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Auch Ex-OB brilliert bei »Die Lerche«

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Tolle Musik für den guten Zweck: Das Multikulturelle Orchester Gießen erntet auf dem Gießener Hausberg frenetischen Applaus. Foto: Schäfer © Schäfer

Beim gut besuchten Auftritt des Multikulturellen Orchesters Gießen beim Musikalischen Sommer auf dem Schiffenberg war auch die ehemalige Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz teil des Orchesters.

Gießen . Ist sie das? Oder doch nicht? Diese Frage stellten sich viele der Gäste beim gut besuchten Auftritt des Multikulturellen Orchesters Gießen beim Musikalischen Sommer auf dem Schiffenberg. Gemeint war die ehemalige Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz, die mit ihrer Querflöte inmitten des Ensembles Platz genommen hatte.

Ein Herzenswunsch

Zwar sei es ihr im Ruhestand keineswegs zu langweilig geworden, »allerdings war es mir ein Herzenswunsch, in diesem Orchester mitzuspielen«. Über die Zusage von Georgi Kalaidjiev habe sie sich daher sehr gefreut. Die musikalischen Fähigkeiten der Ex-OB dürften von zahlreichen Auftritten mit dem Kinderliedermacher Fredrik Vahle bekannt sein. In Kassel hatte sie einst mehrere Semester Musik studiert, bevor sie in ihr Berufsleben einstieg und ihre politische Laufbahn begann.

Das Multikulturelle Orchester Gießen wurde 2008 gegründet. Die Idee kam von Kalaidjiev, einem begabten Geiger und erfahrenen sowie hochqualifizierten Musiker. In Gießen, wo Menschen aus über 100 Nationen friedlich miteinander leben, ist das Multikulturelle Orchester sehr gut angenommen worden. Zugleich stellt es ein gutes Beispiel der Integration und der Toleranz unterschiedlicher Kulturen dar.

Die Mitglieder des Orchesters und die Gast-Musiker stammen von vier Kontinenten: Ost- und Westeuropa (Deutschland, Bulgarien, England, Ex-Jugoslawien), Asien (Iran, Türkei, Armenien), Afrika (Elfenbeinküste) und Südamerika (Peru). Gitarristin Maria Hauschild, aus Polen stammende Lebensgefährtin von Kalaidjiev, kümmert sich um die Organisation: Gespielt wird in »ständig wechselnder Besetzung.« Diesmal standen noch auf der Bühne: am Akkordeon Marco Konsack, der auch einige Stücke des Repertoires arrangiert hat, mit der Ukulele Susanne Schmidt, mit einer weiteren Gitarre Murcihan Demirbas, am Kontrabass Nicolas Reinschmidt und eben Dietlind Grabe-Bolz. Die erst zwölfjährige Kurdin Rova Yorulmaz spielte zudem Geige und sang mit ihrer glockenhellen Stimme einige Lieder. Als fulminante Sängerin trat ebenfalls die Türkin Mehtap Arslan auf.

Den Auftakt bildete »Les Cloches de Lille«, ein traditionelles französisches Musikstück. Rova sang danach das griechische Lied »Samiotizza«. Es folgte ein Stück aus Slowenien: »Ne Silazi - On the balkony«. Über Heimat und Sehnsucht sang Mehtap Arslan in »Karaac«. Ein »Jiddischer Tango«, in den 20er Jahren von einem nicht bekannten Künstler komponiert, sorgte mit seinem Rhythmus auch im Publikum für Schwung. Das hebräische »Dos Kelbl« gab Rova Yorulmaz zum Besten. Es wurde 1947 als Andenken an diejenigen Juden geschrieben, die Opfer des Holocaust geworden waren. Es folgte »Liber Tango« des Komponisten Astor Piazzolla. Um die Botschaft »Ich werde mich nicht verlieben« ging es in »Artik Sevmeyecegim«, vorgetragen von Mehtap Arslan. »La Cumparasita« ist ist wiederum ein Tango des uruguayischen Studenten Gerardo Matos Rodriguez aus den 20er Jahren. Weiterhin präsentierte Rova Yorulmaz »Hevenu shalom alejchem«. Das heißt auf Deutsch: »Wir wollen Frieden.« So begrüße man sich im Jiddischen. »Meine Geliebte gehört nun einem Fremden, lieber Vater« lautete die Erzählung aus dem türkischen Lied »Babuba«. Nach »Klezmers Freylach«, einem jiddischen Tanz, der zu Hochzeiten und anderen Festen gespielt wird, beendete der »Rumänische Kolo und die Lerche« das anspruchsvolle offizielle Programm. Als Solisten glänzten Georgi Kalaidjiev und Dietlind Grabe-Bolz. Mehrmals konnte man dabei den Gesang der Lerche deutlich heraushören. Belohnt mit frenetischem Beifall, durfte das Orchester die Bühne nicht ohne zwei Zugaben verlassen.

»Unsere Musik ist grenzenlos, ebenso wie die menschlichen Beziehungen der bunten Gesellschaft einer friedlichen Welt«, erklärt Kalaidjiev. Mit den Jahren sei klar geworden, dass es sich nicht nur um eine ausgezeichnete Initiative gehandelt habe, sondern dass das Multikulturelle Orchester auch als »lebendige Wahrheit und ein Teil der Zukunft« verstanden werden könne.

Von Anfang an wird mit vielen Benefizkonzerten das Kinderhilfsprojekt »Musik statt Straße« unterstützt. Dadurch soll Kindern aus dem Getto »Nadeschda« im bulgarischen Sliven ein Weg aus der Hoffnungslosigkeit gewiesen werden. Sie erhalten warme Mahlzeiten, Nachhilfeunterricht und bei Bedarf medizinische sowie psychologische Betreuung. Es geht aber auch um Wertschätzung und Selbstvertrauen, die über den Zugang zu Musik und Kunst gefördert werden sollen. Viele der ehemaligen Schüler haben es auf die besten Konservatorien des Landes geschafft.

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