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Aus Liebe zu den Büchern

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Carsten Venn erzählt in seinem aktuellen Roman von einem alten Buchhändler, der auf ein vorwitziges kleines Mädchen trifft. © Hahn-Grimm

Der Kölner Carsten Venn stellte beim Literarischen Zentrum Gießen seinen entspannten neuen Roman vor, eine »Hommage an die Buchhändler«.

Lollar. Carsten Venn startete die Lesung seines Bestsellers »Der Buchspazierer« auf dem Lollarer Kirchberg gleich mit dem ersten Kapitel des Buches. Für die ausverkaufte Lesung hätte das Literarische Zentrum Gießen (LZG) als Veranstalter keinen stimmungsvolleren Ort finden können als das kleine Kirchlein. Das virtuose Spiel der Harfenistin Cordula Poos sorgte für eine wohltuende musikalische Ergänzung. Sie trug eigene Lieder wie die anderer Komponisten (»Scarborough Fair«) vor und gefiel dabei auch als Sängerin.

Dann trug Venn das erste Kapitel seines Romans vor: »Es heißt, Bücher finden ihre Leser - aber manchmal brauchen sie jemanden, der ihnen den Weg weist. So war es auch an diesem Spätsommertag in der Buchhandlung, die sich Am Stadttor nannte, obwohl das Stadttor oder besser dessen Überreste, die die meisten Bürger für ein gewagtes Kunstwerk hielten, gute drei Kreuzungen entfernt lag.«

Lockerer Tonfall

Wie dem leichthändigen Tonfall zu entnehmen ist, war nach mehreren LZG-Veranstaltungen mit schwierigen Themen nun auch einmal leichtere Kost angesagt. Und gleich der erste Satz kündigt es an: Die Überreste eines alten Stadttores für »gewagte Kunst« zu halten, ist nicht unbedingt ernst gemeint. Der Autor will eher mit Hilfe eines Späßchens die Zuhörer für sich gewinnen. Das ist legitim - und höchst erfolgreich dazu. Venn ist mit seinem Roman mittlerweile auf Platz sechs der Spiegel-Bestsellerliste gelandet.

Ein Blick auf den Autor: Der Kölner, Jahrgang 1973, studierte Soziologie und Geographie sowie in Australien Völkerkunde und Weinbau. Als freier Weinjournalist schreibt er für nationale und internationale Magazine, sitzt in mehreren Weinpreis-Jurys und ist zudem als Restaurantkritiker unterwegs. Er veröffentlichte mehrere Krimi-Reihen, Liebeskomödien, Bilderbücher und erhielt für seine Arbeit mehrere Auszeichnungen.

So erschien 2002 mit »In vino veritas« der erste Band eines »kulinarisch-vinophilen« Krimi-Zyklus um den Ahrtaler Spitzenkoch und Hobbydetektiv Julius Eichendorff, der dort als Nachfahre des Dichters Joseph von Eichendorff auftritt. Dieser Zyklus zählte sieben Bände, die zusätzlich als Hörbücher, gelesen von Jürgen von der Lippe, erschienen sind. Venn, der in Hürth wohnt, bewirtschaftet mit Freunden einen Weinberg an der Mosel und baut dort seinen eigenen Riesling an.

Mit dem »Buchspazierer« hat er nun eine »Hommage an die verbindende Kraft der Bücher und einen Dank an die Buchhändler« verfasst. Der persönliche Bücher-Lieferdienst der Buchhandlungen: gerade in Corona-Zeiten ein aktuelles Thema.

Auch die Hauptfigur des Romans ist Buchhändler, der 72-jährige Carl Kollhoff. Jeden Tag dreht er seine Runden durch eine nicht näher benannte Altstadt und verteilt vorbestellte Bücher an seine Kunden. Deren Namen kann er sich nicht merken, er benennt sie nach Figuren aus der Literatur. So besucht er Effi Briest, Mister Darcy oder Frau Langstrumpf.

Fahrt nimmt die Handlung mit dem Erscheinen der neunjährigen Schascha auf, die den von Existenzängsten geplagten Mann fortan auf seinen Touren begleitet und dabei ihre Meinung über Bücher und Menschen kundtut. Nächtliche Gassen, ein alter Friedhof, Lichtreflexe, kindliche Dialoge. Eine märchenhafte Welt öffnet sich vor den Augen des Publikums. Vielleicht ist der »Buchspazierer« doch eher ein Buch für Jugendliche? Das Ende des Buches, so entnimmt man dem Klappentext, ermöglicht fast Wunderbares. Dank der Überzeugungskraft des Mädchens kann Carl Kollhoff seine Stelle behalten. So ist der Roman auch als Kritik am modernen Versandbuchhandel zu lesen, bei dem das Menschliche auf der Strecke bleibt.

Viel Applaus gab es am Ende für Carsten Venn und Cordula Poos auf dem Kirchberg. Viele begeisterte Leser ließen sich ihr Buch vom Autor signieren. Einziger Wermutstropfen: Es war einfach zu kalt und regnerisch für eine solche Veranstaltung. Schön wäre es gewesen, die Getränke und Häppchen vor der Kirche im angeregten Gespräch zu genießen.

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