbereitungen beschäftigt. »Egal, wie man zur Krönung steht: Das ist ein historisches Ereignis. Und ich freue mich darauf, wenn die Leute es genießen, wenn sie zusammenkommen«, betont er lachend im Gespräch mit dem Anzeiger.

Die DEG zählt mittlerweile 70 Mitglieder, während der Corona-Pandemie ist die Gruppe sogar gewachsen. Normalerweise treffe man sich zu Konversationsabenden, Partys oder auch Fahrten in Gießens Partnerstadt Winchester. Dieses Event angesichts der weltweit von Millionen Menschen verfolgten Zeremonie sei allerdings etwas ganz Besonderes. Für viele der Gäste ist die Gartenparty mit englischem Buffet auch ein gutes Mittel gegen Heimweh, denn viele von ihnen sind in Großbritannien geboren oder haben dort Familie. Karen, die unter anderem eine »Coronation Quiche« und einen klassischen »Victoria Sponge Cake« beigesteuert hat, verspürt ein wenig Nationalstolz. »Das ist irgendwie so, als würde man in einem Geschichtsbuch leben«, sagt sie. Und fügt hinzu: »Es ist ein Chaos, aber ein happy Chaos.« Die Zukunft mit Charles als König stellt sie sich etwas moderner vor, »aber wie das genau aussieht - keine Ahnung«, gibt Karen zu. Auch Lawrence de Donges-Amiss-Amiss erhofft sich von dem 74-jährigen Monarchen eine fortschrittlichere Regentschaft. »Er ist unwahrscheinlich intelligent und mitfühlend, zudem ein Visionär im Bereich Ökologie«, beschreibt er den neuen König. Nun müsse sich nur noch zeigen, ob er es auch schafft, sich aus der Politik herauszuhalten. Von Camilla, seit Samstag die neue Queen Consort, ist er ebenfalls begeistert: »Sie hat Humor, sie erdet ihn gut, die beiden sind ein hervorragendes Team.«

Was die Frau an der Seite von Charles III. betrifft, gehen die Meinungen auf der Gartenparty - repräsentativ für die englische Gesellschaft - aber weit auseinander. »Ich war nie ein Fan von Diana«, räumt Karen hinter vorgehaltener Hand ein, Camilla sei ihr deshalb immer sympathisch gewesen. Damit vertrete sie indes eine »unpopular opinion«, so die gebürtige Engländerin. Ihr Mann Philipp ist anderer Auffassung, er müsse mit Camilla noch ein wenig »warm werden«. Zu Charles sagt er: »Er kann die Queen nicht ersetzen, aber wenn er jetzt offiziell gekrönt ist, dann bin ich auch ein Fan von ihm.«

»Das ist eine ganz normale Familie«

Jürgen Aha, der Prince Charles sogar schon im Rahmen eines Architektur-Projekts persönlich treffen durfte, erlebte ihn als sehr freundlich und nah an den Menschen. »Er sieht ja ein bisschen arrogant aus, ist das jedoch überhaupt nicht.« Nur die »Hofschranzen«, die ständig um ihn herumgewuselt seien, hätten ihn ein wenig genervt. Von dem obersten Royal verspricht er sich mehr Haltung und Meinung, nicht nur Repräsentation: »Als moderner König in diesen Zeiten hat er auch mehr Freiheiten, sich zu tagesaktuellen Themen zu äußern.« Johannes Brömmel stimmt dem zu. Aufgrund des Brexit war sein geplantes Studium in England nicht möglich, das habe ihn sehr enttäuscht. »Ich würde mir zum Beispiel wünschen, dass es nochmal ein Referendum gibt und dass Charles seinen Mund weiter aufmacht als die Queen.«

Wenn man sich mit dem Brexit auseinandersetze, komme man automatisch irgendwann auf die königliche Familie, weiß auch Wolfgang Gerhardt. »Es ist faszinierend, wie implizit die Royals Botschaften senden«, meint er und verweist auf die von der Queen während der Brexit-Debatte auffällig häufig getragene Farbkombination Blau-Gelb.

Neben dem Brexit ist auch der »Megxit«, der Rücktritt von Prince Harry und seiner Frau Meghan als »Senior Member« der königlichen Familie Thema bei der Krönungsfeier. »Es menschelt« auch in reichen Familien, gibt Wolfgang Gerhardt zu bedenken, aber: »So what?« Andere Stimmen äußern sich deutlich kritischer: »Harry finde ich unterirdisch«, sagt Jürgen Aha, Meghan kann unter den Gästen ebenfalls kaum Sympathiepunkte sammeln. Dass Charles’ jüngster Sohn nun trotz anfänglicher Zweifel der Zeremonie beigewohnt hat, zeige, dass er doch Teil der Familie sein will, freut sich wiederum Karen. Kleinere und größere Krisen würden beweisen: »Das ist eine ganz normale Familie.« Versöhnlich und diplomatisch reagiert Jannis Gisler: »Das ist ein einmaliges Erlebnis, denn die letzte Krönung war vor 70 Jahren.« Jegliche Form von Spalterei sei daher schlicht nicht gewinnbringend.

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