Berührend und einfühlsam

Grünberg (dws). Bei ihrer Lesung aus »Avas Geheimnis - Meine Begegnung mit der Einsamkeit« in der Grünberger Gallushalle ging Bärbel Schäfer einfühlsam auf das Seelenleben von Frauen ein, die in vielfacher Hinsicht im Alltag gefordert sind. Wohl deshalb stellten weibliche Besucher das Gros der Zuhörerschaft.
Bärbel Schäfer absolvierte nach dem Abitur 1984 am Gymnasium an der Parsevalstraße in Bremen von 1985 bis 1988 eine Ausbildung zur Hotelkauffrau in Köln. Von 1988 bis 1992 studierte sie Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft, Germanistik und Kunstgeschichte. Anfang der 1990er Jahre machte sie ein Praktikum beim WDR. Sie steht mit beiden Beinen im Leben, hat einen lebendigen Freundeskreis, versorgt ihre Mutter, zieht zwei Kinder groß, ist verheiratet und ehrenamtlich tätig. Daraus folgt, wie sie in der Lesung sagt, dass sie »einen Planeten der Einsamkeit« nicht betreten will.
Laut Weltgesundheitsorganisation WHO wird die Einsamkeit der Menschen genau so hoch eingestuft wie der Alkoholismus, dem sie verfallen können. Die Regierung sollte sich Gedanken über die Einsamkeit machen. Als sie eine Freundin bittet, sich kurzfristig um deren verunglückte Schwester Ava zu kümmern, merkt sie bald, dass sie damit an ihre Grenzen stößt. Bald wird ihr bewusst, dass es bei Ava um mehr als ein paar äußerliche Verletzungen geht. Ava hat lange als Grundschullehrerin gearbeitet und wird von einer schwer greifbaren, tiefen Einsamkeit umgeben. Da fällt es schwer, die dicken Mauern, die Ava um sich errichtet hat, zu durchdringen. Aber fast jeder Mensch erlebt Phasen, in denen er sich von der Welt abgeschieden fühlt. Das Leben ist eben eine Herausforderung
Jeden Tag wird sie von Ava angerufen, die sich auch äußerlich verändert. Ava hat ihre Träume nie gelebt, sie hat Angst zu niesen, weil sie damit auffallen könnte. Durch die Beziehung mit Ava wird auch Bärbel Schäfer selbst wieder mit ihren Lebensrissen konfrontiert.
Anhand vieler Begegnungen und auch ihrer eigenen Geschichte zeigt Bärbel Schäfer, dass dieses häufig tabuisierte Thema uns früher oder später alle angeht - und dass es Wege gibt, der Einsamkeit die Hand zu reichen.
Gelernt hat sie, öfter »Nein« zu sagen. Hat ihren Vater gepflegt, der sich nicht mehr waschen und anziehen konnte. Viele Stunden hat sie an seinem Krankenbett verbracht. Die Einsamkeit der Menschen bei all ihren Problemen sieht man ihnen nicht an. Allein sein kann schön sein, wenn man keine Sorgen hat, die man mit anderen teilen kann. Geliebt und begehrt wollen wir alle sein.
So ist es ein offenes, berührendes und tröstendes Buch geworden, das viel über Einsamkeit und die Zerbrechlichkeit des Ichs erzählt.
Übrigens: Ava arbeitet heute wieder als Lehrerin mit reduzierter Stundenzahl.