»Bin ein leidenschaftlicher Parlamentarier«

Gerhard Merz feiert am heutigen Dienstag seinen 70. Geburtstag. Der »leidenschaftliche Parlamentarier« diskutiert und streitet gern.
Gießen. Heute feiert Gerhard Merz seinen 70. Geburtstag. Ein Grund für leise Töne? Nein! »Ich bin ein leidenschaftlicher Parlamentarier, weil ich sehr gern debattiere, diskutiere und mich streite. Streite in dem Sinn: Ja, da muss man auch mal scharf die Grundsätze herausarbeiten und worum es eigentlich geht. Darüber kann man dann vernünftig streiten«, sagt der Sozialdemokrat. Politik? Gesellschaftliches Engagement? In die Wiege gelegt: »In meinem Elternhaus ist immer über Politik gesprochen worden.«
Von der FDP zu den Jusos
Sein Vater, zwei Onkel und der Patenonkel seien Kommunalpolitiker gewesen. Darüber habe man sich intensiv ausgetauscht, und »ich bin mit 15 oder 16 Jahren öfter mal in meiner Heimatstadt Groß-Bieberau in die Gemeindevertreter-, später Stadtverordnetensitzung gegangen. Das hat immer dazu gehört«, erinnert sich der ehemalige Landtagsabgeordnete. Dann die 68er-Zeit: »Wir haben vor dem Fernseher gesessen und nach dem Dutschke-Attentat gab es eine heftige Debatte in der Familie.« Selbst sei er zunächst in die linksliberal orientierte FDP in Groß-Bieberau eingetreten - erst an der Justus-Liebig-Universität führte der Weg in die Juso-Hochschulgruppe. »Aus der FDP war ich ausgetreten. Irgendwann, als sich das Ende meines Studiums näherte, hat mich Udo Bullmannn gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, im Jusovorstand des Unterbezirks mitzuwirken.« Der spätere Gymnasiallehrer konnte das und ist in die SPD gewechselt. Die bis heute spannendste Zeit seines Lebens erlebt der ehemalige Sozialdezernent während eines USA-Aufenthaltes im Rahmen des Studiums. Als Freiwilliger der »Aktion Sühnezeichen« in Washington habe er Landarbeiter bei einem landesweiten Boykott unterstützt. »Seitdem ist mir Amerika sehr nah.« Neben dem heimischen Kinderschutzbund ist Merz auch Vorsitzender der »Lagergemeinschaft Auschwitz - Freundeskreis der Auschwitzer«. Das Thema beschäftige ihn seit seiner Jugend. Ausgelöst durch den Prozess gegen Adolf Eichmann: »Damals war ich zehn oder elf Jahre alt.«
Glückwünsche von Weggefährten
Zu den Gratulanten gehört Ministerpräsident a.D. Volker Bouffier: »Gerhard Merz habe ich als hoch aktiven, insbesondere sozialpolitisch engagierten Politiker und viele Jahre als strategischen Kopf der Gießener SPD erlebt. Diskussionen mit ihm waren fordernd, aber nicht zuletzt seine Sammlung politischer Stilblüten zeigt, dass er auch Humor hat. Herzlichen Glückwunsch und Willkommen im Club der Siebziger.« Auch Stadträtin Gerda Weigel-Greilich übermittelt ihre Glückwünsche: »An Gerhard Merz schätze ich seinen analytischen Verstand und seine scharfzüngigen Reden. Gemeinsam mit ihm in einer Ausschusssitzung - da wird es selten langweilig. Besonders empfindlich reagiert Gerhard auf undemokratisches Verhalten gepaart mit fehlender Sachkenntnis. Meist verbirgt er dies auch nicht vor seinem Gegenüber. Aus meiner Sicht besonders wichtig im politischen Betrieb: Man kann sich hundertprozentig auf ihn verlassen. Dafür danke und: ad multos annos.«
Seit langen Jahren kennen sich der Jubilar und die ehemalige Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz: »Alle Fragen kann Gerhard Merz, den ich nur als ›Gripsi‹ kenne, kompetent beantworten, weil er nicht nur ein politischer Universaldenker ist, sondern umfassend interessiert und gebildet - kulturell, historisch, sprachlich. Den Namen ›Gripsi‹ trägt er ganz und gar zu recht, denn wer rezitiert schon von Heinrich Heine ›Das Wintermärchen‹ auswendig? Grandios! Ich kenne ›Gripsi‹ seit unserer gemeinsamen bewegten Juso-Hochschulgruppenzeit (mit einigen endlosen Diskussions-und Skat-Nächten).« Die Botschaft der Vorstandskollegen der Lagergemeinschaft: »Lieber Gerhard, seit dem Herbst 2019 bist Du Vorsitzender der ›Lagergemeinschaft Auschwitz - Freundeskreis der Auschwitzer e.V.‹. Wir sind dankbar, dass wir Dich hierfür gewinnen konnten, und freuen uns nach der erst vor wenigen Wochen erfolgten Wiederwahl auf zwei weitere Jahre guter und vertrauensvoller Zusammenarbeit. Über Auschwitz darf kein Gras wachsen! In diesem Sinne gratulieren wir Dir ganz herzlich zu Deinem 70. Geburtstag und wünschen Dir beste Gesundheit!« Geschäftsführerin Gabi Keiner vom Kinderschutzbund Gießen schreibt: »Seine klare fachpolitische Linie und sein fundiertes Wissen, seine Erfahrungen in der Jugendhilfe machen ihn seit 14 Jahren zu einem sehr guten ersten Vorsitzenden des Kinderschutzbundes. Gerhard Merz transferiert fachliche Aspekte und sein Wissen zu Kinderschutz, Kinderrechten und Kinder- und Jugendbeteiligung hervorragend in fachpolitische Positionen und Strategien und setzt sie auch oftmals durch. Er hat Weit- und Überblick, ist verlässlich in der Sache, streitbar, sehr wortgewaltig, diskussionsfreudig, belesen und manchmal auch unbequem. Lieber Gerhard, alles Gute zum 70. Geburtstag, viel Gesundheit, Glück und Zufriedenheit!« Nina Heidt-Sommer, SPD-Landtagsabgeordnete: »Gerhard Merz ist ein durch und durch politischer Mensch. In der Mitte seines politischen Handelns steht die Shoah und die daraus folgende Verpflichtung zu mahnen, zu erinnern und zu trauern. Als Schülerin in der Mittelstufe habe ich an einer Fahrt in das Vernichtungslager Auschwitz teilgenommen, die Gerhard Merz als Dezernent der Stadt Gießen organisiert hat. Er setzt sich ein für die Menschen, denen droht, dass sie keine Stimme haben. Er hat - und davon ist sein gesamtes politisches Wirken geprägt - ein Gespür für Ungerechtigkeiten. Wenn er diese erkannt hat, streitet er dafür, die Situation zu verbessern.«