Auf den Spuren eines Schelms

Pohlheim. »Die Hose hängt schief.« Ein Satz wie gemalt, der von einem der beiden großen deutschen Komödianten stammen muss: Heinz Erhardt oder Vicco von Bülow alias Loriot. Diesmal war es aber ein Satz aus dem Leben. Aus dem Publikum. Das mit der schief hängenden Hose scholl Beatrice Kaiser vom Veranstalter der Ovag-Leseland-Reihe Gießen entgegen, als sie auf der Bühne der Kulturellen Mitte in Holzheim die Gäste der Lesung begrüßen wollte.
Es passte aber so etwas von treffend auf den weiteren Verlauf des Programms, denn der Schauspieler Hans-Joachim Heist hatte unter dem Titel »Noch’n Gedicht« zu einem sehr gut besuchten Heinz Erhardt-Abend geladen.
Sicherlich wird es sowohl an der immer noch großen Popularität des schon 1979 verstorbenen Komikers Erhardt als auch an der Bekanntheit von Heist gelegen haben, der dem Fernseh-Publikum vor allem durch seine Auftritte in der »heute-show« als Kommentator Gernot Hassknecht bekannt ist. Auf jeden Fall hat der Abend gezeigt, dass die »Kulti« in Holzheim als Lesungs-Ort etabliert ist. Auch Schneefall und Regen konnten die knapp 200 Besucher nicht abhalten, was gleichzeitig eine Verdopplung des Zuschauer-Kontingents vom Weihnachtsabend mit Annett Renneberg bedeutete.
Doch zurück zu Hans-Joachim Heist. Mit schwarz gewienerten Schuhen, dunkler Stoffhose, einem grauen Sakko, weißem Hemd und zeitlos-(un)moderner Krawatte bekleidet, kam er seinem historischen Bezugspunkt schon sehr nahe. Und wenn er dann dem Publikum kurz den Rücken kehrte und die dicke schwarze Hornbrille aufsetzte, dann »war« er Heinz Erhardt. »Ich bin schon ein Schelm«, leitete er sein Programm ein. Wohl wissend, dass der Wortakrobat und Schauspieler aus den 50er und 60er Jahren immer noch Kult ist. Was vom Publikum bestätigt wurde. Bis aus Diez waren die Fans in den südlichsten Pohlheimer Stadtteil angereist.
Das Armeschlenkern, der Gang, die Haltung, die erst ab knapp über den Ohren offen getragenen Haare - es fiel nicht schwer beim überwiegend älteren Auditorium, die Zeit zurückzudrehen. Zumal Mimik, Gestik und das Lachen ebenfalls an den Dargestellten erinnerten. Aber erst die Wortspiele, Versprecher, Doppeldeutigkeiten und Reime zeigen einen Heinz Erhardt, wie ihn die meisten im Saal wohl noch in Erinnerung hatten.
Zumal auch das eine oder andere Lied zum Besten gegeben wurde. »Herr Kapellmeister, wenn Sie mich betasten könnten.« Um dann Gassenhauer wie »Fährt der alte Lord fort« oder »Wenn ich einmal traurig bin, trink ich einen Korn« vorzutragen. Dabei hat Heist auch kleine Aktualisierungen vorgenommen. Als er sich über »Hallo Wien« auslässt, weist er darauf hin, dass die Amerikaner sogar einen Grusel-Clown zum Präsidenten gemacht hätten. Und als er nach albernen Ortsnamen sucht, ist Dorf-Güll ein gerne genommenes Beispiel. »Als ich an Güll vorbeigefahren bin, dachte ich, da will niemand drin wohnen.« Alles ganz in der Tradition des großen Komödianten.
So gäbe es hier viele Zitate von Heinz Erhardt aus dem Programm aufzuführen, um die schief hängende Hose von der Begrüßung zu kontern. Beschränken wir uns auf zwei. »Dritter ist für Ritter bitter« oder »Wer Regenwurm mit Igel paart, der hat danach viel Stacheldraht.«