Arbeiten, wenn andere feiern

Kreativität und Ausdauer sind gefragt im Beruf Koch. Für Markus Leidner ist es sein Traumberuf. Nach verschiedenen Stationen hat er 2012 das Hotel und Restaurant »Heyligenstaedt« in Gießen eröffnet.
Gießen. Obwohl seine Eltern ihm dringend davon abgeraten haben, stand für Markus Leidner nach Abschluss seiner Schulzeit an der Gesamtschule Gießen-Ost fest, dass er Koch werden möchte. »Der Entschluss ist langsam in mir gereift«, erzählt er. Bei seiner Oma Ida im italienischen Conegliano - wo der bekannte Prosecco herkommt - sei immer viel und gerne gekocht worden. »Meine Oma hat Hühner und Kaninchen gezüchtet und diese auch selbst zubereitet«, erinnert er sich.
Leidners Mutter Maria ist bereits als junge Frau allein von Italien nach Deutschland gekommen, um dort zunächst in einer Eisdiele im Seltersweg zu arbeiten. 1976 machte sie sich mit einer eigenen Eisdiele in der Grünberger Straße selbstständig. »Ich bin also schon in frühester Jugend mit der Gastronomie in Berührung gekommen«, erklärt er. »Alle haben mich immer beneidet, da ich jeden Tag Eis essen konnte, aber für mich war das nichts Besonderes.«
Auf Wunsch der Eltern absolvierte er einige Praktika in anderen Berufen, wie beispielsweise im Bereich Elektrotechnik, nur um wieder auf den Koch zurückzukommen. Er stellte seine Eltern vor vollendete Tatsachen, in dem er einen Ausbildungsvertrag im Restaurant Guldner in Gießen unterschrieb. Als das Lokal übernommen wurde und die neuen Besitzer nicht ausbildeten, setzte der Koch seine Lehre im »Anneröder Mühlchen« fort.
Markus Leidner blieb auch nach der Ausbildung der Region treu. Weitere Stationen waren unter anderem das »Tapfere Schneiderlein« in Garbenheim oder das Hotel »Vila Vita« in Marburg. Im Hotel »Tandreas« in Gießen lernte er seine Frau Bettina kennen, die dort als Hotelfachfrau arbeitete. »Zwei Jahre haben wir das Tandreas gepachtet, bevor wir 2012 das Hotel und Restaurant »Heyligenstaedt« eröffnet haben.
Ursprünglich wollten die beiden auf dem Gelände der ehemaligen Werkzeugfabrik nur ein kleines Weinlokal eröffnen. Doch dann lernten sie den Investor kennen und entschieden sich um. Anderthalb Jahre hat der Umbau des denkmalgeschützten Gebäudes schließlich gedauert. »Mein Ziel war es immer schon, mich selbstständig zu machen. Hätte ich das nicht geschafft, wer weiß, ob ich heute noch in der Küche stehen würde.«
Den Sprung in die Selbstständigkeit hat Leidner nie bereut, wünscht sich aber für seinen Sohn dennoch einen anderen Beruf. »In unserem Job muss man arbeiten, wenn andere feiern, abends, am Wochenende und an Feiertagen.« Da müsse die Familie schon mitziehen. Von Vorteil sei, dass seine Frau auch in der Gastronomie arbeitet. »Die Wenigsten bleiben dem Job treu«, weiß er. Schon in der Ausbildung sei die Fluktuation groß. Während die Willy-Brandt-Schule zu seiner Zeit neun Klassen gehabt habe, seien es heute gerade noch drei.
Der Chef de Cuisine rät jungen Menschen dringend dazu, vor der Ausbildung ein längeres Praktikum zu machen. Er selbst stellt alleine schon wegen der Schichtarbeit am liebsten keine unter 18-Jährigen ein. »Koch ist ein Beruf, für den man Ausdauer braucht. Viele Fertigkeiten lernt man dabei erst nach Jahren.« In Leidners Küche arbeiten einige Quereinsteiger. So ist unter den insgesamt fünf Gesellinnen und Gesellen eine ehemalige Kunstpädagogin. Auch ein gelernter Autoverkäufer habe schon in seiner Küche gestanden.
»Gut kochen kann jeder, wenn er das richtige Ausgangsmaterial hat«, betont er. »70 Prozent macht das Produkt aus, 30 Prozent das Handwerk.« Aus diesem Grund kommen bei den Leidners ausschließlich qualitativ hochwertige Produkte auf den Tisch. Fleisch bezieht der Koch überwiegend aus den USA und Australien. »Dort gibt es eine der weltweit besten Tierhaltungen«, betont er. Die Hähnchen hingegen kommen aus einer guten deutschen Aufzucht, das Mehl aus der Busecker Mühle. »Zwar erfährt der Beruf des Kochs aktuell eine höhere Wertschätzung als früher, im Ausland ist der Stellenwert aber immer noch weitaus höher.« So zelebriere man in Italien oder Frankreich das Essen viel mehr.
Zum Glück hätten sich die Arbeitsbedingungen im Vergleich zu früher erheblich verbessert. »Die Küchen sind mittlerweile gut klimatisiert. Damals haben wir bei 50 bis 60 Grad gekocht. Im Heyligenstaedt haben wir eine der modernsten Küchen in ganz Hessen«, unterstreicht Leidner.
Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums des Hotels und Restaurants letzten Silvester wurde rund 80 Gästen ein Zehn-Gänge-Menü kredenzt, was auch für einen Profi wie Markus Leidner eine große Herausforderung darstellte. »Bei uns hilft die ganze Familie mit«, betont er. So backt die Schwiegermutter Kuchen, die Mutter poliert Gläser, die Nichte und deren Freund helfen bei allem, was so anfällt.
Am meisten Spaß macht es dem Koch altbekannte Gerichte neu zu interpretieren. So kredenzt er den Seeteufel als Sauerbraten oder erfindet Snickers als Nachtisch eben mal neu. Besonders stolz ist er auf seinen spanischen »Josper«- Holzkohleofen. »Ich bereite gerne Geschmortes und Fisch zu«, erklärt er. Alle Nudelsorten, von Agnolotti bis hin zu Ravioli, werden ebenso wie der Risotto selbst hergestellt.
Leider werde es immer schwerer Fachpersonal und Auszubildende zu finden, bedauert er. Aktuell sucht er vier Fachkräfte für alle Bereiche der Gastronomie. Zum kommenden Lehrjahr möchte Leidner zwei junge Menschen einstellen, die den Beruf des Kochs lernen wollen. »Was die Kraft anbelangt, so ist unser Beruf mittelschwer«, sagt Leidner. Dennoch sei es nicht so einfach wie zum Teil im Fernsehen dargestellt. »Man muss lange stehen können, braucht Ausdauer, sollte Spaß an der Arbeit haben und Lebensmittel wertschätzen«, fasst er zusammen.
Ganz ungefährlich sei der Beruf auch nicht: »Beim Umgang mit einem Grill, der bis zu 400 Grad heiß werden kann oder scharfen Messern muss man schon achtsam sein.« Für Markus Leidner muss ein Koch nicht unbedingt ein Tier zerlegen können. Schwieriger wird es jedoch, wenn ein Vegetarier ein Fleischgericht nicht probieren kann. »Aber selbst da findet sich immer eine Lösung.«
Mit Gabriel Lukas Celik, der im Sommer seine Ausbildung als Koch im »Heyligenstaedt« beendet, hat er einen guten Mitarbeiter gefunden. Der 24-Jährige hat sein Hobby zum Beruf gemacht. »Ich habe viele Köche in der Familie und selbst immer gerne gekocht«, erzählt er. Sein Studium der Wirtschaftswissenschaften hat er hingegen nach drei Semestern aufgegeben.
Durch eine Anzeige auf Instagram sei er auf das Restaurant aufmerksam geworden und habe sich beworben. »Bereits zwei Tage später habe ich eine Einladung erhalten, der ein Praktikum folgte. Rechtzeitig zur Wiedereröffnung des Restaurants nach der Corona-Pandemie habe er mit seiner Ausbildung begonnen. Am liebsten bereitet Celik Nudeln mit Pesto, Gorgonzola- oder Trüffelsauce zu. »Das Schöne ist, dass man als Koch nie auslernt«, erklärt er. Und auch das positive Feedback der Gäste nach dem Essen gefällt ihm.
Während seiner Ausbildung war der junge Mann zwei Wochen in Paris und durfte die französische Küche studieren. »Fünf Schüler der Willy-Brandt-Schule wurden ausgelost und ich hatte das Glück einer von ihnen zu sein.
Sein Plan ist es nun nach der Übernahme ein Jahr bei »Heyligenstaedt« zu bleiben und danach ins Ausland zu reisen. »Auf einem Schiff zu kochen, könnte ich mir gut vorstellen.« Für Celik sind vor allem Teamfähigkeit und Belastbarkeit Attribute, die jeder Koch mitbringen sollte.
Obwohl aktuell die Preise für Personal, Energie und Lebensmittel steigen, planen Bettina und Markus Leidner eine bauliche Erweiterung ihres Boutique-Hotels. Im Hinterhof sollen neue, größere Zimmer entstehen, um die Gäste nach einer größeren Feier auch beherbergen zu können.
Köche werden überall dringend gesucht. Die Chancen, einen guten Job zu finden, stehen also gut. Die Ausbildung findet in der Regel in Küchen von Restaurants oder Hotels statt, aber auch Krankenhäuser, Kantinen, Catering-Firmen oder Kreuzfahrtschiffe benötigen Auszubildende. In kleineren Küchen ist der Koch für alle Arbeitsschritte alleinverantwortlich - von der Planung über die Zubereitung der einzelnen Bestandteile bis zum Anrichten. In Großküchen werden die Arbeitsbereiche dagegen häufig aufgeteilt. So ist beispielsweise der Saucier für Fleisch, Fisch und Saucen verantwortlich, während sich der Entremetier um Suppen und Beilagen kümmert.
In der Profi-Küche trägt man als Koch in der Regel Kochmützen, die verhindern, dass Haare ins Essen geraten. Dazu kommen Kochhosen und Schürzen. Ein Koch sollte auch unter Zeitdruck arbeiten können und dabei stets die rechtlichen Vorschriften zum Schutz der Verbraucher beachten. Auch im Umgang mit scharfen Messern, heißem Fett und anderen Gefahrenquellen in der Küche ist Umsicht gefragt. Handwerkliches Geschick und Mathekenntnisse sind in diesem Berufsbild ebenfalls unabdingbar.
Obwohl von vielen Gastronomen Blockunterricht gefordert wird, findet der Berufsschulunterricht im Raum Gießen noch wöchentlich statt. Mindestvoraussetzung, die Ausbildung zu beginnen ist ein qualifizierter Hauptschulabschluss. Das Ausbildungsgehalt liegt im ersten Lehrjahr bei etwa 730 Euro, im zweiten bei etwa 790 Euro und im dritten bei etwa 880 Euro.
Die Möglichkeiten, sich nach der Ausbildung weiterzubilden sind vielfältig und reichen vom Chef eines eigenen Restaurants bis hin zum Foodfotografen. Auch ein Studium mit Abschluss Bachelor Gastronomie ist möglich. (paz)