Das Probetröten gewinnt die Tuba

Das große hr-Sinfonieorchester spielt ein Konzert in der Gießener August-Hermann-Francke-Schule - und beantwortet den Kindern und Jugendlichen dabei wichtige Fragen.
Gießen . Da staunte Fünftklässler Oskar nicht schlecht. Mit dem schmalen Dirigentenstab in der Hand und einer einzigen Bewegung seines Arms lassen sich die 45 Damen und Herren Profimusiker anleiten - mal lauter, mal leiser. Womit auch bereits die spannende Frage aus den Publikumsreihen aufgegriffen wäre: Geht es für die Instrumentalisten denn nicht auch ohne Dirigenten? Eben nicht.
Auch eher ungewöhnliche Fragen wie diese beantworteten die Mitglieder des hr-Sinfonieorchesters bei ihrem einstündiges Gastspiel in der vollbesetzten Aula der August-Hermann-Francke-Schule. Nach drei Jahren Abstinenz ist das renommierte Ensemble nun wieder auf einer einwöchigen Schultour durch ganz Hessen unterwegs. Und gleich am ersten Tag der Konzertreise stand der Halt in Gießen auf seinem Programm. Während des von hr-Moderator Stefan Hoffmann launig moderierten Programms konnten die rund 500 Kinder aller Altersstufen in der bis auf den letzten Platz gefüllten Aula jede erdenklich Frage an die Gäste richten. Und ein musikalisches Best-of aus der Welt der Klassik gab es natürlich auch.
Los ging es mit einer Melodie, die dem Schulalter bereits vor längerer Zeit entwachsene Menschen möglicherweise mit der TV-Serie »Die Bären sind los« in Verbindung bringen. Heutigen Schülern ist dieser Ohrwurm eher aus »der Formel 1« oder »von YouTube« bekannt, wie sie gegenüber Moderator Hoffmann äußerten. Alles auch nicht falsch: Tatsächlich aber handelte es sich um »Los Toreadores« aus der berühmten Bizet-Oper »Carmen«.
Und mit weiteren Hits dieser Größenordnung ging es weiter. Stücke von Händel, Dvorák, Brahms hatten die Gäste aus Frankfurt im Programm. Und dazwischen ließen sie sich ausgiebig befragen. Etwa zum Instrument mit den tiefsten Tönen. Nach kurzem Probetröten der Blechbläser ist das eindeutig die Tuba. Zum Gehalt eines Orchestermitglieds. »Sie müssen bestimmt nicht verhungern«, antwortete Stefan Hoffmann. Und zum Notfall, wenn mal ein Musiker nicht zum Konzert auftaucht. »Dann springt ein Ersatz ein, oder die anderen müssen seine Aufgabe mit ihren Instrumenten übernehmen, erklärt Dirigent Vilmantas Kaliunas.
Der sympathische Litauer hatte übrigens auch eine einleuchtende Erklärung dafür, warum es jemanden wie ihn braucht, der von seinem Podest aus den Taktstock schwingt. Es sei wie ein Abend mit vielen Freunden, die Hunger haben und etwas Essen gehen wollen, erklärte er. »Da muss es einen geben, der sagt, in welches Restaurant man geht und die Gruppe dann anführt. Sonst wird das nix.«
Am wichtigsten sei seine Aufgabe am Anfang und am Ende. Zudem steuere er das Tempo, die Lautstärke, die Dynamik, »schon allein mit seinen eigenen Bewegungen«, ergänzte Stefan Hoffmann. Der gab zugleich eine kleine Einführung in die musikalischen Epochen, vom Barock über die Klassik bis zur Romantik. Und animierte die Schüler zugleich zum permanenten Mitmachen. So pickte sich der Moderator einzelne Kinder heraus, die etwa die unterschiedlichen Streicherinstrumente benennen sollten. Oder er fragte nach, wie »dieses schlanke Ding mit den güldenen Klappen heißt« - Oboe. Und er warb bei den Schülern für das Orchester, das bei Konzerten etwa in der Frankfurter Alten Oper zu erleben sei. »Denn Live-Musik ist doch durch nichts zu ersetzen.«
Manche der Franck-Schüler dürften mit diesem so unterhaltsamen wie entspannten Konzert tatsächlich den Spaß an der Orchestermusik entdeckt haben. Bei anderen rannte der Moderator längst offene Türen ein. Denn einige Mitglieder des Schulorchesters haben sich intensiv auf den Auftritt der Frankfurter Gäste vorbereitet. Die Violinistinnen Julia Nold, Dunja Kreienhop, Melanie Wohlfahrt und Johanna Dyck, die Cellistin Jessye Matejec sowie Deborah Kladt (Querflöte) und Clarissa Beke Kunstmann (Viola) machten sich in einer vierwöchigen Probenphase zusammen mit ihrer Lehrerin Sofia Demler mit einem der Stücke vertraut, dass sie zum Lohn gemeinsam mit den Profis in der Schulaula spielen durften.