Arabische Gedichte kreisen um verlorene syrische Heimat

Yamen Hussein ist ein Mensch der Wahrheit. Bereits als junger Student kritisierte der 1984 in Homs geborene Dichter und Journalist zahlreiche Missstände in seinem Heimatland Syrien.
Gießen (red). Auf die Bedrohung und Verfolgung von Schriftstellern und Journalisten wollen Studierende der Justus-Liebig-Universität (JLU) aufmerksam machen. Im Jahr 2008 gründeten sie die Initiative »Gefangenes Wort«, die sich längst zu einem Verein weiterentwickelt hat. Um noch intensiver auf Einzelschicksale hinzuweisen, kooperiert der Anzeiger mit dem Verein und stellt monatlich einen Fall vor. Heute berichtet Yamen Hussein. Er ist ein Mensch der Wahrheit. Bereits als junger Student kritisierte der 1984 in Homs geborene Dichter und Journalist zahlreiche Missstände in seinem Heimatland Syrien. 2013 musste er das Land verlassen. Seit 2014 schreibt er im deutschen Exil Gedichte, die unumwunden sein Heimweh und seine - teils auch diskriminierenden Erfahrungen - im Exil zum Ausdruck bringen.
Yamen Hussein ist gerade mal 22 Jahre alt, als er 2006 öffentlich das sektenähnliche System der Universität Homs kritisiert. In der Folge weist er auf zahlreiche weitere Missstände in der syrischen Politik hin, etwa die intransparente Verteilung innerstädtischer Immobilien in Homs sowie die eingeschränkte Pressefreiheit im Land. Letztere bekommt Hussein immer wieder selbst zu spüren: Er wird aufgrund seiner Äußerungen der Universität verwiesen, vom syrischen Geheimdienst verfolgt, erhält zahlreiche Drohungen und wird wiederholt verhaftet. Als leitender Reporter bei »Al Dunia TV« berichtet er 2011 von der Protestbewegung in Homs und Hama und dem sich entwickelnden syrischen Bürgerkrieg. Er reicht jedoch seine Kündigung ein, als der Sender unter Regierungsdruck wiederholt Falschmeldungen über die Bewegung sendet. Bald wird Hussein Gründungsmitglied der friedlichen Protestbewegung »Nabd Bündnis für die Jugend Syriens«. Als er 2013 in einem Artikel die islamistische Gruppe »Jeish Al Islam« angreift, erhält Hussein von mehreren Seiten Morddrohungen und muss aus dem Land fliehen. Zunächst bleibt er acht Monate in der Türkei. Von 2014 bis 2017 lebt er als Stipendiat des Writers-in-Exile Programms des deutschen PEN-Zentrums in München. Mittlerweile wohnt und arbeitet er in Berlin. Im Exil schreibt Hussein in erster Linie Lyrik: Seine auf Arabisch verfassten Gedichte kreisen immer wieder um die verlorene syrische Heimat und seine Familie, die er zurücklassen musste. »Für Kaouthar und Hussein, meine Eltern, / die das Dunkel meines Zimmers in Homs hüten, / während ich fort bin, / die den Stein des Lebens in die Haustür legen, / damit sie nicht zugeschlagen wird vom Wind, / in Hoffnung auf meine Rückkehr, / und wenn sie sich noch hinzieht«, heißt es im Text »Widmung«, der Husseins Gedichtband Nachruf auf die Leere (2021) einleitet. Weitere Gedichte Husseins erschienen 2020 in dem Band Siebzehn Minuten (Übersetzungen von Leila Chammaa, Jessica Siepelmeyer und Suleman Taufiq). Auch Deutschland wird in Husseins Lyrik thematisiert: So stehen Liebeserklärungen auf München und Berlin neben Berichten über hier erlebte Diskriminierung, wie im Gedicht »Tagebuch eines Fremden«: »Jeden Morgen / beäuge ich meine Tasche / genauso wie die anderen es tun, / misstrauische alte Frauen, / Kameras in den U-Bahnhöfen. / Niemand merkt, / nicht einmal ich, / dass das Messer hier zwischen meinen Rippen steckt«. »Ich schreibe Gedichte über alles - nicht nur über Syrien oder die Flüchtlinge«, sagt Hussein in einem Interview mit der Deutschen Welle. »Für mich ist das ein Weg, um Hoffnung zu stiften. Es hilft auch mir selbst, mit meinen Erinnerungen klarzukommen. Poesie gibt uns Kraft, zu lieben und zu lachen, zu fühlen.«
Am 10. März wird Yamen Hussein im Rahmen eines Schreibworkshops der Initiative »Kultur macht stark« nach Gießen kommen und mit Schülern des Landgraf-Ludwigs-Gymnasiums über sein Werk und seine Erfahrungen sprechen.
Von Daniel Schneider
