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Belastende Aussagen eines Toten

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Von: Ingo Berghöfer

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Justitia ist bemüht, den Überfall in der Hindemithstraße aufzuklären. Symbolfoto: dpa © Red

Im Prozess um den tödlichen Überfall in der Gießener Hindemithstraße gerät die Aussage eines Angeklagten ins Wanken, der im Fluchtauto wartend nichts von der Bluttat mitbekommen haben will.

Gießen . Mit der Vernehmung lediglich einer weiteren Zeugin wurde im externen Sitzungssaal am Stolzenmorgen der Mordprozess zum Überfall in der Hindemithstraße fortgesetzt. Dass die Zeugen erst einmal bis in den April im Zeitlupenverfahren vernommen werden, ist dem Umstand geschuldet, dass einer der Verteidiger erkrankt ist und für längere Zeit ausfällt. Im schlimmsten Fall müsste der Prozess vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Gießen neu angesetzt werden. Um das zu verhindern, spielt das Gericht deshalb erst einmal auf Zeit.

Dennoch warf die Aussage einer 36-Jährigen, die kurz vor dem Angriff auf den Drogendealer und dessen Freund beide noch gesehen hatte, ein anderes Licht auf das Verbrechen. Gegen 20.55 Uhr war sie von der Türkamera des kurz darauf getöteten Dealers erfasst worden, was die Zeugin auch gegenüber der Vorsitzenden Richterin Regine Enders-Kunze bestätigte: »Ja, das bin ich auf dem Bild.«

»Sie müssen uns auch gar nicht sagen, was sie dort gewollt haben«, ermunterte Enders-Kunze die arbeitslose und offenkundig drogenabhängige Frau. Wichtig sei nur, was sie an diesem Abend gesehen habe. Nachdem die Zeugin geklopft und in die Kamera gelacht habe, sei die Tür von dem Freund des später Getöteten geöffnet worden. »Er war ziemlich dicht, jenseits von gut und böse, ich weiß nicht, wie ich es besser sagen soll«, erinnerte sich die Frau, die wenig später drei Männer sah, die vor dem Haus warteten. »Ulai, wenn die wüssten, was ich alles einstecken habe, würden die mich ja gleich überfallen«, beschrieb sie ihre Gefühle in dieser Situation. Weil sie sich deshalb unbehaglich fühlte, habe sie eine Freundin angerufen und demonstrativ laut mit ihr gesprochen. Diesen Anruf datiert die Polizei auf 20.57 Uhr.

Einer der drei ihr allesamt nicht bekannten Männer habe auf dem Treppenabsatz zum Haus gestanden, die anderen beiden vor ihm. Alle seien so ungefähr »in meinem Alter gewesen«, meinte die 36-Jährige. Mehr habe sie in der Dunkelheit nicht erkennen können, zumal »ich auch schnell an denen vorbei wollte«. Und hadernd mit sich selbst fügt die Zeugin hinzu: »Wenn ich gewusst hätte, was die da später angerichtet haben, hätte ich mir ihre Gesichter sicherlich besser eingeprägt.«

Ungefähr drei bis vier Wochen nach der Bluttat habe sie dann das zweite Opfer, das überlebt hatte, wiedergetroffen. Mittlerweile war er aus dem Krankenhaus entlassen worden und bei einem Freund untergekommen. Er habe ihr damals erzählt, dass drei Angreifer über sie hergefallen seien. Während einer ihn niedergeschlagen und an ein Heizungsrohr im Badezimmer gefesselt habe, hätten die anderen beiden seinen Kumpel traktiert. Er selbst sei dann ohnmächtig geworden.

Letzteres zweifelte die Zeugin an: »Ich glaube eher, dass er sich leblos gestellt hat, weil er Angst hatte. Und deshalb hatte er ein schlechtes Gewissen. So schätze ich ihn jedenfalls ein.« Auf Nachfrage der Verteidigung räumte die Zeugin ein, dass er an jenem Morgen, an dem er ihr dies so gegen 10.30 Uhr erzählt habe, ebenfalls betrunken gewesen sei und wohl auch unter Drogeneinfluss gestanden habe.

Die drei Tatverdächtigen selbst habe sie persönlich nicht gekannt, »die drei Georgier« seien aber in der Szene durchaus berüchtigt gewesen. So soll das Trio bereits früher einen Bekannten überfallen haben. Dessen Namen sei ihr zwar entfallen, aber »der geht auch zu meinem Substitutionsarzt«.

Auch wenn sie das nicht selbst gesehen und nur wiedergegeben hat, was ihr das überlebende, aber inzwischen an einer Krebserkrankung verstorbene Opfer des Überfalls schilderte, rüttelt diese Aussage doch an der Glaubwürdigkeit des dritten Angeklagten, der laut seiner eigenen Aussage im Fluchtauto auf seine Komplizen gewartet haben und von der Bluttat nichts mitbekommen haben will.

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