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BHs geklaut, Baumaschinen im Visier

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Trio auf dreister Diebestour in Gießen: Der »Musterangeklagte« kommt erneut mit einer Bewährungsstrafe davon. Das Verfahren gegen zwei Komplizen läuft am Amtsgericht Gießen weiter.

Gießen. Ein Kofferraum voller gestohlener Kleidung und ein Einkaufswagen mit hochwertigen Heimwerkermaschinen, die in einem Baumarkt zurückgelassen wurden - das sind »Zutaten« eines Verfahrens, dem sich drei Männer vor einem Schöffengericht am Amtsgericht Gießen stellen müssen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen bandenmäßigen, gewerbsmäßigen Diebstahl und versuchten Diebstahl vor. Während für einen der Angeklagten bereits das Urteil gefallen ist, geht es für die anderen beiden im Februar weiter.

Ein Tatort war ein großer Baumarkt im Schiffenberger Tal. Die drei Komplizen hatten diesen einige Tage vor dem 23. Juli 2022 ausgekundschaftet. An jenem Samstag nahmen sich zwei der Angeklagten einen Einkaufswagen, schoben ihn durch die Gänge und luden diverse Geräte ein. Der Dritte, 28 Jahre alt, wartete im Eingangsbereich. Er fungierte zudem als Fahrer des späteren Fluchtfahrzeuges, allerdings ohne einen gültigen Führerschein zu besitzen.

Der Plan sah wie folgt aus: Einer sollte die Person am Infoschalter ablenken, während der zweite Kompagnon in Richtung Markt gehen sollte, sodass sich die Schwingtüren öffneten und der dritte Mann mit dem Einkaufswagen entwischen konnte, ohne die Waren im Wert von über 2400 Euro zu bezahlen. Das versuchten sie mindestens zweimal, doch ihr Ansinnen scheiterte an der passenden Koordination der einzelnen Aktionen. So verließen sie unverrichteter Dinge den Markt und fuhren in Richtung eines Schnellimbiss. In der Zwischenzeit waren sie jedoch längst ins Visier des Ladendetektivs geraten, der sie unauffällig verfolgte und die Polizei verständigte. Auf dem Parkplatz des Restaurants klickten die Handschellen.

Als die Beamten den Kofferraum des Autos öffneten, staunten sie nicht schlecht: Er war randvoll mit Klamotten, darunter viele BHs, Damen- und Kinderbekleidung. Bei diesem Anblick beschlich die Beamten sofort das Gefühl, dass es sich um Diebesgut handeln müsse. »Die Sachen waren einfach so in den Kofferraum geworfen worden, die Etiketten hingen noch dran. Wir fanden auch noch zwei sogenannte ›Klautüten‹ und keiner der Personen konnte nachweisen, dass er die Sachen gekauft hatte«, schilderte einer der Polizisten. Wie sich herausstellte, stammten die Sachen aus Ladendiebstählen bei H&M in Weiterstadt und bei C&A in Gießen. Sie hatten einen Wert von mehr als 5000 Euro.

Alle drei gaben sich zum Prozessauftakt geständig. Der 28-Jährige räumte die Taten unumwunden ein, die Ladendiebstähle in Weiterstadt und bei C&A habe er aber nicht mit den beiden Mitangeklagten durchgeführt, sondern mit einer anderen Person. Dementsprechend bestritten die beiden Männer auch den Vorwurf, Klamotten gestohlen zu haben. Zu dem Geschehen im Baumarkt bekannten sie sich jedoch. Aufgrund dieser Aussagen wurde das Verfahren getrennt.

Der 28-Jährige aus Hamburg ist in Sachen Ladendiebstahl bereits einschlägig vorbestraft. Der erste Eintrag ins Bundeszentralregister stammt aus dem Jahr 2010. Seitdem stand er regelmäßig vor Gericht, manchmal musste er sich auch wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verantworten. Stets kam er mit einer Bewährungsstrafe davon. Auch aktuell befindet er sich im offenen Vollzug. Echte Knasterfahrung sammelte er jedoch erst nach der jüngsten Verhaftung. Vor Gericht versicherte er glaubhaft, dass die Untersuchungshaft ihm eine Lehre gewesen sei und dass er nie wieder vor Gericht landen wolle.

Die Vorsitzende Richterin Sonja Robe wollte daher wissen, warum er dies denn überhaupt gemacht habe, schließlich erfülle er die besten Voraussetzungen für ein normales Leben: Er hat Abitur, hatte ein Studium begonnen, spricht mindestens zwei Sprachen, arbeitete als Dolmetscher. Zudem hat er eine Familie, die hinter ihm steht und ist Vater eines kleinen Kindes. »Das war alles falsch. Das weiß ich jetzt. Ich habe damit abgeschlossen«, versicherte er.

Aufgrund der Einlassungen forderte Staatsanwalt Benedikt Ullrich für die Diebstähle und das Fahren ohne Fahrerlaubnis eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten - ohne Bewährung, da er sich bereits zweimal nicht an die jeweiligen Auflagen gehalten habe. Das Verfahren wegen des versuchten Diebstahls wurde eingestellt. Verteidigerin Christine Siegrot aus Hamburg wies auf seine positive Entwicklung hin und dass er voll geständig sei.

In der U-Haft »den Kopf gewachen«

Das Schöffengericht verurteilte ihn letztlich zu einem Jahr und vier Monaten, abermals zur Bewährung ausgesetzt. Die Vorsitzende begründete dies damit, dass sich der 28-Jährige als »Musterangeklagter« erwiesen und alles dafür getan habe, um zu zeigen, dass er sich wirklich geändert habe. Auch um sein Geständnis habe er »kein Theater gemacht«. Normalerweise habe man keine Chance zu einer dritten Bewährungsstrafe, ihm könne indes abgenommen werden, dass die Untersuchungshaft ihm »den Kopf gewaschen habe«. Und der Angeklagte versprach: »Das war das letzte Mal.«

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