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»Bedeutender Technologiemotor«

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Matthias Willems, Präsident der Technischen Hochschule, bei seiner humorvollen Begrüßungsrede. Foto: Schäfer © Schäfer

»Die THM mit ihren 50 Jahren an Erfolgsgeschichte bleibt auch weiterhin ein bedeutender Technologiemotor, ist sich Präsident Willems sicher. Er hielt in der Feierstunde in Gießen eine launige Rede.

Gießen. Starke Worte, die von großem Selbstbewusstsein künden: »Die Wirtschaftlichkeit und die Wettbewerbsfähigkeit wird auch durch uns gewährleistet«, so THM-Präsident Prof. Matthias Willems in der Begrüßungsansprache zu »50 Jahre Technische Hochschule Mittelhessen«. Als Ehrengäste der Feierstunde lauschten seinen oft launigen Worten außer der Hessischen Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Angela Dorn, eine ganze Reihe von Vertretern aus Politik, kommunalem Bereich, Universitäten und der THM.

Eigentlich müsste die Feierstunde unter »50+1« firmieren. Denn gegründet bereits 1971, seitdem mehrmals umbenannt (der Anzeiger berichtete), konnte Pandemie-bedingt erst jetzt in 2022 gefeiert werden. 50 Jahre klinge erst einmal gar nicht so beeindruckend, so Willems. Prof. Rudolf Müller hätte im Gründungsjahr zwar bereits fast 2000 Studenten an der damaligen »Fachhochschule Gießen (FH)« als Rektor begrüßen können, doch habe es in den Räumen bei sparsamer Ausstattung an fast allem gemangelt. Da wären beispielsweise nur ein paar - viel zu wenige - Steckdosen vorhanden gewesen. Kein Projektor. Seinen eigenen hätte der Rektor von Zuhause mitbringen müssen.

Der Bildungsbetrieb habe damals mehr einer Schule denn einer Hochschule geglichen. Allein die abgehaltenen Notenkonferenzen seien Indiz dafür gewesen. Jedoch habe sich seitdem vieles zum Positiven verändert. »Allein die quantitative Entwicklung ist beeindruckend.« Nach 50 Jahren gebe es fast das Zehnfache an Studenten und das Fünffache an Studienfächern könne nach all den Dekaden belegt werden. »Der einzige neue Studiengang, der in den letzten 25 Jahren fast gescheitert wäre, ist Informatik« so der Präsident und erntete schallendes Gelächter bei den Zuhörern. Bekannt sei die Hochschule für ihre Anwendungsnähe und ihren Pragmatismus. Damit spiele sie eine bedeutende Rolle - nicht nur für die Region, in der sie stark verwurzelt sei, sondern für ganz Deutschland.

Als University of Applied Sciences (Hochschule für angewandte Wissenschaften) setzt sie entgegen den auf Grundlagenwissen fokussierten Universitäten ihre Forschung und Lehre auf praktische Anwendungen. Willems in seinem Fazit: »Die THM mit ihren 50 Jahren an Erfolgsgeschichte bleibt auch weiterhin ein bedeutender Technologiemotor.«

Staatsministerin Dorn betonte, dass es in der Wissenschaft wichtig sei, nicht nur auf Trends zu setzen. »Wir brauchen Wissenschaft, die frei in ihrer Forschung ist.« Dem rasanten Wandel der Zeit sei die dringende Notwendigkeit geschuldet, kluge Köpfe zu erreichen, sie auf den Bildungsweg zu bringen, ihre Intelligenz aus ihren Köpfen herauszukitzeln, damit sie ihr Potenzial entfalten können.«

Stolz sei sie, dass Hessen als erstes Bundesland das Promotionsrecht für Diplom-Ingenieure geschaffen habe. Dafür sei 2016 ein Forschungscampus von THM zusammen mit den beiden Universitäten Gießen und Marburg eingerichtet worden, an denen auch Kommunen und die Stadtwerke beteiligt seien.

Das duale Studium, das in Wetzlar angesiedelt ist, habe 2001 mit 31 »dual« Studierenden begonnen. Gut 20 Jahre später seien es 1800 an der Zahl, die mit 970 Praxispartnern eine regionale Verwurzelung bildeten. Hier werde die Durchlässigkeit von praktischer zu akademischer Bildung erfolgreich durchgeführt. Das Alleinstellungsmerkmal der THM sei: an globaler Herausforderung arbeitend, dabei regional verwurzelt bleibend.

Dass die Studienzeit eine einprägsame Zeit darstelle, in der man gefordert sei, eigene Entscheidungen zu treffen, sagte ASTA-Vorsitzender Maurice Kontz als Vertreter der THM-Studenten. Der Hochschulratsvorsitzende Hans-Heinrich Bernhardt erzählte davon, sein BWL-Studium an der THM in 1978 begonnen, seine Diplomprüfung in 1982 in EDV abgelegt zu haben - »ohne je einen Computer gesehen.« Vorlesungen hätten in Hörsälen der JLU stattgefunden, bis in der Wiesenstraße der Campus entstanden sei.

Dagegen richtete Prof. Michael Guckert einen Blick in die Zukunft. Er hielt einen Vortrag zu: »Wie nah ist die Singularität?« mit Reflexionen zu Raymond Kurzweils »The Singularity Is Near«, erschienen als Buch im Jahr 2006. Darunter wird ein Zeitpunkt verstanden, bei dem sich Computer mittels künstlicher Intelligenz (KI) rasant selbst verbessern und die Zukunft der Menschheit zeitlich gesehen »hinter« diesem Ereignis ungewiss ist. Der Autor hat diesen Zeitpunkt für das Jahr 2045 veranschlagt. Zwar habe der Philosoph Hubert L. Dreyfuss 1972, so Guckert, in seinem Buch »What computer can’t do« geschrieben: »Niemals wird es gelingen, den menschlichen Verstand in künstlicher Intelligenz anzuwenden.« Doch es sei bereits so weit, dass Menschen mit Maschinen redeten, die dem Gesprächspartner dabei Empathie entgegenbringen könnten. Maschinen könnten Texte schreiben, die den Literaturnobelpreis gewinnen könnten. Ohne KI gäbe es keine künftige Automatisierung. »Bei der Bilderkennung ist sie uns schon lange überlegen.«

Welche Bedeutung hat es, dass die Singularität noch nicht so bald kommt? »Gar keine«, so Guckerts Antwort. Ob die Singularität tatsächlich in 2045 eintrete? »Ich weiß es nicht.« Sie werde uns in absehbarer Zeit nicht in unserer Intelligenz übertreffen, so seine Prognose. »Auch nicht sobald die Weltherrschaft übernehmen.« Mit einem abgewandelten Spruch holte er die aufmerksamen Zuhörer in die Gegenwart zurück: »Schlimmer als denkende Menschen sind Menschen, die nicht denken.«

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