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Antisemitische Schikanen bis zum Schaffensverbot

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Günter Raphael Foto: privat © privat

Der Komponist Günter Raphael wurde vor 120 Jahren geboren. Die Stadt Laubach plant für Ende September eine Gedenkfeier für den ehemaligen Mitbürger.

Laubach (red). Morgen vor 120 Jahren wurde der Komponist Günter Raphael in Berlin geboren. Ab 1926 galt er als einer der hoffnungsvollsten jungen deutschen Komponisten, bevor er von der NS-Diktatur als »Halbjude« geächtet wurde. Mit seiner Familie lebte Raphael von Dezember 1944 bis 1949 in Laubach. Die Stadt Laubach plant deshalb für den 24. September zu seinen Ehren eine Gedenkfeier.

Günter Raphaels Vater war der Kirchenmusiker Georg Raphael, ein protestantisch getaufter Jude. Die nichtjüdische Mutter Maria war Geigerin und unterrichtete ihren Sohn in Klavier und Bratsche. Schon als Schüler begann Raphael zu komponieren. Der berühmte Dirigent Wilhelm Furtwängler führte 1926 in Leipzig Raphaels 1. Sinfonie auf, und dieser erhielt schon mit 23 Jahren eine Anstellung als Lehrer am dortigen kirchenmusikalischen Institut. Dort lernte er die dänische Pianistin Pauline Jessen kennen.

Als Raphael 1934 als Halbjude in Leipzig die Lehrstelle entzogen wurde, zog er nach Meiningen und heiratete dort Pauline. Die antisemitischen Schikanen gingen weiter bis zum völligen Schaffensverbot 1939.

Ab 1942 drohte auch Halbjuden, die mit Arierinnen verheiratet waren, die Deportation ins KZ. Im Herbst 1944 verschlechterte sich Raphaels Gesundheitszustand - er litt seit 1937 an Tuberkulose - lebensbedrohlich. Sein Freund, der Komponist Kurt Hessenberg, alarmierte seinen Schwiegervater, den bedeutenden Frankfurter Internisten Franz Volhard. Dieser veranlasste die Überführung Raphaels. Die Bahnfahrt fand wegen der Tiefflieger-Bombenangriffe unter Lebensgefahr statt. Volhards Gießener Kollege Friedrich Bernhard operierte Raphael im Licher Schloss, wohin die Uniklinik ausgelagert war.

Raphael sollte sich »in besserer Luft« erholen und kam mit seiner Familie im Haus des Arztes Heinrich Philippi im Hain 5 in Laubach unter. Frau Philippi, warmherzig und großzügig, betreute die Töchter der Raphaels, da diese häufig auf Konzertreisen gingen.

Raphael komponierte in dieser Zeit zahlreiche Werke weltlicher und geistlicher Musik. In Laubach gab es in Kirche und Grafenschloss Musikveranstaltungen unter Beteiligung des Ehepaars Raphael.

Die Jahre der Verfolgung hatten den Komponisten weitgehend in Vergessenheit geraten lassen. In der Nachkriegszeit knüpfte er wieder Kontakte zu Musikverlagen. Einige seiner Werke brachten es bald zu internationaler Anerkennung bis in die USA. Unbedingt erwähnenswert ist der beißende Humor des tierfreundlichen Komponisten, hörbar zum Beispiel in seinem 1948 in Laubach komponierten Opus 65 Nr.3, der »Entensonatine«.

1949 zog Raphael nach Duisburg, wo er eine Dozentenstelle am Konservatorium übernahm. Ab 1957 war er Professor an der Musikhochschule Köln. 1953 zog auch die Familie von Laubach weg. Durch mehrere Lungenoperationen war Raphaels Herz geschwächt. Er starb am 19. Oktober 1960. Sein Schicksal ist beispielhaft für viele vom Antisemitismus der Hitler-Diktatur betroffene Künstler.

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