Befreiungen und Abstraktionen
Gießen. Eine neue Ausstellung belebt die Kunstszene der Stadt. Bei Kultur im Zentrum (KiZ) zeigen fünf Künstler ihre neuen Arbeiten. Das Motto der Schau lautet »Verschieden nah«, die beachtliche Bandbreite der Werke hält erhebliche optische und inhaltlich Kontraste bereit.
Boris Köhncke, Dietlind Köhncke, Maria Pasel, Hans Reinard und Ursula Reinard sind vertreten. Ihre Formate reichen von klein bis massiv und auch die Materialauswahl ist ungewöhnlich. Beim Rundgang fallen zuerst die merkwürdigen Formen Maria Pasels auf. Der Betrachter fühlt sich an Kleidung, an Unterwäsche erinnert - und liegt damit richtig. Pasel »zerschneidet alltägliche Kleidungsstücke so, dass nur noch die Halt gebende Struktur der Nähte, das Skelett, übrigbleibt,« sagte Dietlind Köhncke in ihrer Einführung. Pasel sieht die Objekte dadurch »befreit« und bereit für eine zweckfreie abstrakte Formgebung.
Aus dem Rahmen fallen ebenfalls die Arbeiten von Boris Köhncke. Er zeigt im Untergeschoss Arbeiten, oben zehnfach vergrößerte Nachbildungen von Tierknochen, leider nur zwei, die er durch die Vergrößerung und Änderung des Materials gleichsam in eine neue Lebensform überführt. Köhncke: »In ihrer Formensprache befreien sich die Skulpturen von ihrem toten Ausgangsobjekt.« Und in der Tat wirken die Arbeiten inhaltlich zwar unzweifelhaft organischen Ursprungs, in der Realität jedoch wie stimmig geformte künstlerische Aussagen, was sie letzten Endes auch sind.
Auffällig sind auch die großformatigen, schwarz-weißen Fotografien Hans Reinards. Er fügt mehrere Fotos zu einer Komposition zusammen und »dokumentiert beispielhaft Eingriffe des Menschen in die Kulturlandschaft«. Eine klare politische Aussage. In anderen Arbeiten tritt die Form in den Vordergrund, und auch die Ästhetik kommt zu ihrem Recht - Reinard ist ein erfahrener Gestalter.
Eindrucksvoll präsentiert sich Ursula Reinard mit ihren mittelformatigen Papierarbeiten links vom Haupteingang. Mit scheinbar müheloser Leichtigkeit führt sie ihre Objekte ins Ungewisse. Das wirkt bisweilen schwerelos und bietet geradezu magische Momente. Sicherheit der Konzeption und Präzision kommen hier zusammen; ein Glanzlicht der Schau. Hinzukommt eine bemerkenswerte Reihe farbig gestalteter Zeichnungen.
Dietlind Köhncke schließlich zeigt lyrische Texte sowie Lithografien mit eingedruckten Texten im Bleisatz. Das Mappenwerk »In Rom wird die Seele außen getragen« reflektiert eine Reise in die Ewige Stadt. So zeigt sich eine Schau weniger drastischer Kontraste, aber von sehenswerter, inhaltlicher Substanz.
Die Ausstellung im KiZ (Kongresshalle) läuft bis zum 14. August. Öffnungszeiten sind: Dienstag bis Sonntag jeweils von 10 bis 17 Uhr.