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»Das Rückgrat der Gefahrenabwehr«

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Die Polizei bereitet Mitarbeiter des Freiwilligen Polizeidienstes auf ihre Arbeit vor. Archivfoto: Scholz © Stephan Scholz

Bei Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei übernehmen Ehrenamtliche in Gießen wichtige Aufgaben.

Gießen. Als sich Corona ausbreitet, gerät der Schutz der sogenannten kritischen Infrastruktur immer wieder in den Blick. Auch viele Ehrenamtler müssen sich deshalb einschränken. Denn sie übernehmen wichtige Aufgaben. »Bei uns in Gießen haben wir aufgrund der Größe der Stadt und der Einsatzhäufigkeit eine Berufsfeuerwehr, die einen Großteil der Einsätze allein abdeckt, insbesondere die vielen kleinen Einsätze mit geringem Personalaufwand. Ohne die ehrenamtlichen Einsatzkräfte der sechs Einheiten der Freiwilligen Feuerwehr könnte aber der Brandschutz in der Stadt nicht sichergestellt werden«, erklärt Feuerwehrchefin Martina Klee. »Das Ehrenamt ist zweifelsohne das ›Rückgrat‹ der Gefahrenabwehr«, bestätigt Christian Betz, Vorstand des Kreisverbandes Marburg-Gießen des Deutschen Roten Kreuzes. »Ehrenamtliche treten oftmals an die Stelle des Staates und übernehmen oder ergänzen vielfältige Aufgaben, welche der Staat in diesem Umfang nicht wahrnehmen kann«, weiß auch Polizeipräsident Bernd Paul.

»Zum Teil sehr stark eingeschränkt«

Seit rund zwei Jahren ächzt Deutschland unter der Pandemie. Doch beim ehrenamtlichen Engagement hat »sich nicht wirklich etwas verändert. Wir konnten den Personalstand halten und sogar minimal verbessern. Die Freiwillige Feuerwehr war durchgängig weiterhin im Einsatzgeschehen eingebunden«, beschreibt Klee. Allerdings habe man die Ausbildungsmöglichkeiten und vor allem das soziale Miteinander sowie die Jugendarbeit aus Infektionsschutzgründen zum Teil sehr stark eingeschränkt. »Der Spaßfaktor ist deshalb in letzter Zeit ziemlich kurz gekommen. Schließlich gehört auch die Freiwillige Feuerwehr klar zur besonders zu schützenden kritischen Infrastruktur. Seit März läuft nun wenigstens der Übungsdienst wieder relativ normal«, ergänzt die Feuerwehrchefin. Für den Sommer hoffe man auch auf mehr soziales Miteinander und gemeinsame Freizeitaktivitäten.

Die ehrenamtlichen Helfer träfen sich normalerweise regelmäßig für gemeinsame Übungs- und Ausbildungsabende, informiert Betz. »Dies ist wichtig, um für anstehende Einsätze vorbereitet zu sein, aber auch, um die Gemeinschaft zu pflegen. Bedingt durch Corona musste auch hier viel in Form von Online-Unterrichten kompensiert werden«, so der DRK-Vorstand. Ehrenamtliche Einsatzkräfte hätten zudem besonders am Anfang der Pandemie das Gesundheitsamt des Landkreises bei Reihentestungen in den Schulen unterstützt.

»Leider konnten viele Aktionen, bei denen wir unter Beteiligung von Ehrenamtlichen Spenden für einen karitativen Zweck sammeln wollten, nicht oder nicht im geplanten Umfang abgehalten werden«, beschreibt Paul. Das traditionelle Adventskonzert, bei dem Spenden für gemeinnützige Einrichtungen gesammelt würden, sei bereits zweimal ausgefallen. »Diese Spenden dieser und auch vieler anderer ausgefallener Veranstaltungen fehlen nun den wichtigen Hilfsorganisationen. Wir hoffen sehr, diese Veranstaltungen künftig wieder durchführen zu können«, resümiert der Polizeipräsident.

Dass Ehrenamtler als Teile der kritischen Infrastruktur besonders wichtig sind, lässt sich an ihren vielfältigen Aufgaben ablesen. Ihre »Arbeit ist im Landkreis Gießen im Rettungsdienst fest über die ›Unterstützungskomponente Rettungsdienst‹ etabliert. Die ehrenamtliche Unterstützungseinheit wurde vor 20 Jahren bereits gegründet und kommt immer dann zum Einsatz, wenn mehr Notfälle als freie Fahrzeuge vorhanden sind. Im Besonderen ist dies bei einer Vielzahl an Verletzten, zum Beispiel bei Verkehrsunfällen oder Wohnhausbränden, der Fall«, erläutert Betz. Für die »Unterstützungskomponente Rettungsdienst« stünden drei Rettungswagen, ein Krankentransportwagen und ein Notarzteinsatzfahrzeug jederzeit zur Verfügung. Daneben gebe es eine Führungsgruppe mit Einsatzleitwagen, zwei Betreuungszüge zur Betreuung und Versorgung von Betroffenen bei Großschadenslagen und Katastrophen sowie zwei Sanitätszüge zur Versorgung und zum Transport von Verletzten. »Jeder Sanitäts- und Betreuungszug umfasst sieben Fahrzeuge und 25 ehrenamtliche Einsatzkräfte«, so der Vorstand.

»Die Einheiten der Freiwilligen Feuerwehr decken den ›klassischen‹ Einsatzdienst zur Brandbekämpfung und zur allgemeinen Hilfe (zum Beispiel technische Hilfe bei Verkehrsunfällen oder Sturmschäden) ab. Hinzu kommen Aufgaben bei Einsätzen mit Gefahrstoffen, etwa Dekontaminationsaufgaben, die ehrenamtlich organisiert sind«, berichtet Klee.

»Vollständig ehrenamtlich«

Auch in der Führungsunterstützung der sogenannten Technischen Einsatzleitung, die bei großen Einsätzen oder Einsatzhäufungen die Koordination übernimmt, wirkten ehrenamtliche Kräfte mit. »Der Katastrophenschutz, in dem auch die Feuerwehr Gießen Aufgaben übernimmt, ist nahezu vollständig ehrenamtlich organisiert«, führt die Feuerwehrchefin aus.

Im Polizeipräsidium Mittelhessen habe man den freiwilligen Polizeidienst und »damit Bürgerinnen und Bürger, die sich gemeinsam mit ihrer Polizei für die Sicherheit in ihrer Gemeinde einsetzen«, erklärt der Polizeipräsident. Vorbildlich sei auch das Engagement der Sicherheitsberater für Senioren, die aus dieser Funktion heraus die Polizei und eine der wichtigsten Zielgruppen bei der Präventionsarbeit unterstützten. »Dankbar bin ich für die Unterstützung durch die Notfallseelsorge, die uns in akuten Krisensituationen, zum Beispiel bei einem plötzlichen Todesfall, im Umgang mit den Angehörigen entlastet. Auch ehrenamtlich tätige Rettungsstaffeln, die mit ihren Suchhunden bei größeren Schadens- oder Vermisstenfällen helfen, sind Beispiele, an denen deutlich wird, wie breit gefächert ehrenamtliches Engagement sein kann«, fasst Paul zusammen. Angesprochen auf besondere Beispiele von Engagement nennt der Präsident Polizeihauptkommissar Sven Franke. Mit »Running for Children« und seinen kreativen Umsetzungen mache er das Präsidium immer wieder stolz. In diesem Zusammenhang kommt Paul auf ein besonderes gesellschaftliches Beispiel zu sprechen: Gerhard Becker, der leider vor einiger Zeit verstorben ist. Er sei eine jener Personen, die »so viel für das Ehrenamt gegeben haben. Er war über Jahrzehnte der Organisationschef der Tour der Hoffnung und hat bis zuletzt mit seinem Team Spenden für krebskranke Kinder und die Krebsforschung eingesammelt«, hebt Paul hervor.

Erinnerung an Gerhard Becker

Zugleich sei Becker mehr als 30 Jahre ehrenamtlich in der Gemeindevertretung seiner Heimatgemeinde Heuchelheim tätig und Vereinsvorsitzender des Automobilclubs Gießen gewesen - neben weiteren Aktivitäten. »Seine Leidenschaft und sein Engagement für diese Ehrenämter haben mir in einem sehr hohen Maß imponiert und verdienen großen Respekt. Seine Leistung sollte für viele Ansporn sein. Die Gesellschaft kann dankbar sein, dass es solches Engagement gibt«, resümiert der Polizeipräsident.

Klee und Betz nennen den Wohnungsbrand vor einiger Zeit im Wiesecker Weg als Beispiel. »Da waren neben der Berufsfeuerwehr auch etwa 40 ehrenamtliche Kräfte eingebunden und weitere in Bereitstellung, um die Stadt bei parallel auftretenden Einsätzen abzusichern«, blickt die Feuerwehrchefin zurück. Auch bei der Sturmwetterlage im Februar seien alle Einheiten der Freiwilligen Feuerwehrbeteiligt gewesen. »Die Ehrenamtlichen im Katastrophenschutz und Rettungsdienst sind regelmäßig, meist im Stillen, im Einsatz - zum Beispiel beim Brand im Wie-secker Weg mit einer Vielzahl an Betroffenen und teilweise Verletzten oder beim Brand im Universitätsklinikum Gießen. Auch ist der Einsatz in Ahrweiler in Rheinland-Pfalz zu nennen, wo ehrenamtliche Kräfte der Sanitätszüge zwei Wochen zum Transport von Verletzten im Einsatz waren«, erörtert Betz.

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Beim Brand im Wiesecker Weg sind Ehrenamtliche im Einsatz. Archivfoto: Feuerwehr Gießen © Red

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